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Nooke: Serbien muss Kriegsverbrecher ausliefern

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, hat die Einigung der pro-westlichen Parteien Serbiens auf eine neue Regierung begrüßt. Es sei aber ein "Riesenproblem", dass Serbien weiter nicht ausreichend mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag kooperiere, erklärte der CDU-Politiker.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Günter Nooke von der CDU ist Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Er hat sich immer wieder für mehr Druck gegenüber Serbien ausgesprochen und hat deshalb auch schon die Kanzlerin kritisiert. Guten Morgen, Herr Nooke.

    Günter Nooke: Ja, schönen guten Morgen, Herr Thoma.

    Thoma: Was halten Sie denn jetzt von der neuen demokratischen Entwicklung und der neuen Regierung?

    Nooke: Na, ich glaube, dass es erst mal auf jeden Fall zu begrüßen ist, dass es zu einer Regierungsbildung kam. Es gab ja durch die Wahl des radikalen Präsidenten des Parlaments einige Irritationen, und ich glaube, dass es schon insgesamt sehr positiv ist, dass wir jetzt jemand haben in Serbien, der ansprechbar ist für uns und wo wir wissen, worum es geht.

    Thoma: Sind die Serben da selber vernünftig geworden, oder glauben Sie schon, dass da Druck ausgeübt worden ist international, möglicherweise auch von Angela Merkel?

    Nooke: Es gab auf jeden Fall ein großes Interesse auf der deutschen Seite, dass es zu dieser Regierungsbildung kommt, und welcher Druck und welche freundlichen Gespräche dann am Ende ausschlaggebend gewesen sind, das kann ich als Menschenrechtsbeauftragter, da ich da nicht an diesen Gesprächen beteiligt war, nicht wirklich sagen. Aber ich denke, solche Beispiele zeigen, dass ja von Seiten zum Beispiel der Europäischen Union, wo eben Deutschland die Präsidentschaft hat, aber auch eben die Politik des Außenministeriums in Berlin oder eben auch des Kanzleramts, dass die eben doch Wirkung zeigt und dass sicher auch Staaten wie Deutschland und andere europäische Staaten ihr Interesse immer wieder äußern, dass es doch zu einer langfristigen Stabilisierung des Balkans kommt. Und dazu zählen eben insbesondere auch der Kosovo in Serbien.

    Thoma: Sie haben aber auch gerade in der letzten Zeit die Kanzlerin persönlich oder die Bundesregierung kritisiert, dass Sie das Thema Menschenrechte in Serbien zu wenig anspricht, warum?

    Nooke: Ich habe mich etwas geärgert, dass wir in der Erklärung, die die Präsidentschaft im Europarat gegeben hat, nicht wenigstens gefordert haben, dass die Kriegsverbrecher, die in Serbien noch sind, Mladic zum Beispiel, dass die nicht ausgeliefert werden und dass wir das nicht mal uns trauen zu sagen. Man muss doch sehen, dass wenn Serbien im Europarat den Vorsitz übernimmt und man darüber gar kein Wort verliert, dann ist das ja das beste Beispiel, dass es offensichtlich für uns keine Rolle spielt. Und das fand ich nicht so gut. Das war jetzt nicht die Entscheidung des Kanzleramtes, sondern das ist hier diskutiert worden, sicher auch im Kontext der Kosovo-Frage. Aber ich glaube, wenn man den Europarat - und viele verstehen ja gar nicht, was das eigentlich ist, diese Gemeinschaft von 47 Staaten jetzt -, wenn man den stärken will, dann muss man natürlich sagen, dann muss man ihn in seinen elementaren drei Säulen stärken, und die sind Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie. Und gerade wenn es um solche existenziellen Dinge wie Menschenrechte geht, dann kann man nicht jemand den Vorsitz geben und kein Wort darüber verlieren, wo er selber die Menschenrechte mit Füßen tritt und sich auch an der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen im eigenen Lande überhaupt nicht beteiligt, sondern eben diese Verweigerung, die Leute an das Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien auszuliefern an einen Strafgerichtshof, das ist natürlich ein Riesenproblem.

    Thoma: Haben Sie denn das Gefühl, dass die serbische Regierung jetzt mehr kooperieren will mit dem internationalen Kriegsverbrechertribunal?

    Nooke: Das wird auch nur geschehen, wenn hier der Druck erhöht und wenn klar ist, dass es imageschädigend ist. Wenn Serbien zum Beispiel solch einer honorigen Institution wie dem Europarat jetzt für ein halbes Jahr lang als Präsidentschaft vorsitzt, dann muss natürlich auch klar sein, dass sie selber mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Man kann diese Einrichtung Europarat nicht stärken, wenn man gleichzeitig akzeptiert, dass die die Menschenrechte verletzen, die internationale Konvention, aber eben auch schon gefällte Urteile, der Auslieferungsantrag zum Beispiel, nicht erfüllt wird.

    Thoma: Wie kann denn dieser Druck aussehen, der da ausgeübt werden muss auf Serbien?

