Elke Durak: Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erschien heute vor 60 Jahren das erste Mal. Grund genug für ein Gespräch mit jemandem, der in seiner langen Berufszeit als Journalist und auch WDR-Intendant mit Sicherheit "Spiegel"-Leser war. Vielleicht ist er es ja auch noch. Guten Tag, Friedrich Nowottny!
Friedrich Nowottny: Grüße Sie, Frau Durak! Ja, ich bin es noch. Und ich habe auch die Nummer 1 gestern durchgeblättert.
Durak: Und was haben Sie gefunden?
Nowottny: Ich habe festgestellt, dass sie unvergleichlich schlechter war in Aufmachung, im Erscheinungsbild, eben ein Nachkriegskind, für eine Reichsmark zu erwerben, schlechter, schlechter gedruckt, schlechtes Papier. Also heute ist das ein Glanzstück dagegen.
Durak: Manches Nachkriegskind hat sich ja gemausert und zugenommen. "Der Spiegel" hat auch mit den Jahren zugenommen, vor allem an Gewicht, finde ich, wegen der Werbung und des dazugehörigen Papiers. Hat er denn auch inhaltlich zugenommen?
Nowottny: "Der Spiegel" hat sich in 60 Jahren natürlich verändert. Es wäre ein Wunder, wenn er es nicht getan hätte. Er hat sich in seinem äußeren Erscheinungsbild verändert und auch inhaltlich. Er hat sich nicht immer der Zeit angepasst und nicht den Zeitströmungen, aber er hat auch unter dem Generationswechsel, der in den 60 Jahren stattgefunden hat, oft genug seinen Stil und seinen Inhalt verändert.
Durak: Welchen Stil pflegt "Der Spiegel", den kein anderes Blatt pflegt?
Nowottny: Das war früher extremer. Der "Spiegel"-Stil war etwas, was es sonst nicht gab. Es war so, als wenn ein Mann den "Spiegel" geschrieben hätte, und es war auch so, dass einer wesentlichen Einfluss auf den Stil des "Spiegel" genommen hat. Heute ist der Stil des "Spiegel" kein Stil mehr, er ist ein breiteres Angebot verschiedener Autoren zum Teil mit sehr lesenswerten Stücken.
Durak: Zum Teil. Auch Allerweltsgeschichten?
Nowottny: Na ja, natürlich gibt es da auch Allerweltsgeschichten. Kein Blatt kommt heute mehr ohne Allerweltsgeschichten aus.
Durak: Franziska Augstein hat es viel schärfer formuliert, Herr Nowottny. Sie hat vor einiger Zeit gesagt, das Blatt sei geschwätzig geworden und vernachlässige politische Themen. Tut es das?
Nowottny: Nein, es vernachlässigt nicht politische Themen. Die Platzierung politischer Themen hat sich nur geändert. Deutschland war normalerweise immer der Aufmacher des Blattes, stand immer ganz vorn. Das ist schwankend geworden. Geschwätzig, na gut, wir leben in einer geschwätzigen Zeit, und der "Spiegel" ist gelegentlich auch geschwätzig, er ist sehr lang, man muss ihn lesen lernen, man muss herausfinden, was man lesen muss und was man nicht lesen muss.
Durak: Was müssten Sie nicht lesen, was Sie trotzdem finden. Was sind Geschichten, die Sie nicht haben müssten?
Nowottny: Ich kann es Ihnen nicht aus dem Kopf sagen, aber zum Beispiel die Personalienseite, die Doppelseite, die mit vielen bunten Fotos ausgestattet ist, bringt selten etwas über deutsche Persönlichkeiten, sondern ergeht sich in der weiten Welt wie die "Bunte", und darüber müsste die "Spiegel"-Redaktion mal nachdenken. Es gibt doch viele Geschichten am Rande, und plötzlich entdeckt man, eigentlich liest sich das ganz gut und liest es dann auch. Aber sie passen nicht zu dem Urcharakter des "Spiegel".
Durak: Viele Kritiker haben über all die vielen Jahre den "Spiegel" deshalb gelesen, weil er noch kritischer war als sie selbst und genau ausgesprochen hat, was sie auch gedacht haben, und dazu, wenn es gut ging, noch eine richtige Story hatte. Ist der "Spiegel" unkritischer geworden?
