Klein: Gestern Abend Essen in einem Weinrestaurant am Rhein. Die freundliche Atmosphäre, die zwischen Merkel und Putin geschildert wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Konflikte und strittige Themen zu Hauf gibt. Und eines davon ist die Frage der Menschenrechte in Russland und wie offen darüber gesprochen werden kann bei den deutsch-russischen Konsultationen.
Am Telefon begrüße ich Günther Nooke (CDU), Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Guten Morgen Herr Nooke!
Nooke: Schönen guten Morgen Frau Klein!
Klein: Beleidigte Mienen haben wir gerade gehört bei russischer Seite, wenn es um das Thema Menschenrechte geht. Wie sehr muss die Kanzlerin darauf Rücksicht nehmen?
Nooke: Ich glaube es geht darum, dass wir in unserer Politik erkennbar bleiben und moralisch begründete Außenpolitik ist keineswegs etwas anderes als Realpolitik. Man muss einfach Russland so nehmen wie es ist und man darf nicht beschönigen, was nicht gut ist. Das heißt nicht, dass es nicht möglich ist, auch anderes zu tun, Geschäfte zu machen, aber wer meint, man kann darauf verzichten, Dinge die wirklich falsch laufen in Russland beim Namen zu nennen, der geht fehl in der Annahme, dass das besser wäre. Ich glaube, dass gerade die russischen Vertreter, auch der Präsident Putin lernen müssen, dass in Europa Klartext geredet wird und wir Meinungsfreiheit haben, Bewegungsfreiheit.
Ich möchte einfach mal daran erinnern, dass ja Russland selbst die europäische Konvention für Menschenrechte unterschrieben hat. Sie sind Mitglied im Europarat. Wir reden doch sonst immer von der EU. Der Europarat beschäftigt sich sehr viel mit Menschenrechten. Da ist Russland Mitglied. Wir tun nichts weiter, als Russland an seine eigenen Verpflichtungen zu erinnern. Und wenn ich mich noch darauf besinne, wie Putin selbst im Deutschen Bundestag geredet hat und die gemeinsame Geschichte, die gemeinsamen Werte beschworen hat – und das ist ja richtig, dass russische Intellektuelle, Schriftsteller, Maler, Musiker diese Werte in Europa mit geschaffen haben - dann kann es doch jetzt nicht falsch sein, daran auch Russland zu erinnern, zumal das ja viele der Menschenrechtler in Russland von uns erwarten, ja in stärkerem Maße sogar erwarten.
Klein: Was genau muss die Kanzlerin, Herr Nooke, heute öffentlich ansprechen?
Nooke: Sie muss nicht unbedingt das Ritual immer vollbringen, bei jedem Treffen auch irgendetwas zu den Menschenrechten zu sagen, aber es darf keinen Zweifel daran bestehen, dass sie es tut, wenn es nötig ist. Und sie muss natürlich auch darauf hinweisen, dass wir nicht erpressbar sind. Es kann nicht sein, dass ein erstarkendes Russland jetzt von uns verlangt, dass wir an anderer Stelle Kompromisse machen. Ich glaube den Eindruck darf die Kanzlerin nicht erwecken, weil das würde die Menschenrechtsaktivisten in Russland, die für mehr Freiheit, für mehr Öffentlichkeit kämpfen, die sie in den Medien nicht bekommen, enttäuschen. Ich glaube, dass wir diese stärken und damit auch die Zivilbevölkerung, das was in Russland selber wachsen kann voranbringen, das ist wichtig, damit eben in Russland sich anderes durchsetzt als was wir zurzeit erleben.
Klein: Mit Erpressbarkeit meinen Sie, dass sich Deutschland zurückhält mit Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen, Stichwort Energiemärkte?
