Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Notfalls durch alle Instanzen

"Europe versus Facebook" nennt sich eine österreichische Studentengruppe, die gegen die Nutzungsregeln der Firma vor Gericht ziehen will. Bei dem börsenorientierten Unternehmen gehe es nicht mehr um ein freundliches Beieinandersein, sondern hauptsächlich um Kohle, kritisierte Mitglied Max Schrems.

Max Schrems im Gespräch mit Benjamin Hammer | 04.12.2012
    Benjamin Hammer: Wenn Sie bei Facebook sind, dann haben Sie heute Morgen vielleicht eine E-Mail bekommen. Darin werden die Nutzer eingeladen, sich an einer Abstimmung über neue Nutzungsregeln zu beteiligen. Es geht einmal wieder um den Datenschutz. Es geht aber auch um etwas Grundsätzliches: Wie können sich die Nutzer von Facebook in Zukunft einbringen, wenn das Unternehmen seine Regeln ändert. Facebook will klassische Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip abschaffen. Das aktuelle Votum, was noch bis kommenden Montag läuft, es könnte das letzte seiner Art werden. – Am Telefon spreche ich jetzt mit Max Schrems. Er ist Mitglied einer österreichischen Studentengruppe, die sich Europe versus Facebook nennt, Europa gegen Facebook also, und sich in den letzten Wochen immer wieder mit dem Unternehmen angelegt hat. Guten Morgen, Herr Schrems.

    Max Schrems: Guten Morgen!

    Hammer: Sind Sie eigentlich bei Facebook?

    Schrems: Ich bin natürlich noch bei Facebook. Man muss ja sozusagen die Technologie von der bösartigen Firma, die sie missbraucht, trennen. Und soziale Netzwerke sind an sich ja eine wahnsinnig tolle Sache. Wir haben nur leider einen Monopolisten, der seine Stellung da entsprechend missbraucht.

    Hammer: Schauen wir da mal genauer drauf. Facebook will seine Regeln ändern und hat in den letzten Wochen die Nutzer um ihre Meinung gefragt. Jetzt können die Nutzer abstimmen. Das klingt doch eigentlich nach einer sauberen Sache, oder?

    Schrems: Ja also die Nutzer - das ist ja eine Sache, die Facebook eigentlich den Nutzern sozusagen mehr gibt als andere Firmen, diese ganze Abstimmerei. Wir haben im letzten Frühjahr aber zusammengebracht, dass mehr als 7000 Leute sozusagen eine gewisse Änderung vorgeschlagen haben, indem sie auf eine Seite von uns gelinkt haben, und da war das Problem, dass Facebook eigentlich sagt, dass die dann abstimmen zwischen sozusagen dem Nutzervorschlag und ihrer eigenen Policy. An das hat sich Facebook aber nicht gehalten, sondern hat einfach zwischen seiner alten und neuen Policy entscheiden lassen und das wahnsinnig versteckt, sodass die Leute halt alle diese Abstimmung gar nicht gefunden haben. Und das Problem war dann, dass Facebook gesagt hat, die Abstimmung ist nur dann gültig, wenn 30 Prozent der weltweiten Nutzer mitstimmen – das sind 300 Millionen Menschen. So viele Leute loggen sich in einer Woche meistens gar nicht auf Facebook ein. Das ist dann die Frage, inwieweit das überhaupt jemand mitbekommt, wer da mitmacht, und die Wahrscheinlichkeit ist halt hoch, dass diese ganze Sache sozusagen ins Wasser fällt.
    Das Lustige jetzt ist, dass die Leute abstimmen über die Abschaffung der Abstimmung. Also es wird sozusagen Demokratie betrieben, um die Demokratie abzuschaffen, was halt an sich PR-mäßig nicht wahnsinnig gelungen ist, aber Facebook wahrscheinlich durchbringen wird.

    Hammer: Sie sprechen jetzt von den 30 Prozent. Wenn wir uns eine Abstimmung im Juni anschauen, da haben nur 0,04 Prozent aller Facebook-Nutzer teilgenommen. Sie sagen, das sei wahnsinnig versteckt gewesen. Aber mal im Ernst: Bei solchen Zahlen, ist es nicht so, dass das Gros der Nutzer sich einfach für die Mitbestimmung nicht interessiert?

