Durak: Sie sind ja immer wieder in den betroffenen Regionen. Was sagen Ihnen Ihre Leute dort? Sind sie zufrieden mit der Vorbereitung auf diese Lage?
Ringstorff: Ich muss erst einmal feststellen, dass die Bürger einen ungeheuren Einsatzwillen zeigen. Gestern war, glaube ich, halb Boizenburg auf den Beinen, um Sandsäcke zu füllen, um mitzuhelfen, auch um die Häuser individuell zu schützen. Außerdem haben wir sehr viele Helfer der Bundeswehr, der freiwilligen Feuerwehr und technischem Hilfswerk. Ich glaube, es wird alles getan, um die Schäden so gering wie möglich zu halten. Trotzdem gibt es auch hin und wieder einige Bürger, die sagen: Wir haben schon so oft Wasser gehabt. Wir kennen uns aus mit dem Wasser, und wir sehen eine Evakuierung als überzogen an. Da muss durch den Katastrophenstab dann auch Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Durak: Überzeugungsarbeit ist das Eine, das Andere ist ein wirklich guter Katastrophenschutz. Aus den Erfahrungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt wissen wir, dass es da auch wirklich Ecken und Kanten gab, dass die Informationskette bei Landrat und anderen Ämtern nicht immer funktioniert hat, dass es auch Konfusionen bei der Krisenbewältigung gab. Konnten Sie daraus lernen, oder ist Ihnen das auch passiert?
Ringstorff: Ich denke, so wie der Katastrophenstab gearbeitet hat, kann man sagen: Die Dinge waren im Griff. Es ist allerdings auch eine kleine Panne aufgetreten. Die Bürger sind über zwei Flugblätter informiert worden, über die Sammelstellen, was sie im Fall A, im Fall B zu tun haben. Eine Firma, die dort beauftragt war, an die einzelnen Haushalte zu verteilen, hat dem Bürgermeister diese Arbeit überlassen wollen, und ich muss sagen, dass natürlich auch die örtlichen Krisenstäbe durch die vielen Anfragen der Bürger sehr belastet sind, und dass das zu Ärger geführt hat. Aber ich denke, das ist eine Kleinigkeit. Im Großen und Ganzen muss man sagen, dass die Arbeiten sehr gut laufen, und dass es Dank der vielen Helfer gelungen ist, dort, wo Deichverstärkungs- oder Deicherhöhungsmaßnahmen notwendig waren, diese durchzuführen. Die letzten Arbeiten noch heute, werden aber rechtzeitig abgeschlossen, um die Spitze der Flut dann auch in Grenzen halten zu können.
Durak: Ein paar Worte zur Finanzierung der Flutfolgeschäden. Ihr Amtskollege von der CDU, Georg Milbradt aus Sachsen, hat vor etwa einer Stunde in einem Interview bei uns Wert darauf gelegt, dass alle Gelder und Mittel für die Hochwasseropfer und die Beseitigung der Schäden auch dafür und für sie verwendet werden, also nicht zweckentfremdet werden. Er hat von einem Sonderfond gesprochen und von notwendiger Kontrolle. Stimmen Sie ihm da zu?
Ringstorff: Also dass die Mittel, die jetzt freigeschaufelt werden sollen, dann auch in den hochwassergeschädigten Gebieten und bei den Hochwasseropfern ankommen sollen, da gibt es, glaube ich, keine Differenz zwischen dem Kollegen Milbradt und mir. Differenzen scheint es noch zu geben über die Art der Finanzierung. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr zu verschieben, also geplante Entlastungen werden später eintreten. Dort hat die CDU noch Gesprächswünsche geäußert. Ich denke aber, dass man sich angesichts dieser nationalen Katastrophe auch über die Finanzierung einigen wird. Ich finde den Vorschlag gut. Es wird keiner zusätzlich belastet. Es wird nur später als geplant entlastet, und es ist angesichts dieser Katastrophe, glaube ich, angemessen.
Durak: Möglicherweise wird doch jemand mehr belastet als erwartet, denn der Bundesfinanzminister hat wohl angedeutet, in Sachen Körperschaftssteuer mit sich reden zu lassen, um der Union entgegenzukommen. Das heißt, die großen Unternehmen müssten sich auch beteiligen. Der Mittelstand, die kleineren Unternehmen sind schwer betroffen. Welche Folgen erwarten Sie für Ihr Bundesland?
Ringstorff: Wir hoffen, die größten Schäden abwenden zu können. Wir haben eine Erfassung der Gewerbebetriebe gemacht, die sich im Hochwassergebiet befinden. Wir werden dort, denke ich, unbürokratisch helfen können. Der Bundeswirtschafsminister war gestern bei uns im Land. Er hat vorgeschlagen, dass den entsprechenden Firmen die Kredite, die sie belasten, erlassen werden, wenn sie ihre Firmen, ihre Betriebe wieder aufbauen. Ich glaube, es kommt jetzt darauf an, möglichst bei uns Schäden zu verhindern, dann die trotzdem eingetretenen Schäden wirklich vernünftig aufzunehmen, und dann dafür zu sorgen, dass dann auch die Arbeit in den Produktionsbetrieben wieder in Gang kommt. Wir haben im Verhältnis zu den Sachsen das Glück, diese langen Vorlaufzeiten zu haben, konnten uns also entsprechend vorbereiten. Und bei uns liegt auch keine Großstadt im Überschwemmungsgebiet. Es sind zwei kleine oder mittlere Städte, Dömitz und Boizenburg, und eine Vielzahl von kleinen Orten. Allerdings wird dort viel zu tun. Wir haben viele kleine Tierhalter und Landwirte in dieser Region, die ihre Ernte auf alle Fälle zu einem beträchtlichen Teil verlieren werden. Auch da muss man sehen, dass das benötigte Kapital bereitgestellt wird, damit diese Betriebe weiter wirtschaften können.
Durak: Gesprächsstoff sicherlich für das Treffen mit dem Bundeskanzler und Ihren Kollegen morgen in Berlin.
Ringstorff: Richtig. Ich glaube aber - und die Signale gibt es auch schon von der Union -, dass man sich auf ein gemeinsames Finanzierungskonzept einigen kann.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio