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Normalisierung der deutsch-amerikanischen Beziehungen

Wiese: Herr Pflüger, Sie waren einer der entschlossensten Befürworter des Irak-Kriegs und einer der schärfsten Kritiker der Irak-Kriegs-Gegner. Sie befürchteten bleibenden Schaden für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Aber jetzt scheint in Washington eitel Sonnenschein über Joschka Fischer. Haben Sie sich also getäuscht?

    Pflüger: Das glaube ich nicht. Aber ich freue mich über den Fortschritt, und es ist ein offenkundiger Fortschritt. Das ist wichtig für unser Land, und das ist wichtig für die transatlantischen Beziehungen. Ich glaube, dass es in der Tat gelingen kann und dieser Besuch ein erster Schritt dazu sein könnte, dass man zu Washington wieder vernünftige Arbeitsbeziehungen herstellt. Der Bericht eben hat es ja angedeutet: Es gibt zwischen Bundeskanzler Schröder und dem amerikanischen Präsidenten nach wie vor Sprachlosigkeit. Ich hoffe, dass der Fischer-Beitrag hinter den Kulissen auch dazu einen Beitrag leistet, dass das endlich überwunden wird und die beiden Nummer Eins wieder miteinander in normale Beziehungen kommen, denn auch das ist wichtig für unser Land. Das hat es ja in der Nachkriegszeit noch nie gegeben, dass die beiden nicht miteinander sondern nur übereinander reden. Ansonsten kann man nur sagen: Natürlich gucken jetzt alle nach vorne, weil man sich in der Welt von heute und morgen einfach braucht. Das ist ja meine alte These gewesen. Das haben wir von der Union immer wieder gesagt: Man kann Meinungsverschiedenheiten haben. Die kann man auch austragen, aber man muss sie so austragen, dass man Partner und Freunde bleibt. Da haben sich die Europäer im Ganzen, aber auch die Bundesregierung in den letzten Wochen ein paar wichtige Schritte auf Amerika zubewegt. Es ist nicht mehr die Rede davon, dass das Kriegstreiber sind, und es ist nicht mehr die Rede davon, dass Bush sich wie Cäsar benimmt. Die Europäer haben auf ihrem letzten Gipfel in Thessaloniki gesagt: Massenvernichtungswaffen, Terrorismus, das sind die großen Bedrohungen unserer Zeit. Da nähert man sich an, und das ist gut so.

    Wiese: Herr Pflüger, wenn Sie sagen: Die Amerikaner brauchen jetzt auch die Europäer, dann liegt das ja ganz augenscheinlich daran, dass sie im Irak in große Schwierigkeiten kommen. Dort kommen jeden Tag ihre Soldaten um, mehr als 170 seit Kriegsende. Was machen sie dort falsch? Haben sie die Lage falsch eingeschätzt, die Aufgabe vielleicht auch falsch eingeschätzt nach dem relativ leichten militärischen Sieg?

    Pflüger: Das mag sein. Ich glaube, dass es in der Tat richtig und notwendig ist, den Vereinten Nationen im Irak eine stärkere Rolle zu geben. Es zeigt sich jetzt, was wir auch immer gesagt haben, dass es sehr schwer ist, im Irak mit seinen unterschiedlichen Glaubensrichtungen - Sunniten und Schiiten, Kurden und vielen anderen Gruppen - eine wirklich stabile Demokratie aufzubauen. Das kann wahrscheinlich wirklich nicht so einfach aus dem Pentagon gemacht werden. CDU und CSU haben in einem Antrag schon im April gesagt: Wir müssen der UN eine zentrale Rolle geben. Dann muss unter dem Dach der UN durch eine multinationale Truppe - am besten vielleicht von der Nato gestellt in Zusammenarbeit mit einigen arabischen Staaten - die Stabilisierung des Friedens herbeigeführt werden. Es ist jetzt ganz wichtig, dass wir den Irakern und der ganzen muslimischen Welt deutlich machen: Da sind Befreier gekommen, der Irak soll nicht auf Dauer besetzt werden. Das kann man wahrscheinlich besser mit der UN. Insofern hoffe ich, dass sich auch dort die amerikanische Administration - Powell hat es ja offenbar gegenüber Herrn Fischer angedeutet - genau in diese Richtung bewegt.

    Wiese: Genau diese Rolle der Nato, Herr Pflüger, hat Joschka Fischer ja aber abgelehnt, zumindest ohne ein Uno-Mandat.

