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Nokia-Betriebsrat: Politik kann Druck ausüben

Der Betriebsrat des Nokia-Werks in Bochum ist gegenwärtig noch nicht bereit, mit der Konzernführung über Sozialpläne zu beraten. Solange der Aufsichtsrat der Schließung nicht offiziell zugestimmt habe, gebe es keinen Grund dazu, sagte Betriebsratsmitglied Jens König. Zur Subventionskritik meinte König, es bringe nichts, jetzt zurückzublicken und sich zu fragen, ob man von Nokia Geld zurückfordern könne.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Das Nokia-Werk in Bochum wird Ende Juni geschlossen werden. Daran hält die finnische Konzernspitze fest, trotz guter Gewinne, trotz des Drucks der Politik und trotz der Angebote der 2.300 Mitarbeiter für den Erhalt ihres Werkes auch Einschnitte in Kauf nehmen zu wollen. Und das, obwohl sich gestern erstmals die Konzernspitze mit Bochumer Nokia-Betriebsräten in Helsinki traf. Die Situation erscheint also aussichtslos. Heute haben die Beschäftigten und die IG Metall zu einem Protesttag aufgerufen. 20.000 Teilnehmer werden erwartet. Und am Telefon ist nun Jens König. Er ist Mitglied des Nokia-Betriebsrates in Bochum, zuständig für den Entwicklungsbereich. Guten Morgen, Herr König!

    Jens König: Ja, guten Morgen!

    Engels: Herr König, Solidarität ist schön und gut. Aber haben Sie noch irgendwelche Hoffnungen auf den Erhalt von Jobs? Können da die Demonstrationen heute irgendetwas bewegen?

    König: Na ja, auf jeden Fall ist es ganz gut, wenn man sieht, wie viele Leute sich dafür interessieren und dass da ein bisschen öffentlicher Druck gemacht wird. Das kann auf jeden Fall nicht schaden. Wie die Lage jetzt einzuschätzen ist, was Finnland als nächstes machen wird, das kann ich natürlich nicht sagen. Das wird sich heute wahrscheinlich dann im Laufe des Tages rausstellen, was gestern Abend bei der Besprechung rausgekommen ist.

    Engels: Sie deuten es an. Gestern sprach die Nokia-Geschäftsführung erstmals in Helsinki mit der Spitze des Betriebsrates von Nokia Bochum. Sie wissen noch keine Einzelheiten?

    König: Nein.

    Engels: Sie sind allerdings auch im Betriebsrat. Das heißt, es müssten ja langsam einmal, wenn das Werk sobald geschlossen werden soll, auch Gespräche über Sozialpläne in Gang kommen. Wissen da schon etwas?

    König: Sagen wir es mal so: Da es noch keine, rechtlich gesehen, feststehende Geschichte ist, werden wir auch da jetzt erst mal noch gar nicht drüber reden. Wir werden jetzt erst mal versuchen, diese ganze Geschichte abzuwenden durch Gespräche. Und wenn es dann dabei bleiben sollte, dann, klar, müssen wir über solche Geschichte reden wie Sozialplan. Aber erst dann. Wissen Sie, der Aufsichtsrat, der hat ja noch gar nicht letztendlich gültig zugestimmt.

    Engels: Herr König, blicken wir auf die Stimmung. Seit einer Woche sind die Schließungspläne bekannt. Wie hat sich derweil das Klima innerhalb der Nokianer entwickelt?

    König: Na ja, das geht los von Bewerbungen, gerade im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Die Leute bewerben sich überall in ganz Deutschland, in USA, in England, sonst wo und bis hin zur Verzweifelung. Wenn man jetzt an Leute aus der Produktion denkt, die Geräte verpackt haben in den letzten Jahren, dann wird es für die sehr schwierig. Dann denken Sie an die ganzen Meister, die Techniker, die Elektronikspezialisten. Die finden vielleicht sogar noch ein Job hier in der Nähe. Das ist dann so im Mittelfeld von der Stimmungslage.

    Engels: Wie sehen Sie denn insgesamt über alle verschiedenen Berufsgruppen hinweg betrachtet die Jobmöglichkeiten, die Jobperspektiven derzeit auf dem Markt?