Nowottny: Na ja, da fragen Sie doch mal Gerhard Schröder, der ist davon überzeugt, dass das Berliner Büro des "Spiegel" die knappe Wahlniederlage für ihn beschrieben hat und beschert hat. Schauen Sie mal, Kohl war 16 Jahre Bundeskanzler. Seit 1976 hat er dem "Spiegel" kein Interview gegeben.
Durak: Was der "Spiegel" gut überlebt hat.
Nowottny: Das hat er hervorragend überlegt. Strauß und Augstein hassten sich und vertrugen sich wieder. Frau Merkel, die gegenwärtige Bundeskanzlerin, nutzt den "Spiegel! kühl, wie es ihre Art ist, strategisch, und setzt ihn so ein, wie sie glaubt, dass sie ihn einsetzen müsste, und es funktioniert.
Durak: Sie sind Journalist. Sie kennen viele, viele Journalisten. Welchen Maßstab würden Sie anlegen, wie muss ein Mensch beschaffen sein, der für den "Spiegel" schreibt und recherchiert zunächst?
Nowottny: Er muss natürlich sehr fleißig sein, das empfehle ich ohnehin allen Journalisten, und er darf nicht der Flüchtigkeit anheimfallen. Gründlichkeit war eigentlich immer ein "Spiegel"-Charakteristikum. Ich habe für den "Spiegel" mal ein Stück über das Bundeskanzleramt geschrieben, über die verschiedenen Bundeskanzlerämter, und ich war überrascht, mit welcher Akribie im Archiv des "Spiegels" nachgeforscht wurde, ob die von mir genannten Fakten alle stimmten. Und stellen Sie sich vor: Es waren zwei Fakten drin, die nicht in diesem fabelhaften "Spiegel"-Archiv waren. Ich wurde angerufen und musste Belege bringen, dass es so war, wie es ist. Also man kann auch übertreiben, aber fleißig müssen sie sein, korrekt müssen sie sein. Die Häme sollten sie außen vor lassen, na gut, und wenn ihre Story stimmt, dann dürfen sie sich ja im Blatt immer noch ausbreiten. Man kann im "Spiegel" auch noch Geschichten zur Geschichte erzählen.
Durak: Nur Lob aus Ihrem Mund für den "Spiegel"?
Nowottny: Nein, nicht unbedingt. Ich war immer ein kritischer Begleiter des "Spiegel" in Bonn, da waren wir 18 Jahre Nachbarn, das müssen Sie sich mal vorstellen. Ich habe gesehen, wer direkt aus dem Kanzleramt in das "Spiegel"-Büro gelaufen ist, welcher Staatssekretär und welcher Minister, wenn die Kabinettsitzung vorbei war. Ich habe beobachten können, wie sich Storys entwickelten und wie sie zerbarsten. Also ich habe immer eine gute Beziehung zu dem Blatt gehabt, aber nie eine unkritische.
Durak: Kann der "Spiegel" seinen Standard noch halten, was Enthüllungsgeschichten betrifft?
Nowottny: Wissen Sie, die Welt ist voller Enthüllungsgeschichten in diesen Tagen, und der "Spiegel" ist bemüht, dabei seinen Anteil zu haben. Enthüllungsgeschichten zu bekommen, ist heute nicht mehr so schwer, denn immer mehr Menschen, auch in der Politik und vor allem dort, enthüllen sich ja gern, und zwar manchmal bis an die Grenze der Schamlosigkeit. Vertrauen und Vertrauensverhältnisse zum Freund oder zum Partner gibt es ja kaum noch in der Politik, also man enthüllt sich, und der "Spiegel" enthüllt, und die "Bild"-Zeitung enthüllt und alle möglichen Menschen enthüllen. Es ist außerordentlich schwer, exklusive Enthüllungsstorys zu haben, und die Wirkung dieser Enthüllungsstorys ist doch bemerkenswert. Man schüttelt sich kurz als Betroffener, und schon ist die Geschichte wieder so gut wie vergessen. Das prallt an den Leuten ab, als trügen sie einen regenfesten Teflonanzug.
Durak: Die Zeit ist ja vorangeschritten, Herr Nowottny, und der "Spiegel" bleibt immer noch ein Magazin, das einmal wöchentlich erscheint. Die Informationsflut mit neuen Geschichten, auch Enthüllungsgeschichten, geht sozusagen auch über ihn hinweg.
