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Norddeutsche Bauern
Hohe Hürden bei der staatlichen Dürrehilfe

Durch die lang anhaltende Trockenheit im Sommer ist der Umsatz für viele Bauern stark gesunken. Nach anfänglichem Zögern haben mittlerweile einige Betriebe einen Antrag auf staatliche Dürrehilfen gestellt. Doch das Prozedere sei zu kompliziert, kritisiert der Schleswig-Holsteinische Bauernverband.

Von Johannes Kulms | 13.12.2018
    06.08.2018 Sachsen, Ballendorf: Kühe stehen auf einer trockenen Weide. Die anhaltende Trockenheit macht vor allem Bauern im Norden und Osten zu schaffen. Durch fehlende Heuernten verfüttern die Landwirte zum Teil jetzt schon das für den Winter gedachte Futter. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
    Einige Betriebe mussten Kühe wegen der Dürre vorsichtshalber schlachten lassen (ZB)
    Es regnet in Strömen an diesem Vormittag. Das hält die Rieckens aber nicht davon ab, am Hauseingang die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest voranzutreiben. Kherstin Riecken wischt mit einem Tuch über den Türpfeiler, ihr Mann Bert muss gleich noch Birkenholz schneiden. Es ist ein besonderes Weihnachtsfest, das die beiden in diesem Jahr mit ihren drei Kindern feiern.
    "Wir haben viel Schmerz erlebt und freuen uns auf Familie." - "Ein paar Tage Ruhe und vergessen. Jahr abhaken."
    Die Rieckens betreiben einen Bio-Milchviehbetrieb in Großbarkau, etwa 15 Kilometer südlich von Kiel. Wie viele Landwirte in Norddeutschland hat auch sie die Dürre in diesem Jahr hart getroffen. Weil auf den ausgedorrten Weiden das Gras fehlte, mussten die Rieckens Futter für ihre 70 Kühe dazukaufen. Zwölf Tiere ließen sie vorzeitig schlachten. Mit dem veränderten Futter sank auch die Milchproduktion. Und damit der Umsatz.
    Bilanz eines katastrophalen Jahres
    Im gemütlichen Wohnzimmer bollert der Ofen, davor döst die Katze. Kherstin und Bert Riecken lassen sich auf zwei Sessel fallen und ziehen Bilanz eines katastrophalen Jahres. Um 38 Prozent sind die Erträge zurückgegangen.
    "Also, einmal das, was man als Futter von den Feldern gewinnt und auch an Milcherträgen. Kein Gras – das heißt, die Kuh melkt weniger, sie hat weniger Milch pro Tag."
    Noch im Sommer standen die beiden staatliche Hilfen eher skeptisch gegenüber. Viel wichtiger sei doch, dass die Politik sich für vernünftige Preise einsetze – an dieser Forderung hält Kherstin Riecken weiterhin fest. Aber:
    "Die Situation hat sich so dramatisch verschlechtert bei uns, dass wir gesagt haben: Wir sind drauf angewiesen. Also haben wir den Antrag gestellt."
    Rund 100.000 Euro Einbußen hat die Dürrekrise dem Familienbetrieb beschert. Mit dem Antrag erhoffen sie aus dem gemeinsam von Bund und Ländern finanzierten Hilfsprogramm 40.000 oder sogar 60.000 Euro erhalten. Dieses Geld müssten sie nicht zurückzahlen.
    Bert und Kerstien Riecken auf ihrem Hof in Großbarkau.
    Bert und Kerstien Riecken auf ihrem Hof in Großbarkau (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Noch haben die Rieckens keine offizielle Antwort bekommen. Allerdings werden dafür sieben verschiedene Kriterien geprüft. Eines ist das Einkommen. Es sehe so aus, als wenn sie die vorgegebene Einkommensgrenze für Eheleute um 2.000 Euro überschreiten sagen die Rieckens. Denn das zuständige Landwirtschaftsamt betrachte leider nur den letzten Einkommenssteuerbescheid. Dieser war 2016 deutlich höher als in den Jahren zuvor.
