Najib: Guten Morgen!
Zagatta: Herr Najib, mit welchen Erwartungen sehen Sie denn der Konferenz morgen entgegen?
Najib: Also, dieses Treffen ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer dauerhaften politischen Ordnung in Afghanistan. Wie Sie vorhin recht gesagt haben, die Voraussetzung dafür waren die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen. Durch diesen Krieg konnten wir den Frieden in Afghanistan behaupten, so dass einige Teile Afghanistans von den Taliban und den Terroristen, die sie unterstützen, befreit wurden.
Zagatta: Der Führer der Nordallianz, der frühere Präsident Rabbani, hat schon wissen lassen, er erwarte nicht viel von der Konferenz. Sind Sie etwas optimistischer?
Najib: Ich sehe das anders. Die letzten Tage, insbesondere gestern und vorgestern, hat unser Staatspräsident, Professor Rabbani, gesagt, die Beschlüsse, die in Bonn gemacht werden, werden von unserer Seite in vollem Umfang akzeptiert. In Kabul ist das von Anfang an durch unseren nationalen Rat und Sicherheitsrat angenommen worden. Es hat auch eine Pressekonferenz von unserer Seite gegeben, wo der Nationale Rat innerhalb der nächsten drei Monaten in Kabul berufen worden ist, mit allen ethnischen Gruppierungen in Afghanistan.
Zagatta: Ist die Nordallianz überhaupt bereit, die jetzt mit Hilfe der USA errungene Macht mit anderen ernsthaft zu teilen?
Najib: Natürlich. Afghanistan gehört den Afghanen. Alle müssen mitbestimmen, nach 23 Jahren Krieg in Afghanistan. Alle Kräfte, innerhalb und außerhalb Afghanistans, werden gebraucht, alle Afghanen, egal welcher ethnischen Gruppierung sie angehören. Wir sind gerne bereit, mit den Afghanen die Geschicke des Landes in Zukunft zu unternehmen und durchzusetzen.
Zagatta: Ohne ausländische Friedenstruppen besteht ja die Gefahr - das zumindest meint die Delegation des früheren afghanischen Königs -, dass der Bürgerkrieg sofort wieder ausbricht. Sind Sie auch dafür, ausländische Soldaten ins Land zu lassen?
Najib: Das afghanische Volk hat unter dem Krieg viel gelitten, natürlich auch unter Gruppierungen von anderen Staaten. Aber die UNO und die Europäische Union sind herzlich willkommen, wenn es nötig ist und nach Absprache mit der Regierung.
Zagatta: Die Delegation des Königs will ja darauf bestehen, UNO-Friedenstruppen möglicherweise ins Land zu lassen. Damit wären Sie einverstanden?
Najib: Natürlich, wenn der Bedarf da ist und unsere Regierung dem zustimmt.
Zagatta: Meinen Sie, Ihre Regierung stimmt zu?
Najib: Wenn der Bedarf da ist, werden wir das tun.
Zagatta: Hilfsorganisationen, aber auch die UNO-Menschenrechtskommissare werden der Nordallianz jetzt schon vor, wieder zu morden, wieder zu plündern, wieder zu vergewaltigen. Was sagen Sie denn zu diesen Vorwürfen?
Najib: Also, ich möchte zunächst sagen, Afghanistan ist teilweise vom internationalen Terrorismus befreit worden - Kundus und Kandahar sind noch im Besitz der Taliban. Aber von den Teilen, die befreit worden sind, haben wir positive Dinge gehört und gesehen, das ist ja live übertragen worden. Die Zustände haben sich normalisiert, die Menschen können wieder Fernsehen schauen, sie haben Zugang zum Rundfunk, erste Zeitungen werden veröffentlicht. Langsam werden die verschiedenen Gruppen der Nordallianz die notwendigen Schritte machen, um die innere Sicherheit zu bewahren. Einige Söldner der Taliban und einige Taliban selbst werden sich bestimmt in die Berge zurückziehen und es könnte zu kleinen militärischen Auseinandersetzungen und Plünderungen kommen. Aber wir versuchen alles, mit unseren Möglichkeiten die neue Ordnung zu stabilisieren. Man darf eine wichtige Sache nicht vergessen: die afghanischen Flüchtlinge, innerhalb und außerhalb Afghanistans, brauchen, neben der politischen Lösung, ganz dringend humanitäre Hilfe. Der Winter ist vor der Tür, zur Zeit ist Ramadan in Afghanistan. Diese Menschen brauchen eine sofortige Maßnahme, um humanitäre Hilfe, Lebensmittel, medizinische Versorgung zu bekommen. Das trägt auch zu einer friedlichen Lösung in Afghanistan bei.