Nowottny: Na ja, im Internet ist der "Spiegel" eine der meist besuchten Internetadressen, und die machen das auch sehr gut. Also sie werden auch von den Printmedien reichlich besucht. Und die Printmedien machen auch reichlich Gebrauch von alldem, was im "Spiegel" steht. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, das Internet spielt für den "Spiegel" eine große Rolle, ich weiß nicht, ob so groß wie die früheren Fernsehambitionen des "Spiegel", von den man sich ja verabschiedet hat zum Teil, aber immerhin ist das Internet ein Instrument, ein Werkzeug, in dem der "Spiegel" sich selbst präsentiert und es gerne und mit Vergnügen tut, obwohl ich annehme, dass er seine feinsten Enthüllungsgeschichten, wenn er denn mal eine hat, nicht vorab ins Internet stellt.
Durak: Wäre also das Blatt, was montags erscheint per Papier, ein Blatt für Minderheiten, für die Eliten, für eine kleinere Gruppe, während "Spiegel Online" was für junge Leute ist?
Nowottny: Der "Spiegel" wird auf Dauer nur überleben, wenn er es schafft, seine brillante Auflage über die Zeiten hinweg zu retten. Er hatte ja seine Probleme, als "Focus" kam, er ist dann ein bisschen schwimmend durch die Gegend gefahren, aber er hat sich wieder erholt, wie ich finde, er macht ein gutes Blatt, und er muss junge Leute als Leser gewinnen. Vielleicht denkt er einmal über die Länge der einen oder anderen Story nach und denkt darüber nach, dass er die meisten Geschichten, die er bringt, ja nicht allein bringt, sondern es gibt ja in Deutschland hervorragende Tageszeitungen, Printmedien jeder Art und auch Wochenzeitungen, die, was die Länge angeht, da auch nicht knauserig sind. Aber manche Geschichte könnte durchaus kürzer sein, lesbarer für die jungen Leute, das wäre auch nicht schlecht, darüber sollte er nachdenken.
Durak: "Spiegel"-Leser und Ratgeber Friedrich Nowottny, ehemaliger WDR-Intendant, hier im Interview im Deutschlandfunk. Besten Dank, Herr Nowottny, für das Gespräch.
Friedrich Nowottny: Grüße Sie, Frau Durak! Ja, ich bin es noch. Und ich habe auch die Nummer 1 gestern durchgeblättert.
Durak: Und was haben Sie gefunden?
Nowottny: Ich habe festgestellt, dass sie unvergleichlich schlechter war in Aufmachung, im Erscheinungsbild, eben ein Nachkriegskind, für eine Reichsmark zu erwerben, schlechter, schlechter gedruckt, schlechtes Papier. Also heute ist das ein Glanzstück dagegen.
Durak: Manches Nachkriegskind hat sich ja gemausert und zugenommen. "Der Spiegel" hat auch mit den Jahren zugenommen, vor allem an Gewicht, finde ich, wegen der Werbung und des dazugehörigen Papiers. Hat er denn auch inhaltlich zugenommen?
Nowottny: "Der Spiegel" hat sich in 60 Jahren natürlich verändert. Es wäre ein Wunder, wenn er es nicht getan hätte. Er hat sich in seinem äußeren Erscheinungsbild verändert und auch inhaltlich. Er hat sich nicht immer der Zeit angepasst und nicht den Zeitströmungen, aber er hat auch unter dem Generationswechsel, der in den 60 Jahren stattgefunden hat, oft genug seinen Stil und seinen Inhalt verändert.
Durak: Welchen Stil pflegt "Der Spiegel", den kein anderes Blatt pflegt?
Nowottny: Das war früher extremer. Der "Spiegel"-Stil war etwas, was es sonst nicht gab. Es war so, als wenn ein Mann den "Spiegel" geschrieben hätte, und es war auch so, dass einer wesentlichen Einfluss auf den Stil des "Spiegel" genommen hat. Heute ist der Stil des "Spiegel" kein Stil mehr, er ist ein breiteres Angebot verschiedener Autoren zum Teil mit sehr lesenswerten Stücken.
Durak: Zum Teil. Auch Allerweltsgeschichten?