Nooke: Ich glaube, dass erstens die Wirtschaft Geschäfte macht wo sie sich lohnen und nicht so davon abhängig ist, ob wir Dinge ansprechen oder nicht. Das zweite ist, dass ich glaube, wenn die Wirtschaft einen Augenblick darüber nachdenkt, was sie braucht, nämlich stabile Verhältnisse, dann sind die in einem Rahmen, der nicht von Rechtstaatlichkeit geprägt ist und auch nicht von der Mehrheit der Gesellschaft getragen ist, auch nicht für sie wirklich renditesicher oder förderlich. Ich glaube, dass wir da einen Fehler machen. Wenn in einem großen Land wie Russland mir die Vertreter, mit denen ich in Moskau spreche, sagen, wir können hier in vier Wochen jeden Präsidenten wählen lassen, weil die Medien im Grunde eine so große Macht haben, gerade das Fernsehen, gerade die elektronischen Medien, dann heißt das ja auch, es kann fast jede andere Entscheidung so positiv erklärt werden, dass sie durchgesetzt werden kann. Das ist ja keine Sicherheit für die Wirtschaft. Ich glaube also da muss man einfach ein bisschen das Klagen, was dort angestimmt wird, auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Klein: Um noch mal kurz dabei zu bleiben. Beim Besuch der amerikanischen Außenministerin in Moskau dieser Tage kamen auch Menschenrechtler zu Wort, unter anderem die 80jährige Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, die ganz ausdrücklich sagt, öffentliche Kritik von führenden ausländischen Politikern am so wörtlich autoritären System in Russland kann zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen. Müssen wir diese Möglichkeit stärker wahrnehmen?
Nooke: Ich bin voll dieser Meinung von Ljudmilla Alexejewa. Als ich sie in Deutschland das erste Mal traf – ich habe sie inzwischen mehrfach getroffen -, hat sie mir gesagt Herr Nooke, sie stammen ja wie Frau Merkel aus der DDR. Da wissen sie ja, wie eine Diktatur funktioniert. Da können wir gleich konkret werden. – Ich finde das ist ja auch ein Lob, das darin steckt, dass nämlich Frau Merkel oder auch Leute, die in der DDR groß geworden sind, vielleicht etwas mehr als mancher Wirtschaftsvertreter aus dem Westen wissen, wie Diktatur funktioniert und man darf sich von den Mächtigen auch nicht zu sehr einschüchtern lassen.
Klein: Wenn wir bei dem Punkt bleiben. Sie stammen aus der DDR, auch Frau Merkel. Sie waren am Ende auch in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Was empfinden Sie denn angesichts der gegenwärtigen Situation in Russland mit Blick auf Demokratie und Menschenrechte am Bedrängendsten?
Nooke: Ich finde, dass alle denken, Russland sei ein völlig stabiles Land und man hat dort eine Entwicklung, die sei völlig normal, weil Russland wirtschaftlich erstarkt und militärisch Macht demonstriert. Auf der anderen Seite können sie mit einem Schachweltmeister Garri Kasparow, der weiter nichts macht, als mit den Menschen in den verschiedenen Regionen dieses Landes zu reden, nicht leben oder müssen ihn aus den Medien herausdrängen. Das zeigt doch die Schwäche des Systems, wenn man einfach nicht bereit ist, dass auch Leute, die ja populär sind – Kasparow ist als Politiker unbekannt, aber er ist als Schachweltmeister natürlich fast so eine Ikone wie bei uns Franz Beckenbauer -, reden zu lassen.
Das heißt, dass sie natürlich Angst haben vor denen, die auch etwas anderes sagen und ein positives Image in der Gesellschaft haben, und das zeigt, dass gerade was Meinungsfreiheit und Freiheit auch in den elektronischen Medien angeht es nicht in Ordnung ist und viele andere Dinge, die zu Diskussionen führen würden, ob nun Politiker vom EU-Parlament ausgeladen werden oder man sich nicht wirklich frei bewegen kann, Reisen nach Tschetschenien schwierig sind. Ich bin dort hingefahren. Es ist möglich. Es wird nicht gerne gesehen, aber ich glaube wir müssen alle auf unseren verschiedenen Ebenen und mit den verschiedenen Möglichkeiten, die wir haben, einfach uns so gegenüber Russland verhalten, wie wir uns gegenüber jedem anderen Land verhalten. Nur wenn man normal miteinander umgeht, auch Kritik äußert, dann kann man auch sagen, dass Russland ein gleichberechtigter Partner ist in unserer strategischen Partnerschaft, aber auch in der Welt.