Zagatta: Welche Rolle hat denn die Nordallianz den Frauen in Afghanistan zugedacht? Sie haben die Befreiung Kabuls angesprochen, aber wir haben auch gesehen, die Menschen dürfen wieder ins Kino, aber nur Männer, keine Frauen.
Najib: Also, Ängste sind natürlich noch da. Erste Schritte werden gemacht, wir haben eine Botschaft im Fernsehen gesehen, die von einer Frau ohne Schleier an die Einwohner von Kabul gerichtet war. Für mich, hier in Deutschland, war es eine große Freude zu sehen, dass die Frauen ihre Rechte wahrgenommen haben. Das ist schon ein großes Signal, aber, wie gesagt, die Frauen sind seit 1996 in Kabul unter dem Terror-Regime der Taliban kontrolliert und der Schock besteht immer noch. Bis sie richtig die Freiheit genießen können, muss man der Bevölkerung ein bisschen Zeit geben.
Zagatta: Wie weit kann die Gleichberechtigung gehen, nach Ihren Vorstellungen?
Najib: Ich glaube, die Gleichberechtigung wird erhalten bleiben, wie Sie das auch bei unserer Delegation sehen, bei der zwei Frauen dabei sind, die auch nach Bonn kommen.
Zagatta: Wie weit wird es denn in Afghanistan gehen? Ich meine, selbst bei den Paschtunen sollen die Frauen den Männern Untertanen sein.
Najib: Es ist so, bei den ethnischen Gruppierungen und der Kultur in Afghanistan werden die Frauen die Rechte bekommen, die sie hatten. Aber ich wiederhole, wir haben seit 23 Jahren Krieg, und insbesondere von 1996 bis vor ein paar Wochen waren die Menschenrechte, besonders die Frauenrechte wirklich verletzt worden. Jede Freiheit war ihnen weggenommen. Sie müssen den Schock erst verarbeiten, die neue Freiheit erleben und ihre Rechte wieder bekommen. Dabei möchten wir die Frauen in Afghanistan unterstützen.
Zagatta: Herr Najib, welche Rolle kann Deutschland spielen? Was kann Deutschland als Gastgeber zum Gelingen der Konferenz beitragen?
Najib: Ich glaube, es ist eine große Freude für die Afghanen, auch für diejenigen, die in Deutschland leben, dass die Konferenz hier stattfindet. Europa ist ganz groß, und Deutschland noch größer bei den Afghanen geschrieben. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den letzten 15 Jahren die Bundesbürger und -bürgerinnen, die Bundesregierung an der Seite Afghanistans gestanden haben, mit humanitärer Hilfe, sowohl in pakistanischen Flüchtlingslagern als auch in Afghanistan. Und, über 80.000 afghanische Flüchtlinge leben hier in Deutschland, das ist eine ganz große humanitäre Hilfe für uns gewesen. Wir rechnen mit der Bundesrepublik Deutschland für den Wiederaufbau Afghanistans, weil die Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich im Schulbereich sehr gut war, auch bei der Stromversorgung, bei der Telefonnetzversorgung, beim Straßenbau, also da gibt es schon einige Anhaltspunkte, wo Deutschland und Afghanistan beim Wiederaufbau zusammenarbeiten können.
Zagatta: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Najib.