    König: Auf dem Markt für Ingenieure, wie ich das sehe? Ich bin jetzt nicht der Arbeitsmarktexperte, das tut mir leid. Aber für Ingenieure ist es wahrscheinlich nicht so schlecht. Im Ruhrgebiet ist es nicht so gut. Wenn Sie jetzt Elektroingenieur sind und im Ruhrgebiet was suchen, wird es schwieriger. Da gibt es schon gewissen Druck, ich sage mal, nach Süddeutschland zu gehen. Was den Arbeitsmarkt für ungelernte Arbeitnehmer angeht, weiß ich es nicht. Schauen Sie mal, die Zeitarbeitnehmer, die bei uns eingesetzt waren, da sind schon die ersten Entlassungen angekündigt worden. Das ist für die extrem schwierig.

    Engels: Blicken wir auf die Demonstration heute. Es werden ja auch neben IG-Metall-Spitzenkräften und natürlich vielen Beschäftigten auch Politiker erwartet. Das reicht von Finanzminister Steinbrück bis hin zu Oskar Lafontaine. Sehen Sie sich da vielleicht auch ein wenig zu Wahlkampfzwecken missbraucht?

    König: Ach, mein Gott, das ist mir eigentlich egal, ob die da jetzt ein Wahlkampf draus machen. Für mich ist es entscheidend, dass die für uns was tun können. Und da können natürlich die Politiker jetzt ein bisschen gucken, ein bisschen Druck aufmachen auf die finnische Regierung, auf die Geschäftsführung in Finnland. Die Politiker können hier im wirtschaftlichen Bereich suchen, ob es nicht andere Unternehmen gibt, die zumindest Teilbereiche von Nokia übernehmen wollen. Das sind Aufgaben, die die Politiker wunderbar erfüllen können. Und deswegen habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn die heute auch was sagen.

    Engels: Erwarten Sie auch direkte Handlung von der Politik, Geld in die Hand zu nehmen, beispielsweise durch die Unterstützung von Auffanggesellschaften oder Ähnlichem?

    König: Ja, jetzt habe ich persönlich nicht gerade so den besten Eindruck von Auffanggesellschaften. Ich weiß nicht, was das genau immer bringt. Interessanter ist es vielleicht, dann wieder Investoren anzulocken, um vielleicht zu sagen, okay, und das hört sich jetzt ein bisschen doof an, wir geben euch Subventionen.

    Engels: Sehen Sie die Subventionsproblematik nicht so. Es wird ja die große Diskussion geführt, ob Nokia vielleicht zu Unrecht Subventionen eingestrichen hat. Aber führt das nicht mit dem Blick auf die Zukunft der Mitarbeiter am Thema vorbei? Sie sagen, Subventionen sind doch und bleiben das interessante Mittel?

    König: Nein, es ist eine Möglichkeit vielleicht von vielen. Das Problem ist im Moment diese Subvention. Ich würde diesem verschütteten Wasser jetzt nicht hinterher weinen. Das hat man damals gemacht. Die Firma hat Verträge mit der Politik eingegangen, die sie, denke ich, mal weitestgehend gehalten hat. Und wenn nicht, dann ist das schon alles miteinberechnet worden von der Firmenleitung. Da soll man jetzt, würde ich mal eher sagen, den Blick so ein bisschen in die Zukunft nehmen und fragen: Was kann ich in Zukunft tun? Und nicht: Wie viel Euro bekomme ich jetzt von Nokia zurück? Das ist völlig unerheblich. Wie sichere ich jetzt Arbeitsplätze? Und ich sage mal, wenn man dann zum Beispiel eine Starthilfe für Unternehmen gibt, die sich bilden beispielsweise, dann kann das nur sinnvoll sein.

    Engels: Wir sprachen mit Jens König. Er ist Mitglied des Nokia-Betriebsrates in Bochum. Dort soll heute eine große Solidaritätskundgebung gegen die Werksschließung von Nokia auf die Beine gestellt werden. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    König: Ja, vielen Dank!