Klein: Stichwort anderes Land. Da möchte ich gerne mal ein anderes Beispiel bringen. Dalai Lama, Menschenrechtsaktivist muss man sicherlich auch sagen, von der Kanzlerin empfangen im Kanzleramt. Sie hat damit ein deutliches Zeichen in Menschenrechtsfragen gegenüber China gesetzt und die Proteste in Kauf genommen. China hat sogar den Menschenrechtsdialog jetzt abgesagt. Ist das ein vergleichbares Zeichen, das gegenüber Russland undenkbar wäre?
Nooke: Nein. Ich glaube, dass erstens Frau Merkel ja nicht den Dalai Lama getroffen hat, um die chinesische Republik zu verärgern, sondern es geht einfach darum, dass sie viele geistige Führer trifft. Ich glaube eine deutsche Kanzlerin kann sich von keinem vorschreiben lassen, wen sie in Deutschland oder im Kanzleramt treffen darf. Das ist das erste. Das ist eine freie Entscheidung und das muss man auch mit den Vertretern, wer immer da kommt, aus Russland so halten.
Wir haben mit Russland Menschenrechtskonsultationen. Ich habe im vergangenen Mai die russischen Menschenrechtskonsultationen im Rahmen der EU hier in Berlin geleitet und ich glaube, dass es schon ein Interesse daran gibt, im Gespräch zu bleiben. Auch solche zivilgesellschaftlichen Begegnungen wie der Petersburger Dialog, das sind ja doch Zeichen, dass wir wollen, dass wir miteinander im Gespräch bleiben.
Ich glaube Russland und China ist schon noch im gewissen Sinne ein Unterschied, weil Russland ist im Grunde von seinem Werteverständnis her europäische geprägt, hat wie ich es vorhin gesagt habe die europäischen Werte ja mit seiner Führungselite oder intellektuellen Elite früher mit geprägt. Das wollen wir eigentlich wieder haben und insofern hoffe ich, dass es noch ein bisschen einen Unterschied gibt, weil Russland ist noch in einem anderen Sinne eingebunden in Europa als China.
Klein: Lassen Sie uns abschließend noch kurz bei China bleiben. Menschenrechtsdialog für Dezember abgesetzt. Welche Reaktionen empfehlen Sie jetzt der Bundesregierung darauf?
Nooke: Wir werden auf jeden Fall für den Beginn des nächsten Jahres noch mal versuchen, einen Termin zu bekommen. Ich denke, dass wir gerade auch sehr sensibel beim letzten Menschenrechtsdialog im Herbst vorigen Jahres hier in Berlin miteinander gesprochen haben und das ist ja manchmal dann auch so ein kleines Fingerhakeln, was dann mit der Absage des Rechtstaatsdialogs und jetzt mit der Absage des Menschenrechtsdialogs stattfindet. Es ist in der Tat in dem Schreiben, das ich habe, auf den Besuch des Dalai Lamas hingewiesen worden, aber ich finde, dass es da nur darum gehen kann, dass man sagt, dass Menschen, die wirklich miteinander reden wollen, in Deutschland nicht verbieten können. Es ist ja schon schlimm genug, wenn das in China stattfindet, aber wenn jetzt China noch uns sagen will, was wir in Deutschland dürfen.
Frau Merkel hat andere Führer von Kirchen aus dem muslimischen Bereich und anderswo getroffen. Sie trifft immer auch gerade religiöse Führer und da ist der Dalai Lama natürlich einer, der wichtig ist. Es ging überhaupt nicht darum, die Ein-China-Politik von der deutschen Bundesregierung in Frage zu stellen. Insofern finde ich muss man auch hier China sagen, wenn ihr international bei der Wirtschaft und an anderen Stellen als gleichberechtigter Partner wahrgenommen und ernst genommen werden wollt, dann müsst ihr euch auch an das halten, was in unseren Breiten hier Gang und Gäbe ist, nämlich dass die miteinander reden, die es für nötig halten, und da nicht gleich verschnupft sein.
