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Olympia 2022
Norwegens Goldfest in Peking

Die Norweger haben in Peking 16 Goldmedaillen gewonnen - so viele wie noch kein anderes Land bei Winterspielen. Der Jubel darüber in dem skandinavischen Land ist groß. Doch woran liegt es, dass die Norweger bei den Spielen so dominieren?

Von Julia Wäschenbach | 20.02.2022
Therese Johaug aus Norwegen jubelt über ihren Olympiasieg.
Therese Johaug aus Norwegen jubelt über ihren Olympiasieg. (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt )
So klingt es im norwegischen Radio, als Biathlon-Star Johannes Thingnes Bø seinem Heimatland am Freitag mit einer Goldmedaille im Massenstart den Rekord bei den Olympischen Spielen sichert. Es ist auch ein persönlicher Rekord. Vier Olympiasiege bei denselben Spielen im Biathlon: Das hat in Norwegen bislang nur Wintersport-Legende Ole Einar Bjørndalen geschafft.
„Er ist der größte König des Biathlon. Mit ihm in einer Reihe genannt zu werden, ist eine große Errungenschaft und ein Grund zum Feiern“, sagt Johannes Thingnes Bø bei einer Pressekonferenz nach seinem Erfolg.

Ein wahres „Gullfest“

Lob für den Ausnahmesportler gibt es in einem Eurosport-Interview auch vom großen Bruder Tarjei Bø, für den mit der Bronze-Medaille beim Einzelrennen ebenfalls ein Traum in Erfüllung ging: „Johannes ist… er ist der beste Biathlet der Welt. Er hatte eine etwas schwierige Saison, aber er ist der Allerbeste.“
„Doch nicht nur im Biathlon haben die Skandinavier bei den Spielen die Nase vorn. Gold regnete es für die Norweger etwa auch in der Nordischen Kombination, im Langlauf und im Eisschnelllauf. Ein wahres „Gullfest“- Goldfest für die kleine skandinavische Nation mit nur knapp fünfeinhalb Millionen Einwohnern. Was aber macht die Norweger so stark?

Mit Skiern an den Füßen geboren

„Ski und Schnee, Skisport, das ist Teil unserer Kultur, unseres Erbes. Man sagt, dass Norweger mit Skiern an ihren Füßen geboren werden”, so erklärt es Erik Røste, der Präsident des norwegischen Skiverbands, dem Deutschlandfunk vor einigen Jahren.
Dass seine Landsleute mit Skiern an den Füßen geboren werden, ist ein weit verbreiteter Ausdruck in seiner Heimat. Ein anderer ist, dass die norwegischen Kinder erst Skifahren und dann Laufen lernen. Und auch wenn das sicher nicht auf alle Norweger zutrifft, steckt darin ein wahrer Kern.

Wintersport ist Volkssport

Denn die Skandinavier haben nicht nur viel Schnee von der Haustür - sie nutzen ihn auch massiv in ihrer Freizeit. Wintersport - vor allem Skifahren - ist Volkssport, auf den viele Norweger stolz sind. Und in dem sie sich engagieren.
„Wir haben im Skiverband zwei Hauptziele. Wir wollen die weltbeste Skination sein, in allen Disziplinen, und das gelingt auch von Zeit zu Zeit. Aber genauso wichtig ist es, dass wir eine Nation von Skifahrern sind. 1150 Klubs vom Süden bis in den Norden sind der Hauptgrund dafür, wieso wir so gut im Skisport sind.“

Im Langlauf regiert Enttäuschung

In den Klubs engagierten sich viele Freiwillige, sagt Røste, insgesamt komme man auf Millionen unbezahlter Stunden im Jahr. Teamgeist und Spaß am Sport im Freien statt Leistungsdruck von Kindesbeinen an: So erklären viele Norweger den Erfolg ihrer Nation in zahlreichen Wintersport-Disziplinen. Vor allem Langlauf ist in dem skandinavischen Land Nationalsport. Deshalb ist hier nicht nur der Medaillendruck am größten - sondern aktuell auch die Enttäuschung. Denn während die Biathleten eine Medaille nach der anderen abräumen, bleiben die Langlauf-Stars hinter den Erwartungen zurück.
Einige Athleten werfen der Teamleitung schlechte Vorbereitung vor, Konflikte werden nach außen getragen. Doch auch Pech ist dabei: Langläuferin Tiril Udnes Weng stürzte erst unverschuldet in der Staffel. Im Teamsprint brach ihr dann auch noch der Stock. Nach einem bitteren achten Platz beklagt sie bei Eurosport:
„Das ist ein Alptraum. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mehr kaputt machen könnte, und dann das. Ich reise nur umher und mache alles kaputt.“

Satte Einschaltquoten, Flaggenmeer und Jubelschreie

Trotz dieses Wermutstropfens: Die Begeisterung über die Gold-Sensation überwiegt bei den Norwegern. Der Olympia-Sender Discovery freut sich trotz der Zeitverschiebung über satte Einschaltquoten und Marktanteile zwischen 80 und 90 Prozent. Und die ersten heimkehrenden Athleten feiern die Norweger am Flughafen in Oslo mit einem Flaggenmeer und Jubelschreien. Wie zum Beispiel den Ski-Freestyler Birk Ruud, der sich im Big-Air-Finale seine erste olympische Goldmedaille sicherte.
„Willkommen zuhause! Wie fühlt es sich an, wieder in Norwegen zu sein?“ fragt eine Eurosport-Reporterin den 21-Jährigen. „Super. Es ist schön, nach Hause zu kommen und einige Familienmitglieder umarmen zu können, die ich seit eineinhalb Monaten nicht gesehen habe. Das ist toll.“
Nachwuchstalente wie Ruud, sie werden im Wintersportland Norwegen breit gefördert. Doch der Medaillenregen für die Skandinavier bei den Olympischen Spielen hat noch einen weiteren Grund, der gar nichts mit dem Land zu tun hat: Bei den Olympischen Spielen messen sich die Athleten heutzutage schlicht in viel mehr Disziplinen als früher. Während es in Peking über hundert Goldmedaillen zu gewinnen gibt, waren es 1928 gerade einmal 14. Damals gingen sechs davon nach Norwegen - eigentlich der größere Erfolg, scherzen norwegische Medien.
„Wollten wir einen ähnlich großen Gold-Anteil in Peking gewinnen, müssten wir 47 Goldmedaillen abräumen!“, schreibt die Zeitung Verdens Gang.