    Schrems: Das ist auch mit ein Problem. Vor allem die Leute wissen ja gar nicht, über was sie sich da ganz genau abstimmen, weil das sind 14 Seiten Policy, die hat keiner gelesen, und selbst die, die es gelesen haben, die müssten sozusagen wochenlang sich damit genau auseinandersetzen. Deswegen ist diese ganze Mitabstimmerei auch nicht wirklich ein Modus, der wahrscheinlich wahnsinnig geglückt ist. Facebook hat das aber damals eingeführt im Sinne von, wir sind ja eine Plattform, die sozusagen auf den Nutzern basiert, und wir wollen ja mit den Nutzern viel zu tun haben, und da merkt man eher die Änderung in der Kultur von dieser Firma, dass es halt jetzt schon ein Börsenunternehmen ist, ein börsennotiertes Unternehmen ist, wo es eben nicht mehr darum geht, ein freundliches Beieinandersein von vielen Nutzern zu sein, sondern da geht es eigentlich hauptsächlich um Kohle und da ist natürlich solche Abstimmerei, die das alles verzögert, wenn man da was ändern will, ein lästiges Ding, was man einfach abschalten will und los werden will.

    Hammer: Können Sie das nicht nachvollziehen, dass ein Unternehmen sagt, ja wir bieten da einen Service an, du kannst dich mit deinen Freunden weltweit vernetzen, dafür bestimmen wir aber auch die Regeln?

    Schrems: Kann ich mich total! Das Schöne wäre, wenn nur die Regeln so verständlich sind, dass es ein Normalnutzer auch versteht, was da ist. Das Problem ist, dass Facebook eine amerikanische Rechtskultur hat, dass die in die Policies irgendwelche schwammigen Dinge reinschreiben, die eigentlich keiner genau versteht. Wir haben selber seit eineinhalb Jahren ein Verfahren in anderen Datenschutzbereichen - da geht es nicht um diese Abstimmung - gegen Facebook und wir haben alle Dinge hundertmal durchgearbeitet und ich kann Ihnen heute noch nicht sagen, was Facebook eigentlich genau mit diesen Daten tut. Und das ist in Europa eigentlich illegal. Wurst ist, ob es jetzt die neue Policy ist oder die alte, weil das Argument, die Nutzer wissen ja was sie da tun und sie haben das ja freiwillig gemacht, gilt natürlich nur dann, wenn die Nutzer sich auch wirklich informieren können und auch klar aufgeklärt werden. Wir haben zum Beispiel rausgefunden, dass Facebook gelöschte Daten weiter vorhält, obwohl das in den Policies nicht so drinsteht, dass sie Daten über andere Leute über einen herausfinden, selbst über Nichtnutzer herausfinden, und das sind alles Dinge, wo Facebook einfach nicht transparent ist und das nicht klar sagt.

    Hammer: Sie wollen jetzt gegen Facebook vor Gericht ziehen, sagen, dass das Verfahren sogar vor dem Europäischen Gerichtshof landen könnte. Was haben Sie da vor?

    Schrems: Wir haben vor einem Jahr 22 Anzeigen vor der irischen Datenschutzbehörde eingebracht. Irland ist zuständig, weil Facebook aus Steuergründen sein weltweites Hauptquartier in Dublin hat. Und die irische Behörde hat dann ein halbes Jahr lang sozusagen eine nicht bindende allgemeine Überprüfung von Facebook gemacht, wo unter anderem von ihnen vorgeschlagen worden ist, die Gesichtserkennung abzuschalten in Europa, kürzer zu speichern und so weiter. Also es sind schon einige Sachen in die richtige Richtung gegangen. Das Problem ist bloß, dass die irische Behörde sehr zahnlos ist und auch sein will. In Irland sind eben sehr viele IT-Unternehmen, da will man nicht so viel angreifen, und das, was jetzt die irische Behörde vorgebracht hat, ist halt nur der halbe Weg zu wirklich richtiger datenschutzkonformer Handhabung. Wir kriegen jetzt irgendwann mal eine finale Entscheidung der irischen Behörde, die wahrscheinlich nicht ganz im Interesse des Nutzers ausgeht, und können die dann vor den Gerichten bekämpfen, und das wäre natürlich relativ spannend, weil es im Bereich Datenschutz ja wenig wirklich Klagen gibt, die weit raufgehen, und dadurch, dass das ein prominenter Fall ist und viele Fragen wirklich ungeklärt sind, wären die Chancen recht gut, dass das weit hochgeht. In unserer Rechtsansicht ist es interessanterweise auch so, dass das teilweise von sehr vielen Datenschutzbehörden auch geteilt wird, von nicht irischen Datenschutzbehörden, die ihre irischen Kollegen ähnlich kritisieren wie wir.

    Hammer: Max Schrems war das von Europe versus Facebook. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.