Klein: Günther Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Danke Ihnen Herr Nooke für das Gespräch!
Nooke: Ja, auf Wiederhören Frau Klein!
Klein: Auf Wiederhören!
Am Telefon begrüße ich Günther Nooke (CDU), Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Guten Morgen Herr Nooke!
Nooke: Schönen guten Morgen Frau Klein!
Klein: Beleidigte Mienen haben wir gerade gehört bei russischer Seite, wenn es um das Thema Menschenrechte geht. Wie sehr muss die Kanzlerin darauf Rücksicht nehmen?
Nooke: Ich glaube es geht darum, dass wir in unserer Politik erkennbar bleiben und moralisch begründete Außenpolitik ist keineswegs etwas anderes als Realpolitik. Man muss einfach Russland so nehmen wie es ist und man darf nicht beschönigen, was nicht gut ist. Das heißt nicht, dass es nicht möglich ist, auch anderes zu tun, Geschäfte zu machen, aber wer meint, man kann darauf verzichten, Dinge die wirklich falsch laufen in Russland beim Namen zu nennen, der geht fehl in der Annahme, dass das besser wäre. Ich glaube, dass gerade die russischen Vertreter, auch der Präsident Putin lernen müssen, dass in Europa Klartext geredet wird und wir Meinungsfreiheit haben, Bewegungsfreiheit.
Ich möchte einfach mal daran erinnern, dass ja Russland selbst die europäische Konvention für Menschenrechte unterschrieben hat. Sie sind Mitglied im Europarat. Wir reden doch sonst immer von der EU. Der Europarat beschäftigt sich sehr viel mit Menschenrechten. Da ist Russland Mitglied. Wir tun nichts weiter, als Russland an seine eigenen Verpflichtungen zu erinnern. Und wenn ich mich noch darauf besinne, wie Putin selbst im Deutschen Bundestag geredet hat und die gemeinsame Geschichte, die gemeinsamen Werte beschworen hat – und das ist ja richtig, dass russische Intellektuelle, Schriftsteller, Maler, Musiker diese Werte in Europa mit geschaffen haben - dann kann es doch jetzt nicht falsch sein, daran auch Russland zu erinnern, zumal das ja viele der Menschenrechtler in Russland von uns erwarten, ja in stärkerem Maße sogar erwarten.
Klein: Was genau muss die Kanzlerin, Herr Nooke, heute öffentlich ansprechen?
Nooke: Sie muss nicht unbedingt das Ritual immer vollbringen, bei jedem Treffen auch irgendetwas zu den Menschenrechten zu sagen, aber es darf keinen Zweifel daran bestehen, dass sie es tut, wenn es nötig ist. Und sie muss natürlich auch darauf hinweisen, dass wir nicht erpressbar sind. Es kann nicht sein, dass ein erstarkendes Russland jetzt von uns verlangt, dass wir an anderer Stelle Kompromisse machen. Ich glaube den Eindruck darf die Kanzlerin nicht erwecken, weil das würde die Menschenrechtsaktivisten in Russland, die für mehr Freiheit, für mehr Öffentlichkeit kämpfen, die sie in den Medien nicht bekommen, enttäuschen. Ich glaube, dass wir diese stärken und damit auch die Zivilbevölkerung, das was in Russland selber wachsen kann voranbringen, das ist wichtig, damit eben in Russland sich anderes durchsetzt als was wir zurzeit erleben.
Klein: Mit Erpressbarkeit meinen Sie, dass sich Deutschland zurückhält mit Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen, Stichwort Energiemärkte?