Link: Interview als RealAudio
Zagatta: Herr Najib, mit welchen Erwartungen sehen Sie denn der Konferenz morgen entgegen?
Najib: Also, dieses Treffen ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer dauerhaften politischen Ordnung in Afghanistan. Wie Sie vorhin recht gesagt haben, die Voraussetzung dafür waren die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen. Durch diesen Krieg konnten wir den Frieden in Afghanistan behaupten, so dass einige Teile Afghanistans von den Taliban und den Terroristen, die sie unterstützen, befreit wurden.
Zagatta: Der Führer der Nordallianz, der frühere Präsident Rabbani, hat schon wissen lassen, er erwarte nicht viel von der Konferenz. Sind Sie etwas optimistischer?
Najib: Ich sehe das anders. Die letzten Tage, insbesondere gestern und vorgestern, hat unser Staatspräsident, Professor Rabbani, gesagt, die Beschlüsse, die in Bonn gemacht werden, werden von unserer Seite in vollem Umfang akzeptiert. In Kabul ist das von Anfang an durch unseren nationalen Rat und Sicherheitsrat angenommen worden. Es hat auch eine Pressekonferenz von unserer Seite gegeben, wo der Nationale Rat innerhalb der nächsten drei Monaten in Kabul berufen worden ist, mit allen ethnischen Gruppierungen in Afghanistan.
Zagatta: Ist die Nordallianz überhaupt bereit, die jetzt mit Hilfe der USA errungene Macht mit anderen ernsthaft zu teilen?
Najib: Natürlich. Afghanistan gehört den Afghanen. Alle müssen mitbestimmen, nach 23 Jahren Krieg in Afghanistan. Alle Kräfte, innerhalb und außerhalb Afghanistans, werden gebraucht, alle Afghanen, egal welcher ethnischen Gruppierung sie angehören. Wir sind gerne bereit, mit den Afghanen die Geschicke des Landes in Zukunft zu unternehmen und durchzusetzen.
Zagatta: Ohne ausländische Friedenstruppen besteht ja die Gefahr - das zumindest meint die Delegation des früheren afghanischen Königs -, dass der Bürgerkrieg sofort wieder ausbricht. Sind Sie auch dafür, ausländische Soldaten ins Land zu lassen?
Najib: Das afghanische Volk hat unter dem Krieg viel gelitten, natürlich auch unter Gruppierungen von anderen Staaten. Aber die UNO und die Europäische Union sind herzlich willkommen, wenn es nötig ist und nach Absprache mit der Regierung.
Zagatta: Die Delegation des Königs will ja darauf bestehen, UNO-Friedenstruppen möglicherweise ins Land zu lassen. Damit wären Sie einverstanden?
Najib: Natürlich, wenn der Bedarf da ist und unsere Regierung dem zustimmt.
Zagatta: Meinen Sie, Ihre Regierung stimmt zu?
Najib: Wenn der Bedarf da ist, werden wir das tun.
Zagatta: Hilfsorganisationen, aber auch die UNO-Menschenrechtskommissare werden der Nordallianz jetzt schon vor, wieder zu morden, wieder zu plündern, wieder zu vergewaltigen. Was sagen Sie denn zu diesen Vorwürfen?
Najib: Also, ich möchte zunächst sagen, Afghanistan ist teilweise vom internationalen Terrorismus befreit worden - Kundus und Kandahar sind noch im Besitz der Taliban. Aber von den Teilen, die befreit worden sind, haben wir positive Dinge gehört und gesehen, das ist ja live übertragen worden. Die Zustände haben sich normalisiert, die Menschen können wieder Fernsehen schauen, sie haben Zugang zum Rundfunk, erste Zeitungen werden veröffentlicht. Langsam werden die verschiedenen Gruppen der Nordallianz die notwendigen Schritte machen, um die innere Sicherheit zu bewahren. Einige Söldner der Taliban und einige Taliban selbst werden sich bestimmt in die Berge zurückziehen und es könnte zu kleinen militärischen Auseinandersetzungen und Plünderungen kommen. Aber wir versuchen alles, mit unseren Möglichkeiten die neue Ordnung zu stabilisieren. Man darf eine wichtige Sache nicht vergessen: die afghanischen Flüchtlinge, innerhalb und außerhalb Afghanistans, brauchen, neben der politischen Lösung, ganz dringend humanitäre Hilfe. Der Winter ist vor der Tür, zur Zeit ist Ramadan in Afghanistan. Diese Menschen brauchen eine sofortige Maßnahme, um humanitäre Hilfe, Lebensmittel, medizinische Versorgung zu bekommen. Das trägt auch zu einer friedlichen Lösung in Afghanistan bei.
