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Nordkorea
"Pjöngjang ist ohne China nicht überlebensfähig"

Nordkorea hat immer darauf geachtet, auch militärisch autark zu bleiben, sagte der Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk (CSU). Einseitiger Druck der USA auf China werde das Problem nicht beseitigen - es brauche eine internationale Lösung für die koreanische Halbinsel.

Hartmut Koschyk im Gespräch mit Dirk Müller |
    Hartmut Koschyk, MdB CSU.
    Hartmut Koschyk, MdB CSU (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Dirk Müller: "Wenn China nicht das Problem Nordkorea löst, dann werden wir es tun. Punkt!" Klipp und klar, was der Präsident da von sich gibt, kurz und klar. Donald Trump, Washington. Peking und Pjöngjang, den Amerikanern gehen die andauernden Provokationen aus Nordkorea inzwischen viel zu weit. Immer wieder Raketentests und das Drohen mit Atombomben. Die USA üben nun Druck auf die chinesische Regierung aus, die Machthaber um Kim Jong-Un in die Schranken zu weisen, was auch immer das heißen mag in der Praxis. Dieses Vorgehen bringt uns an den Rand eines Krieges, antwortet daraufhin die Regierung in Pjöngjang. Und es gibt neue Provokationen.
    Die Drohungen von Donald Trump bringen uns an den Rand eines Krieges, sagen die Verantwortlichen in Pjöngjang – unser Thema nun mit Hartmut Koschyk, CSU, Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, der bereits mehrfach die seltene Gelegenheit hatte, das völlig abgeschirmte Nordkorea zu besuchen. Guten Morgen!
    Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Koschyk, ist Nordkorea gefährlich?
    Koschyk: Selbstverständlich ist Nordkorea gefährlich, sowohl im Hinblick auf seinen Versuch, Atommacht zu werden und nukleares Material mit ballistischen Raketen zu verbinden. In dieser Phase befindet sich die nordkoreanische atomare Aufrüstung. Aber Nordkorea ist natürlich auch ein Regime, das zuletzt durch die Ermordung des Halbbruders von Kim Jong-Un, Kim Jong-Nam, in Malaysia, sein Gesicht sehr drastisch gezeigt hat.
    Müller: Und die Aufrüstung passiert, weil die Politik dann irgendwann einmal noch aggressiver werden soll, werden kann?
    Koschyk: Hinter der nordkoreanischen atomaren Aufrüstung steht das Bemühen des Regimes, als Atommacht sein Überleben zu sichern und auf Augenhöhe mit den USA einen Deal auszuhandeln, das Nordkorea sein Überleben als Regime erlaubt. Deshalb, glaube ich, ist es gut und richtig, dass bei dem Spitzentreffen der beiden Präsidenten Chinas und der USA jetzt sehr vertieft und sehr konzentriert über das Thema gesprochen wird. Nur ich glaube, einseitiger Druck auf China, China soll dieses Problem lösen, wird nicht weiterhelfen.
    Müller: Donald Trump hat ja häufig sehr schnelle Lösungen zumindest parat. Jetzt ist ihm eingefallen, vorher auch schon, muss man zugeben, im Wahlkampf, dass Peking da die entscheidende Rolle spielt. Ist das so? Hat Peking immer noch so viel Einfluss, dass die Politik von Pjöngjang sich ändern könnte?
    "China kann seinen Einfluss nicht überdehnen"
    Koschyk: Peking hat sicher eine entscheidende Rolle, aber Peking hat diese Rolle nicht allein und China kann seinen Einfluss nicht auch überdehnen. Denn es ist völlig falsch zu glauben, das Verhältnis Chinas zu Nordkorea entspricht ungefähr dem der früheren Sowjetunion zur DDR. Nordkorea hat immer darauf geachtet, auch militärisch autark zu bleiben. Es stehen keine chinesischen Soldaten in Nordkorea, die dort in die innenpolitische Situation eingreifen können. Und der Schlüssel zur Entspannung auf der koreanischen Halbinsel liegt in einem gemeinsam abgestimmten chinesisch-amerikanischen Vorgehen.
    Müller: Was könnte China machen? Was könnte China politisch auf den Weg bringen?