Nooke: Ich glaube, dass erstens die Wirtschaft Geschäfte macht wo sie sich lohnen und nicht so davon abhängig ist, ob wir Dinge ansprechen oder nicht. Das zweite ist, dass ich glaube, wenn die Wirtschaft einen Augenblick darüber nachdenkt, was sie braucht, nämlich stabile Verhältnisse, dann sind die in einem Rahmen, der nicht von Rechtstaatlichkeit geprägt ist und auch nicht von der Mehrheit der Gesellschaft getragen ist, auch nicht für sie wirklich renditesicher oder förderlich. Ich glaube, dass wir da einen Fehler machen. Wenn in einem großen Land wie Russland mir die Vertreter, mit denen ich in Moskau spreche, sagen, wir können hier in vier Wochen jeden Präsidenten wählen lassen, weil die Medien im Grunde eine so große Macht haben, gerade das Fernsehen, gerade die elektronischen Medien, dann heißt das ja auch, es kann fast jede andere Entscheidung so positiv erklärt werden, dass sie durchgesetzt werden kann. Das ist ja keine Sicherheit für die Wirtschaft. Ich glaube also da muss man einfach ein bisschen das Klagen, was dort angestimmt wird, auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Klein: Um noch mal kurz dabei zu bleiben. Beim Besuch der amerikanischen Außenministerin in Moskau dieser Tage kamen auch Menschenrechtler zu Wort, unter anderem die 80jährige Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, die ganz ausdrücklich sagt, öffentliche Kritik von führenden ausländischen Politikern am so wörtlich autoritären System in Russland kann zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen. Müssen wir diese Möglichkeit stärker wahrnehmen?
Nooke: Ich bin voll dieser Meinung von Ljudmilla Alexejewa. Als ich sie in Deutschland das erste Mal traf – ich habe sie inzwischen mehrfach getroffen -, hat sie mir gesagt Herr Nooke, sie stammen ja wie Frau Merkel aus der DDR. Da wissen sie ja, wie eine Diktatur funktioniert. Da können wir gleich konkret werden. – Ich finde das ist ja auch ein Lob, das darin steckt, dass nämlich Frau Merkel oder auch Leute, die in der DDR groß geworden sind, vielleicht etwas mehr als mancher Wirtschaftsvertreter aus dem Westen wissen, wie Diktatur funktioniert und man darf sich von den Mächtigen auch nicht zu sehr einschüchtern lassen.
Klein: Wenn wir bei dem Punkt bleiben. Sie stammen aus der DDR, auch Frau Merkel. Sie waren am Ende auch in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Was empfinden Sie denn angesichts der gegenwärtigen Situation in Russland mit Blick auf Demokratie und Menschenrechte am Bedrängendsten?
Nooke: Ich finde, dass alle denken, Russland sei ein völlig stabiles Land und man hat dort eine Entwicklung, die sei völlig normal, weil Russland wirtschaftlich erstarkt und militärisch Macht demonstriert. Auf der anderen Seite können sie mit einem Schachweltmeister Garri Kasparow, der weiter nichts macht, als mit den Menschen in den verschiedenen Regionen dieses Landes zu reden, nicht leben oder müssen ihn aus den Medien herausdrängen. Das zeigt doch die Schwäche des Systems, wenn man einfach nicht bereit ist, dass auch Leute, die ja populär sind – Kasparow ist als Politiker unbekannt, aber er ist als Schachweltmeister natürlich fast so eine Ikone wie bei uns Franz Beckenbauer -, reden zu lassen.
Das heißt, dass sie natürlich Angst haben vor denen, die auch etwas anderes sagen und ein positives Image in der Gesellschaft haben, und das zeigt, dass gerade was Meinungsfreiheit und Freiheit auch in den elektronischen Medien angeht es nicht in Ordnung ist und viele andere Dinge, die zu Diskussionen führen würden, ob nun Politiker vom EU-Parlament ausgeladen werden oder man sich nicht wirklich frei bewegen kann, Reisen nach Tschetschenien schwierig sind. Ich bin dort hingefahren. Es ist möglich. Es wird nicht gerne gesehen, aber ich glaube wir müssen alle auf unseren verschiedenen Ebenen und mit den verschiedenen Möglichkeiten, die wir haben, einfach uns so gegenüber Russland verhalten, wie wir uns gegenüber jedem anderen Land verhalten. Nur wenn man normal miteinander umgeht, auch Kritik äußert, dann kann man auch sagen, dass Russland ein gleichberechtigter Partner ist in unserer strategischen Partnerschaft, aber auch in der Welt.
