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Nordkorea will mit Drohgebärden eine Friedensregelung mit den USA erreichen

Zum einen sollten die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft werden, sagt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Doch es müsse zudem ein Dialogangebot an Nordkorea formuliert werden. Nordkorea sollte nicht nur drohen, sondern eine Gesprächsbereitschaft erklären.

Hans-Joachim Schmidt im Gespräch mit Martin Zagatta | 09.03.2013
    Martin Zagatta: Erst ein Atomtest, dann Kriegsdrohungen gegen die USA, und jetzt, nachdem die UNO weitere Sanktionen beschlossen hat, hat das nordkoreanische Regime auch noch den Nichtangriffspakt mit Südkorea aufgekündigt. Wie ist es zu dieser Zuspitzung gekommen, wie groß ist die Kriegsgefahr? Das wollen wir jetzt Hans-Joachim Schmidt fragen, den Nordkorea-Experten bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Guten Morgen, Herr Schmidt!

    Hans-Joachim Schmidt: Ja, guten Morgen!

    Zagatta: Herr Schmidt, wie ernst nehmen Sie diese Drohungen aus Nordkorea? Sind das Drohgebärden oder müssen wir uns da richtig Sorgen machen?

    Schmidt: Also, zunächst mal sind es natürlich Drohgebärden mit dem Ziel, die Amerikaner zu veranlassen, doch in bilaterale Gespräche mit Nordkorea sich einzufinden, weil Nordkorea vor allen Dingen zum Ersten eine Friedensregelung mit den Amerikanern will – derzeit gibt es ja nur einen Waffenstillstand, der den Kriegszustand zwischen Nord- und Südkorea und auch den USA, die damals am Koreakrieg ja beteiligt waren, nicht wirklich beendet hat –, und zum Zweiten fühlen sich die Nordkoreaner vor allen Dingen von den bilateralen Großmanövern Südkoreas und den USA bedroht und wollen dort eine Einstellung oder Reduzierung dieser Manöver.

    Zagatta: Ist das ein Erfolg versprechender Weg? Es sagen ja andere oder einige Experten auch, diese Drohungen seien eigentlich nur ein großer Bluff.

    Schmidt: Das ist eine sehr gute Frage: Ist das ein Erfolg versprechender Weg? In der Vergangenheit muss man sagen, dass die Nordkoreaner, wenn sie gedroht haben, immer die Erfahrung gemacht haben, dass das zu Gesprächen mit den USA geführt hat. Diesmal stoßen die Nordkoreaner auf eine amerikanische Regierung, die unter dem Eindruck von Druck, Drohung und Erpressung nicht bereit ist, mit den Nordkoreanern zu verhandeln. Die USA wollen im Gegenteil eine Verhaltensänderung Nordkoreas erreichen, nämlich, dass Nordkorea auch etwas auf den Tisch legt, und nicht nur droht. Und da sind wir jetzt in einer sehr kritischen Phase, denn wir wissen nicht genau, wie in Nordkorea gedacht wird und agiert wird. Bisher waren die Nordkoreaner sehr risikobewusst bei ihren Provokationen. Ob das auch in Zukunft gilt, ist eben nicht klar, und man muss sagen, dass, sollten die Nordkoreaner jetzt eine militärische Provokation starten, das Risiko einer Eskalation sehr viel höher ist als in der Vergangenheit. Und darin liegt das eigentliche Risiko, weniger in der Bedrohung der USA. Die ist nicht gegeben oder allenfalls insofern, als natürlich amerikanische Truppen in Südkorea stationiert sind und die könnten natürlich die Nordkoreaner mit ihren Raketen erreichen.

    Zagatta: Welche Rolle spielt da China? Das war ja der letzte Bündnispartner. Da scheint die neue Führung jetzt auch irgendwie auf Distanz zu gehen zu Nordkorea.

    Schmidt: Ja, China fürchtet natürlich, dass mit einer Eskalation des Konfliktes die bisherigen kooperativen Beziehungen zu den USA und auch zu den übrigen westlichen Staaten gefährdet werden könnten. Und man muss ja sehen, dass China einen Großteil seiner Waren eben in westliche Staaten exportiert und einen wesentlichen Teil seines Geldes eben damit auch verdient. Und eine Eskalation des Konfliktes könnte natürlich die zivile Ökonomie und Entwicklung erheblich gefährden, und das will China natürlich nicht, und deswegen geht es jetzt auch zu Distanz auf Nordkorea. Nordkorea isoliert sich immer zunehmend, aber darin liegt eben auch eine große Gefahr: dass man nicht weiß, wie ein isoliertes Nordkorea in Zukunft reagiert und ob es noch rational agiert.

