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Nordirak
Trauma-Therapeuten sollen IS-Opfern helfen

IS-Opfer im Irak sollen mit deutscher Hilfe bald psychologische Hilfe bekommen. In der Stadt Dohuk im Nordirak eröffnet heute mit Hilfe aus Baden-Württemberg ein Institut zur Ausbildung von Psychotherapeuten. Das Land stellt für drei Jahre eine Million Euro bereit.

02.03.2017
    Ein Kind läuft im Flüchtlingscamp Mamilian in der Region Dohuk (Irak) barfuß über einen steinigen Weg.
    IS-Opfer sind oft Kinder, vor allem Mädchen. Sie sollen nun therapeutische Hilfe bekommen. (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Der Masterstudiengang Psychotherapie und Psychotraumatologie in Dohuk beginnt mit 30 Studenten, 19 Frauen und 11 Männern. Etwa die Hälfte von ihnen soll auch als Ausbilder qualifiziert werden, um den traumatisierten Menschen langfristig zu helfen. Zunächst werden die Dozenten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern eingeflogen. Den Lehrplan hat die Universität Tübingen erarbeitet.
    Zehntausende brauchen Hilfe
    Der Bedarf ist groß. Allein rund um Dohuk gibt es 24 Flüchtlingslager mit einer halben Million Menschen. Zehntausende von ihnen haben Gräueltaten, Massaker oder Vergewaltigungen erlebt, doch bis heute gab es kein professionelles Traumazentrum. Projektleiter Jan Ilhan Kizilhan sagte dem Deutschlandfunk, was die Betroffenen besonders quält: "Albträume, Ängste, Demütigungen. Stellen Sie sich ein achtjähriges Mädchen vor, zehn Monate in den Händen des IS, etwa hunderte Mal vergewaltigt von Männern zwischen 30 und 65 Jahren. Und dann steht dieses Mädchen mir gegenüber im Irak und fragt mich: 'Warum?'" Er habe bis heute keine Antwort gefunden, sagt Kizilhan.
    Der Traumatologe Jan Ilhan Kizilhan aus Baden-Württemberg sitzt am 4. Oktober 2015 mit Sarah (Name geändert) im nordirakischen Dohuk im Büro des baden-württembergischen Sonderkontingents für bis zu 1.000 traumatisierte IS-Opfer aus dem Nordirak. Die 20-Jährige wurde im vergangenen Jahr von der Terrormiliz "Islamischer Staat" verschleppt, verkauft, vergewaltigt und geschlagen. 
    Der Traumatologe Jan Ilhan Kizilhan hilft Terroropfern aus dem Nordirak (picture alliance / dpa / Stefanie Järkel)
    Von dem Austausch profitieren auch Spezialisten in Deutschland. Sie bekommen ein besseres kulturelles Verständnis für die Opfer. Baden-Württemberg hat ein Sonderkontingent von 1100 besonders schwer traumatisierten IS-Opfern aufgenommen. Die meisten von ihnen sind jesidische Frauen und Kinder.
    Die Angst reicht bis nach Deutschland
    Sie haben auch in Deutschland noch Angst vor den IS-Terroristen. Die Betroffenen und auch ihre Helfer wollten dem Deutschlandfunk nur anonym Auskunft geben. Doch sie sagen auch: Die Hilfe kommt an. In einer Rede vor dem baden-württembergischen Landtag hat es die junge Jesidin Nadia Murat so formuliert: "Wir haben überlebt, um der Welt von den Verbrechen des IS zu berichten, und die Helfer zeigen uns, dass die Welt uns nicht vergessen hat - und dass das Unrecht am Ende nicht siegen wird."
    (mw/jcs)