Nowottny: Na ja, natürlich gibt es da auch Allerweltsgeschichten. Kein Blatt kommt heute mehr ohne Allerweltsgeschichten aus.
Durak: Franziska Augstein hat es viel schärfer formuliert, Herr Nowottny. Sie hat vor einiger Zeit gesagt, das Blatt sei geschwätzig geworden und vernachlässige politische Themen. Tut es das?
Nowottny: Nein, es vernachlässigt nicht politische Themen. Die Platzierung politischer Themen hat sich nur geändert. Deutschland war normalerweise immer der Aufmacher des Blattes, stand immer ganz vorn. Das ist schwankend geworden. Geschwätzig, na gut, wir leben in einer geschwätzigen Zeit, und der "Spiegel" ist gelegentlich auch geschwätzig, er ist sehr lang, man muss ihn lesen lernen, man muss herausfinden, was man lesen muss und was man nicht lesen muss.
Durak: Was müssten Sie nicht lesen, was Sie trotzdem finden. Was sind Geschichten, die Sie nicht haben müssten?
Nowottny: Ich kann es Ihnen nicht aus dem Kopf sagen, aber zum Beispiel die Personalienseite, die Doppelseite, die mit vielen bunten Fotos ausgestattet ist, bringt selten etwas über deutsche Persönlichkeiten, sondern ergeht sich in der weiten Welt wie die "Bunte", und darüber müsste die "Spiegel"-Redaktion mal nachdenken. Es gibt doch viele Geschichten am Rande, und plötzlich entdeckt man, eigentlich liest sich das ganz gut und liest es dann auch. Aber sie passen nicht zu dem Urcharakter des "Spiegel".
Durak: Viele Kritiker haben über all die vielen Jahre den "Spiegel" deshalb gelesen, weil er noch kritischer war als sie selbst und genau ausgesprochen hat, was sie auch gedacht haben, und dazu, wenn es gut ging, noch eine richtige Story hatte. Ist der "Spiegel" unkritischer geworden?
Nowottny: Na ja, da fragen Sie doch mal Gerhard Schröder, der ist davon überzeugt, dass das Berliner Büro des "Spiegel" die knappe Wahlniederlage für ihn beschrieben hat und beschert hat. Schauen Sie mal, Kohl war 16 Jahre Bundeskanzler. Seit 1976 hat er dem "Spiegel" kein Interview gegeben.
Durak: Was der "Spiegel" gut überlebt hat.
Nowottny: Das hat er hervorragend überlegt. Strauß und Augstein hassten sich und vertrugen sich wieder. Frau Merkel, die gegenwärtige Bundeskanzlerin, nutzt den "Spiegel! kühl, wie es ihre Art ist, strategisch, und setzt ihn so ein, wie sie glaubt, dass sie ihn einsetzen müsste, und es funktioniert.
Durak: Sie sind Journalist. Sie kennen viele, viele Journalisten. Welchen Maßstab würden Sie anlegen, wie muss ein Mensch beschaffen sein, der für den "Spiegel" schreibt und recherchiert zunächst?
Nowottny: Er muss natürlich sehr fleißig sein, das empfehle ich ohnehin allen Journalisten, und er darf nicht der Flüchtigkeit anheimfallen. Gründlichkeit war eigentlich immer ein "Spiegel"-Charakteristikum. Ich habe für den "Spiegel" mal ein Stück über das Bundeskanzleramt geschrieben, über die verschiedenen Bundeskanzlerämter, und ich war überrascht, mit welcher Akribie im Archiv des "Spiegels" nachgeforscht wurde, ob die von mir genannten Fakten alle stimmten. Und stellen Sie sich vor: Es waren zwei Fakten drin, die nicht in diesem fabelhaften "Spiegel"-Archiv waren. Ich wurde angerufen und musste Belege bringen, dass es so war, wie es ist. Also man kann auch übertreiben, aber fleißig müssen sie sein, korrekt müssen sie sein. Die Häme sollten sie außen vor lassen, na gut, und wenn ihre Story stimmt, dann dürfen sie sich ja im Blatt immer noch ausbreiten. Man kann im "Spiegel" auch noch Geschichten zur Geschichte erzählen.
Durak: Nur Lob aus Ihrem Mund für den "Spiegel"?