    Zagatta: Herr Schmidt, lässt sich das irgendwie erklären? Da gab es ja diesen Machtwechsel in Nordkorea, da ist Kim Jong Un an die Macht gekommen, hat die Macht von seinem verstorbenen Vater übernommen, und dann haben wir immer gehört, jetzt könnte man auf eine Öffnung des Landes hoffen, vielleicht auf irgendwie eine Annäherung auch an die Nachbarn, an den Westen. Was hat diese neue Haltung, was hat dieses Umdenken bewirkt? Lässt sich das irgendwie sagen, erahnen?

    Schmidt: Also, das ist natürlich sehr schwierig nachzuvollziehen. Es gab ja durchaus Anzeichen dafür. Ich erinnere ja an die Gespräche zwischen Nordkorea und USA von Mitte 2011 bis Ende 2011 über ein Testmoratorium für Nuklearwaffen und auch für Raketen, das ja fast erfolgreich gewesen wäre, und ich erinnere auch an interne Diskussionen Nordkoreas über mögliche wirtschaftliche Reformen, nachdem der neue Machthaber an die Macht kam. Es gibt also durchaus Kräfte in Nordkorea, die einen Wandel wollen, die aber sich in der gegenwärtigen Entwicklung als zu schwach erwiesen haben, um wirklich einen Haltungswechsel in Nordkorea hervorzubringen.

    Zagatta: Kann denn Nordkorea die eigene Bevölkerung mittlerweile ohne Probleme ernähren? Das war ja früher auch eine Frage von Verhandlungen, dass man da auf Lebensmittelhilfe oder Ähnliches angewiesen war.

    Schmidt: Ja, früher hat natürlich Nordkorea mit solchen militärischen Provokationen und Drohungen auch Lebensmittelhilfe erpresst, keine Frage. Das funktioniert gegenwärtig nicht, weil, wie gesagt, die Amerikaner nicht mehr und auch die westlichen Staaten nicht mehr bereit sind, unter diesen Bedingungen Nordkorea mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Dafür ist allerdings China eingesprungen, es liefert jetzt die wichtigsten Lebensmittel, die Nordkorea braucht. Ein Stück weit macht das auch Russland, aber in sehr viel begrenzterem Umfang. Sie ersetzen sozusagen die ausgefallenen Warenlieferungen des Westens.

    Zagatta: Jetzt haben wir gestern gehört, die EU, nach der UNO, die EU will die Sanktionen auch noch weiter verschärfen. Macht das aus Ihrer Sicht jetzt irgendeinen Sinn, ist das hilfreich?

    Schmidt: Ich denke, man muss eine doppelte Strategie fahren. Auf der einen Seite muss man natürlich die Sanktionen verschärfen, auf der anderen Seite ist es aber auch sehr wichtig, ein Gesprächs- und Dialogangebot an Nordkorea zu formulieren. Das ist grundsätzlich ja in der UN-Sanktion geschehen. Dort gibt es zwei mögliche Wege für Verhandlungen: Zum einen sind alle Staaten aufgefordert, die etwas dazu beitragen können, den Dialog mit Nordkorea zu suchen, zum Zweiten hat sich ausdrücklich auch ... haben sich China und Russland für die Wiederaufnahme der Sechs-Mächte-Gespräche eingesetzt, um diesen Konflikt zu managen. Wie gesagt, Nordkorea hat die Sechs-Mächte-Gespräche aufgekündigt. Es muss nun, denke ich, auch irgendwo Bereitschaft zeigen, etwas auf den Tisch zu legen und wieder zu einem Dialog zurückzukehren. Es langt nicht, nur auf einen Anruf Obamas zu warten, wie das jüngst von einem amerikanischen Baseballspieler, der Kim Jong Un getroffen hat, artikuliert wurde.

    Zagatta: Hans-Joachim Schmidt, der Nordkorea-Experte der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Herr Schmidt, herzlichen Dank für diese Einschätzungen!

    Schmidt: Ja, Ihnen auch! Wiederhören!

    Zagatta: Danke, auf Wiederhören nach Frankfurt!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.