    "Also, man fühlt sich sehr willkürlich behandelt durch diese K.O.-Kriterien. Und auch durch diesen ganzen Antrag. Also, ich habe drei Tage gebraucht, um alle Sachen zusammen zu haben. Wir haben mit unserem Steuerberater und unserem Landwirtschaftlichen Berater zusammen gesessen und alle Zahlen zusammen geholt."
    Kritik an den Bedingungen für Dürrehilfen
    Auch der Schleswig-Holsteinische Bauernverband übt Kritik an den Bedingungen für die Dürrehilfen. Das Prozedere sei zu kompliziert, es gebe zu viele Ausschlusskriterien und es dauere zu lang, bis die Gelder auch bei den betroffenen Landwirten ankämen. Schleswig-Holsteins grüner Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht weist solche Vorwürfe zurück.
    "Niemand soll da ausgeschlossen werden. Aber es muss eben nach Kriterien gehen, die nicht wir festlegen, sondern die auch der Bundesrechnungshof und die EU-Kommission sehen beim Beihilferecht, das können wir nicht einfach brechen. Und es ist auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die als Steuerzahler, die am Ende dieses Geld zahlen für die Hilfen, die wollen auch sehen, dass das nicht einfach mit der Gießkanne rausgeschüttet wird, sondern denen zugute kommt, die tatsächlich einen beträchtlichen existenziellen Schaden zu verzeichnen haben."
    Von den rund 12.000 Bauern in Schleswig-Holstein haben rund 1.000 inzwischen einen Antrag auf Dürrehilfe gestellt. Die Rieckens wollen notfalls rechtlich für die Dürrehilfe kämpfen. Wenn es kein Geld gebe, würden im nächsten Jahr eben Reparaturen zurückgestellt. Und auch beim Lebensstil würde die Familie kürzertreten sagt Bert Riecken.
    "Die Geschenke fallen kleiner aus. Du überlegst dir, was du einkaufst. Du fährst einmal weniger in Urlaub. Du kaufst dir ein kleineres Auto. Du kaufst dir vielleicht ein gebrauchtes Auto. Also, wenn man will, kann jeder die Hälfte seiner Privatausgaben senken".
    Auch Bernhard von Bodelschwinghs Betrieb kämpft mit den Dürrefolgen. Der Hof liegt in der Nähe von Neumünster, die von Bodelschwinghs betreiben hier Milchviehwirtschaft und Ackerbau.
    "Ja, belastend war das natürlich. Wobei ich mir das vielleicht nicht ganz so anmerken lasse und vielleicht auch resistenter bin gegen Stress. Aber ich würde sagen, meine Frau war da etwas unentspannter."
    Einige Betriebe ließen Tiere vorsichtshalber schlachten
    Um 30 Prozent sind die Erträge beim Getreide im Vergleich zum Vorjahr gesunken, 30 bis 40 Prozent waren es beim Kartoffelanbau und fast 50 Prozent beim Gras, mit dem von Bodelschwingh seine Kühe füttert. Auch er hat einen 10 der 110 Tiere vorsichtshalber schlachten lassen. Er kenne keinen Landwirt, der wegen der Dürre aufgegeben habe.
    "Aber ich kenne Betriebe, die eben eine Dürrehilfe beantragt haben."
    Noch im Sommer sträubte Bernhard von Bodelschwingh sich gegen mögliche staatliche Hilfen. Wie auch andere Bauern argumentierte er mit der Freiheit und dem gleichzeitigen Berufsrisiko, das die Landwirtschaft nun mal mitbringe. Inzwischen hat auch er einen Hilfsantrag prüfen lassen.
    "Aber es trifft bei uns nicht zu. Also, wir haben nicht so diese großen Nöte, weil wir eben auch eben auch im Marktfruchtbereich auch noch am Start sind und dort eben Geld verdienen können. Und dadurch können wir eben auch ein bisschen die Milchviehhaltung subventionieren."
    Dass sein Betrieb nun alleine mit einem Umsatzrückgang von 20 Prozent klarkommen muss, findet er in Ordnung. Vorausgesetzt natürlich, das nächste Jahr wird besser.
    Immerhin: Im Herbst hat es wieder mehr geregnet, die Aussaat bei Wintergetreide und Raps hat funktioniert, heißt es vom Bauernverband. Doch für manchen Betrieb dürfte dies zu spät kommen.