    Pflüger: Das ist auch richtig so. Die Nato sollte erst dann tätig werden, wenn es ein Uno-Mandat gibt, sozusagen Auftragnehmer der Uno sein. So haben das CDU und CSU auch am Anfang befürwortet. Da sind wir nicht weit voneinander entfernt. Die Uno als Dach des Aufbauprozesses, das ist eine Botschaft, die wir in Amerika verbreiten sollten. Es ist ganz egal, ob das von der Regierung oder der Opposition kommt, weil es einfach dem Prozess gut tut. Allerdings hat auch die Uno bei den Prozessen, wo sie bereits das Dach ist - denken wir an den Kosovo - Schwierigkeiten. Auch dort läuft nicht alles nur zum Besten. Auch dort gibt es Probleme. Ein Allheilmittel wird also auch das nicht sein. Es ist eben einfach schwer, in einem Land, das über Jahrzehnte unterdrückt worden ist, wo wir Demokratie nie einüben konnten, in einem solchen Land, wo es auch nach wie vor überzeugte Fanatiker des alten Regimes gibt, einen Stabilisierungsprozess durchzuführen. Da sollten wir jetzt nicht anfangen, herumzurechnen, wer Recht gehabt hat. Da haben wir - der Außenminister hat es eben zu Recht gesagt - alle ein Interesse daran, dass dieser Prozess stabil wird und dass wir mit dem Irak-Modell ein Beispiel für die ganze Region setzen.

    Wiese: In einem Punkt, Herr Pflüger, muss man ja aber schon mal nachfragen, wer Recht gehabt hat und wer nicht, nämlich bei der Frage der Massenvernichtungswaffen. Diese ist ja zur Begründung des Krieges immer wieder angeführt worden. Saddam Hussein hat nicht versucht, sich Nuklear-Material im Niger zu beschaffen, wie jetzt herausgekommen ist. Es sind bisher keine Massenvernichtungswaffen aufgetaucht. Da hat die amerikanische Administration die Weltöffentlichkeit doch ganz eindeutig hinters Licht geführt.

    Pflüger: Nein, das glaube ich nicht. Es ist ja nicht der amerikanische Präsident oder der britische Premierminister gewesen, sondern der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der in seiner Resolution 1441 vom November 2002 gesagt hat, dass vom Irak und seinen Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden ausgeht. Es ist nicht Herr Bush, sondern Herr Blix gewesen, der oberste Waffeninspekteur, der in einem Bericht noch wenige Tage vor dem Krieg deutlich gemacht hat, dass Saddam nicht nachgewiesen hat, wo die C-Waffen, wo das Nervengas, das Anthrax ist. Herr Blix war - jedenfalls zu dem Zeitpunkt - gegen den Krieg. Er hat aber niemals bestritten, dass Saddam an Massenvernichtungswaffen gearbeitet hat. Die Forderung an Saddam war ja, dass er nachweisen muss, dass er keine hat- eine Forderung der Weltgemeinschaft.

    Wiese: Wo sind aber diese Waffen jetzt?

    Pflüger: Wo ist Saddam? Wir haben ja auch Saddam und seine ganze Familie nicht gefunden. Es wird ja wohl aber niemand bestreiten, dass es sie gegeben hat. Es ist ganz leicht, in einem so riesigen Land, ein paar Fässer Anthrax zu verstecken. Ich würde sagen, die Amerikaner und auch die Briten haben bedauerliche Fehler bei der Präsentation gemacht. Fehler, die, wie ich fürchte, leider bleibende Schäden nach sich ziehen und zu einem Vertrauensverlust führen. Keine Frage. Aber zum Beispiel unser eigener Bundesnachrichtendienst und wir im Deutschen Bundestag, auch ich, haben an die Niger-Sache, also den angeblichen Uran-Kauf im Niger, nie geglaubt. Aber aus diesen einzelnen Fehlinformationen, so bedauerlich sie sind, können wir doch nicht den Schluss ziehen, es habe das ganze Thema Massenvernichtungswaffen nie gegeben. Das hat es gegeben, und ich bin sicher, das wird sich in den nächsten Monaten, vielleicht auch erst Jahren, klar herausstellen. Es wäre einfach naiv anzunehmen, dass die ganze Weltgemeinschaft, einschließlich des Herrn Blix, einschließlich der Waffeninspektoren, die ja bis 1998 im Irak gewesen sind und das verfolgt haben, dass sogar während sie da waren, weiter an biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen gearbeitet worden ist, jetzt glaubt, das alles hätte es nie gegeben.

    Wiese: Herr Pflüger, ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger.

    Link: Interview als RealAudio