Nowottny: Nein, nicht unbedingt. Ich war immer ein kritischer Begleiter des "Spiegel" in Bonn, da waren wir 18 Jahre Nachbarn, das müssen Sie sich mal vorstellen. Ich habe gesehen, wer direkt aus dem Kanzleramt in das "Spiegel"-Büro gelaufen ist, welcher Staatssekretär und welcher Minister, wenn die Kabinettsitzung vorbei war. Ich habe beobachten können, wie sich Storys entwickelten und wie sie zerbarsten. Also ich habe immer eine gute Beziehung zu dem Blatt gehabt, aber nie eine unkritische.
Durak: Kann der "Spiegel" seinen Standard noch halten, was Enthüllungsgeschichten betrifft?
Nowottny: Wissen Sie, die Welt ist voller Enthüllungsgeschichten in diesen Tagen, und der "Spiegel" ist bemüht, dabei seinen Anteil zu haben. Enthüllungsgeschichten zu bekommen, ist heute nicht mehr so schwer, denn immer mehr Menschen, auch in der Politik und vor allem dort, enthüllen sich ja gern, und zwar manchmal bis an die Grenze der Schamlosigkeit. Vertrauen und Vertrauensverhältnisse zum Freund oder zum Partner gibt es ja kaum noch in der Politik, also man enthüllt sich, und der "Spiegel" enthüllt, und die "Bild"-Zeitung enthüllt und alle möglichen Menschen enthüllen. Es ist außerordentlich schwer, exklusive Enthüllungsstorys zu haben, und die Wirkung dieser Enthüllungsstorys ist doch bemerkenswert. Man schüttelt sich kurz als Betroffener, und schon ist die Geschichte wieder so gut wie vergessen. Das prallt an den Leuten ab, als trügen sie einen regenfesten Teflonanzug.
Durak: Die Zeit ist ja vorangeschritten, Herr Nowottny, und der "Spiegel" bleibt immer noch ein Magazin, das einmal wöchentlich erscheint. Die Informationsflut mit neuen Geschichten, auch Enthüllungsgeschichten, geht sozusagen auch über ihn hinweg.
Nowottny: Na ja, im Internet ist der "Spiegel" eine der meist besuchten Internetadressen, und die machen das auch sehr gut. Also sie werden auch von den Printmedien reichlich besucht. Und die Printmedien machen auch reichlich Gebrauch von alldem, was im "Spiegel" steht. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, das Internet spielt für den "Spiegel" eine große Rolle, ich weiß nicht, ob so groß wie die früheren Fernsehambitionen des "Spiegel", von den man sich ja verabschiedet hat zum Teil, aber immerhin ist das Internet ein Instrument, ein Werkzeug, in dem der "Spiegel" sich selbst präsentiert und es gerne und mit Vergnügen tut, obwohl ich annehme, dass er seine feinsten Enthüllungsgeschichten, wenn er denn mal eine hat, nicht vorab ins Internet stellt.
Durak: Wäre also das Blatt, was montags erscheint per Papier, ein Blatt für Minderheiten, für die Eliten, für eine kleinere Gruppe, während "Spiegel Online" was für junge Leute ist?
Nowottny: Der "Spiegel" wird auf Dauer nur überleben, wenn er es schafft, seine brillante Auflage über die Zeiten hinweg zu retten. Er hatte ja seine Probleme, als "Focus" kam, er ist dann ein bisschen schwimmend durch die Gegend gefahren, aber er hat sich wieder erholt, wie ich finde, er macht ein gutes Blatt, und er muss junge Leute als Leser gewinnen. Vielleicht denkt er einmal über die Länge der einen oder anderen Story nach und denkt darüber nach, dass er die meisten Geschichten, die er bringt, ja nicht allein bringt, sondern es gibt ja in Deutschland hervorragende Tageszeitungen, Printmedien jeder Art und auch Wochenzeitungen, die, was die Länge angeht, da auch nicht knauserig sind. Aber manche Geschichte könnte durchaus kürzer sein, lesbarer für die jungen Leute, das wäre auch nicht schlecht, darüber sollte er nachdenken.
Durak: "Spiegel"-Leser und Ratgeber Friedrich Nowottny, ehemaliger WDR-Intendant, hier im Interview im Deutschlandfunk. Besten Dank, Herr Nowottny, für das Gespräch.