Klein: Stichwort anderes Land. Da möchte ich gerne mal ein anderes Beispiel bringen. Dalai Lama, Menschenrechtsaktivist muss man sicherlich auch sagen, von der Kanzlerin empfangen im Kanzleramt. Sie hat damit ein deutliches Zeichen in Menschenrechtsfragen gegenüber China gesetzt und die Proteste in Kauf genommen. China hat sogar den Menschenrechtsdialog jetzt abgesagt. Ist das ein vergleichbares Zeichen, das gegenüber Russland undenkbar wäre?
Nooke: Nein. Ich glaube, dass erstens Frau Merkel ja nicht den Dalai Lama getroffen hat, um die chinesische Republik zu verärgern, sondern es geht einfach darum, dass sie viele geistige Führer trifft. Ich glaube eine deutsche Kanzlerin kann sich von keinem vorschreiben lassen, wen sie in Deutschland oder im Kanzleramt treffen darf. Das ist das erste. Das ist eine freie Entscheidung und das muss man auch mit den Vertretern, wer immer da kommt, aus Russland so halten.
Wir haben mit Russland Menschenrechtskonsultationen. Ich habe im vergangenen Mai die russischen Menschenrechtskonsultationen im Rahmen der EU hier in Berlin geleitet und ich glaube, dass es schon ein Interesse daran gibt, im Gespräch zu bleiben. Auch solche zivilgesellschaftlichen Begegnungen wie der Petersburger Dialog, das sind ja doch Zeichen, dass wir wollen, dass wir miteinander im Gespräch bleiben.
Ich glaube Russland und China ist schon noch im gewissen Sinne ein Unterschied, weil Russland ist im Grunde von seinem Werteverständnis her europäische geprägt, hat wie ich es vorhin gesagt habe die europäischen Werte ja mit seiner Führungselite oder intellektuellen Elite früher mit geprägt. Das wollen wir eigentlich wieder haben und insofern hoffe ich, dass es noch ein bisschen einen Unterschied gibt, weil Russland ist noch in einem anderen Sinne eingebunden in Europa als China.
Klein: Lassen Sie uns abschließend noch kurz bei China bleiben. Menschenrechtsdialog für Dezember abgesetzt. Welche Reaktionen empfehlen Sie jetzt der Bundesregierung darauf?
Nooke: Wir werden auf jeden Fall für den Beginn des nächsten Jahres noch mal versuchen, einen Termin zu bekommen. Ich denke, dass wir gerade auch sehr sensibel beim letzten Menschenrechtsdialog im Herbst vorigen Jahres hier in Berlin miteinander gesprochen haben und das ist ja manchmal dann auch so ein kleines Fingerhakeln, was dann mit der Absage des Rechtstaatsdialogs und jetzt mit der Absage des Menschenrechtsdialogs stattfindet. Es ist in der Tat in dem Schreiben, das ich habe, auf den Besuch des Dalai Lamas hingewiesen worden, aber ich finde, dass es da nur darum gehen kann, dass man sagt, dass Menschen, die wirklich miteinander reden wollen, in Deutschland nicht verbieten können. Es ist ja schon schlimm genug, wenn das in China stattfindet, aber wenn jetzt China noch uns sagen will, was wir in Deutschland dürfen.
Frau Merkel hat andere Führer von Kirchen aus dem muslimischen Bereich und anderswo getroffen. Sie trifft immer auch gerade religiöse Führer und da ist der Dalai Lama natürlich einer, der wichtig ist. Es ging überhaupt nicht darum, die Ein-China-Politik von der deutschen Bundesregierung in Frage zu stellen. Insofern finde ich muss man auch hier China sagen, wenn ihr international bei der Wirtschaft und an anderen Stellen als gleichberechtigter Partner wahrgenommen und ernst genommen werden wollt, dann müsst ihr euch auch an das halten, was in unseren Breiten hier Gang und Gäbe ist, nämlich dass die miteinander reden, die es für nötig halten, und da nicht gleich verschnupft sein.
Klein: Günther Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Danke Ihnen Herr Nooke für das Gespräch!
Nooke: Ja, auf Wiederhören Frau Klein!
Klein: Auf Wiederhören!