    Koschyk: China hat sich ja bislang im Hinblick auf die nordkoreanischen Provokationen sehr zu den Sanktionen der Vereinten Nationen gestellt. China hat alle Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates mitgetragen, implementiert auch die vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen. Aber China empfindet natürlich die Stationierung von Raketen-Abwehrsystemen der USA in Südkorea auch als gegen sich gerichtet, weil die Aufklärungskomponente dieses Abwehrsystems natürlich weit nach China und nach Russland hinein aufklären kann. Deshalb wird China, wenn überhaupt es ein gemeinsames chinesisch-amerikanisches Vorgehen geben kann, auch auf Gegenleistungen dringen, dass zum Beispiel die USA sich in Südkorea und im gesamten pazifischen Raum nicht gegen China gerichtete militärische Vorteile verschafft.
    Müller: Ich muss, Herr Koschyk, da noch einmal nachfragen. Sie haben das ja auch noch einmal erwähnt. Wir haben schon häufiger im Deutschlandfunk darüber gesprochen, dass die Chinesen da durchaus ja kooperativ waren, aus Sicht jedenfalls der Weltgemeinschaft. China hat die Resolutionen des Sicherheitsrates mitgetragen, trägt auch die Sanktionen mit. Wo hat China denn dann noch einen Hebel, den es benutzen könnte, auf Pjöngjang einzuwirken?
    Koschyk: Pjöngjang ist ohne China nicht überlebensfähig. Aber China scheut sich natürlich davor, so einen Druck auf Nordkorea auszuüben, Nordkorea quasi auszutrocknen, weil es dann einen Zusammenbruch mit für China unberechenbaren Folgen, gigantische Flüchtlingswellen Richtung China etc. befürchtet. Deshalb will China sicher eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel. Aber China will weder eine Implosion, noch eine Explosion des nordkoreanischen Regimes.
    Müller: Wenn Sie sagen, nicht überlebensfähig, Herr Koschyk, heißt das, wirtschaftlich ist die Kooperation, die Zusammenarbeit, beziehungsweise sind auch die Lieferungen aus China absolut entscheidend dafür, dass das Regime weiter existiert?
    Koschyk: Ohne China ist das Regime nicht überlebensfähig und wir werden merken, was das Ausbleiben der Abnahme von nordkoreanischer Kohle durch China für die weitere innere Situation des Regimes bedeutet. Aber China will ein Gesamtpaket und will sich nicht einseitig zum Erfüllungsgehilfen der USA machen lassen.
    "China will die koreanische Halbinsel nuklearfei machen"
    Müller: Ist das ein bisschen Erpressungspotenzial, was Peking da im Grunde noch zur Verfügung hat?
    Koschyk: Ich würde nicht sagen, Erpressungspotenzial. China will eine Lösung, die in der Tat die koreanische Halbinsel und den ganzen Raum nuklearfrei macht. China hat kein Interesse an einer nuklearen Aufrüstung in der Region, die kommen wird, wenn es nicht gelingt, Nordkorea zur Abkehr seiner Nuklearambitionen zu bewegen. Aber China will das auf Augenhöhe mit den USA, will seine Interessen berücksichtigt wissen und sich nicht einseitig von den USA unter Druck setzen lassen, und das wird das Gespräch der beiden Präsidenten morgen bestimmen.
    Müller: Wenn Sie sagen, Herr Koschyk, die Absichten der Nordkoreaner sind im Grunde klar, es soll weiter um einen massiven Aufbau des Atomprogramms gehen, dann haben ja aus südkoreanischer Sicht wiederum die Verantwortlichen dort vermutlich aus sicherheitspolitischen, abschreckungspolitischen Gründen gar keine Alternative zu den amerikanischen Raketen.
    Koschyk: Ja! Aber die amerikanischen Raketen sind aus chinesischer und russischer Sicht nicht nur Abwehr möglicher nordkoreanischer Raketen, sondern die Aufklärungskomponente dieses Systems reicht weit nach China und nach Russland hinein und da sehen Russland und vor allem China ihre Sicherheitsinteressen berührt.
    Müller: Das heißt, es müsste andere Raketen geben, die nicht so weit fliegen können?
    Koschyk: Nein, es müsste einfach mal jetzt eine grundsätzliche, möglichst internationale Lösung für die koreanische Halbinsel geben. Die Chinesen haben ja ein Format entwickelt, an dem die USA auch lange mitgewirkt haben, die sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche, bei denen man ja teilweise sehr weit gekommen ist, unter Einschluss beider koreanischer Staaten, China, Russland, Japan und die USA.
    Müller: Herr Koschyk, vielen Dank, dass Sie für uns heute Morgen hier im Deutschlandfunk Zeit gefunden haben. – Der CSU-Politiker Hartmut Koschyk, Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Ihnen noch einen schönen Tag!
    Koschyk: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.