    Nooke: Ich finde, das Erste ist eben, dass man selbst die Dinge öffentlich anspricht, und wenn es hinter verschlossenen Türen nicht zu Ergebnissen führt, diesen Staaten sagt, das ist nicht die Basis, das ist nicht die Wertegemeinschaft, die wir im Europarat gemeinsam vertreten wollen. Es ist ja gerade die Chance, mit dem Europarat eine Gemeinschaft europäischer Staaten zu haben, die über die enge Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union hinausgeht, weil dort eben auch noch viele Staaten aus Mittelost- und Osteuropa dabei sind, die eben noch nicht EU-Mitglied sind und die gerade auch im Rahmen des Europarates ja sich einüben, herangeführt werden können auch an eine vielleicht spätere Mitgliedschaft in der EU, aber vor allem eben an die Standards, die wir für uns als Wertegemeinschaft für wichtig erachten. Die Europäische Menschenrechtskonvention, vor allem auch die Sich-Unterordnung unter den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das sind ja wichtige, ja auch gerade im Menschenrechtsbereich wichtige Instrumente, die in Europa eigentlich auch funktionieren. Und das heißt, da wo man sich nicht dran hält und ein Mitgliedstaat sogar noch die Präsidentschaft haben will, dann muss man wenigstens sagen, dass das nicht in Ordnung ist.

    Thoma: Ist es nicht noch viel wichtiger als Druck, dass man diesen Ländern und auch gerade Serbien die Chancen aufzeigt, die die europäische Annäherung haben kann, so wie das auf der Balkankonferenz ja gestern in Zagreb auch passiert ist?

    Nooke: Das ist sicher ein gutes Beispiel, dass eben wieder versucht wird, welche Wege man gehen kann. Ich will einfach nur für mich - weil ich mich in die ganz großen politischen Themen des Balkans gar nicht einmischen will -, ich will einfach nur sagen, wenn wir beim Europarat Menschenrechte stärken wollen, dann ist eben das, was offensichtlich Menschenrechtsverletzungen sind, wo man sich weigert, mit den Menschenrechtsmechanismen im Europarat oder in Europa zu kooperieren, dann ist das das Hauptproblem. Dass es keine einfachen Lösungen auf dem Balkan gibt und dass die Kosovo-Frage sehr schwierig ist und dass natürlich auch die Souveränität von Staaten und das, was sie selbst in ihrem Bereich organisieren wollen, geachtet werden muss, das ist die eine Seite, und das verstehe ich. Aber wer als souveräner Staat sich dann nicht wenigstens an das hält, was er freiwillig im internationalen Bereich an Konventionen und Verträgen unterschrieben hat und worauf man sich selbst verpflichtet hat, einhält, dem muss man dann auch sagen, so geht's nicht.

    Thoma: Sie haben das Beispiel Kosovo angesprochen jetzt gerade mit der neuen Resolution im Weltsicherheitsrat und dem Plan des Sondervermittlers Ahtisaari aus Finnland, der nun sagt, man soll das Land, also Kosovo, langsam in die Unabhängigkeit führen. Wird sich gerade an dieser Frage jetzt auch zeigen, wie kooperativ die Serben sind?

    Nooke: Ja, auf jeden Fall wird es weitere Gespräche geben müssen, und ich will hier nicht der Politik der Bundesregierung in diesem schwierigen Feld als Menschenrechtsbeauftragter Vorschriften machen. Ich glaube nur, dass es darum geht - und das ist in der Menschenrechtspolitik immer das Entscheidende -, dass man einerseits die Souveränität und ja auch Integrität der Staaten achtet, weil wir sonst überhaupt keinen Ansprechpartner haben für Menschenrechtsverletzungen, andererseits aber eben auch deutlich machen, dass wir von diesen Staaten erwarten, dass sie im Inneren das umsetzen, was sie nach außen an Verträgen und Konventionen unterschreiben.

    Thoma: Wie können wir das denn kontrollieren, müssen wir das auch kontrollieren direkt im Land?

    Nooke: Kontrollieren muss man auch. Es gibt gerade auch beim Europarat umfassende Monitoring-Verfahren. Und mit dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg haben wir das beste Instrumentarium, Menschenrechtsverletzungen zu ahnden. Jeder kann sich beschweren, jeder Kosovo-Albaner kann Individualklagen beim Menschenrechtsgerichtshof einreichen und gegen Menschenrechtsverletzungen protestieren und bekommt Recht. Der Staat wird verklagt, muss zahlen, muss seine Gesetze ändern. Das trifft in Deutschland genauso zu wie im Kosovo oder zum Beispiel in der Ukraine. Und ich glaube, dass dieses Instrumentarium sehr wichtig ist. Wie man politisch den Balkan ordnet, das ist eine Frage, die nicht unmittelbar mit Menschenrecht zu tun hat. Ich glaube auch, wir müssen fairerweise sagen, dass auch antieuropäische Parteien natürlich gewählt werden dürfen. Zu den Menschenrechten gehört auch die Parteienbildung, Versammlungsfreiheit, da können auch Meinungen geäußert werden, die uns nicht passen. Aber das Entscheidende ist, dass man sich da, wo Menschenrechtsverletzungen passiert sind - und was im ehemaligen Jugoslawien geschehen ist, das war ein Genozid, so lautet die Anklage zum Beispiel gegen Mladic -, das sind natürlich schon schwere Menschenrechtsverbrechen, und da kann man nicht einfach heute als demokratische Regierung sagen, wir haben damit nichts zu tun, wir schützen unsere eigenen Leute. Da wird also die neue Regierung jetzt in Serbien noch zeigen müssen, ob sie wirklich gewillt ist, hier sich den europäischen Standards anzupassen und die auch selber umzusetzen.

    Thoma: Sagt Günter Nooke von der CDU, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Vielen Dank, Herr Nooke, für das Gespräch.