Zagatta: Welche Rolle hat denn die Nordallianz den Frauen in Afghanistan zugedacht? Sie haben die Befreiung Kabuls angesprochen, aber wir haben auch gesehen, die Menschen dürfen wieder ins Kino, aber nur Männer, keine Frauen.
Najib: Also, Ängste sind natürlich noch da. Erste Schritte werden gemacht, wir haben eine Botschaft im Fernsehen gesehen, die von einer Frau ohne Schleier an die Einwohner von Kabul gerichtet war. Für mich, hier in Deutschland, war es eine große Freude zu sehen, dass die Frauen ihre Rechte wahrgenommen haben. Das ist schon ein großes Signal, aber, wie gesagt, die Frauen sind seit 1996 in Kabul unter dem Terror-Regime der Taliban kontrolliert und der Schock besteht immer noch. Bis sie richtig die Freiheit genießen können, muss man der Bevölkerung ein bisschen Zeit geben.
Zagatta: Wie weit kann die Gleichberechtigung gehen, nach Ihren Vorstellungen?
Najib: Ich glaube, die Gleichberechtigung wird erhalten bleiben, wie Sie das auch bei unserer Delegation sehen, bei der zwei Frauen dabei sind, die auch nach Bonn kommen.
Zagatta: Wie weit wird es denn in Afghanistan gehen? Ich meine, selbst bei den Paschtunen sollen die Frauen den Männern Untertanen sein.
Najib: Es ist so, bei den ethnischen Gruppierungen und der Kultur in Afghanistan werden die Frauen die Rechte bekommen, die sie hatten. Aber ich wiederhole, wir haben seit 23 Jahren Krieg, und insbesondere von 1996 bis vor ein paar Wochen waren die Menschenrechte, besonders die Frauenrechte wirklich verletzt worden. Jede Freiheit war ihnen weggenommen. Sie müssen den Schock erst verarbeiten, die neue Freiheit erleben und ihre Rechte wieder bekommen. Dabei möchten wir die Frauen in Afghanistan unterstützen.
Zagatta: Herr Najib, welche Rolle kann Deutschland spielen? Was kann Deutschland als Gastgeber zum Gelingen der Konferenz beitragen?
Najib: Ich glaube, es ist eine große Freude für die Afghanen, auch für diejenigen, die in Deutschland leben, dass die Konferenz hier stattfindet. Europa ist ganz groß, und Deutschland noch größer bei den Afghanen geschrieben. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den letzten 15 Jahren die Bundesbürger und -bürgerinnen, die Bundesregierung an der Seite Afghanistans gestanden haben, mit humanitärer Hilfe, sowohl in pakistanischen Flüchtlingslagern als auch in Afghanistan. Und, über 80.000 afghanische Flüchtlinge leben hier in Deutschland, das ist eine ganz große humanitäre Hilfe für uns gewesen. Wir rechnen mit der Bundesrepublik Deutschland für den Wiederaufbau Afghanistans, weil die Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich im Schulbereich sehr gut war, auch bei der Stromversorgung, bei der Telefonnetzversorgung, beim Straßenbau, also da gibt es schon einige Anhaltspunkte, wo Deutschland und Afghanistan beim Wiederaufbau zusammenarbeiten können.
Zagatta: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Najib.
Link: Interview als RealAudio