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NRW-CDU verlangt Änderung von Hartz IV

Die CDU in Nordrhein-Westfalen dringt auf Änderungen der Hartz-IV-Regelungen. Der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl Josef Laumann sagte, man müsse Rücksicht auf Menschen nehmen, die 30 Jahre lang im Erwerbsleben gestanden und dann unverschuldet ihre Stelle verloren hätten. Sie müssten anders behandelt werden als Menschen, die nicht arbeiten wollten.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Ich werd' Hartz IV, das reicht mir. Das sind Zukunftsvorstellungen von Kindern und Jugendlichen hier in Deutschland, die gibt es und nicht wenige. Sie kennen es nicht anders diese Kinder und Jugendlichen, ein Leben in Abhängigkeit von Sozialleistungen. Früher hieß es Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe, heute Hartz IV. Und hunderttausende Menschen die arbeiten, brauchen trotzdem den Zuschuss zum Lebensunterhalt, weil die Löhne viel zu gering sind. Änderungen am Hartz IV-Gesetz fordert die CDU in Nordrhein-Westfalen. Am Telefon ist der Arbeits- und Sozialminister und Vorsitzende der CDA, Josef Laumann. Schönen guten Morgen, Herr Laumann.

    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen.

    Durak: Ich werd' Hartz IV, das reicht mir - treibt Sie so etwas um?

    Laumann: Das treibt mich schon um. Das macht deutlich, dass man Sozialpolitik nicht nur mit Geld machen kann, sondern dass man eine Sozialpolitik auch machen muss, dass man den Menschen eine Aufgabe gibt. Und ich glaube, dass wir das auch noch stärker lernen müssen, wir haben über muss ich fast sagen, eine Generation Arbeitslosigkeit versucht damit zu bekämpfen, indem wir den Menschen, die wir im Produktionsprozess nicht brauchen, Geld überweisen. Und ich glaube, dass man Strukturen, die Sie jetzt angesprochen haben, wo schon Kinder groß werden in einer Hartz IV-Familie und dann unter Umständen sagen, ja gut, Hartz IV, das reicht mir - damit dürfen wir uns nicht abfinden. Da muss man bei der Bildung ansetzen, aber da muss man auch dafür sorgen bei den jungen Leuten, dass wir ein ganz konkretes Angebot nach der Hauptschule oder nach der Realschule oder nach der Gesamtschule machen.

    Durak: Handelt es sich hier um, ich will es einmal zugespitzt formulieren, um das klassische Opfer-Täter-Verhältnis? Ich frage das natürlich nicht ohne Hintersinn, denn es gibt ja auch genügend Berichte über Menschen, die einfach daran gewöhnt wurden, an diese Sozialhilfeempfängermentalität und einfach nicht mehr arbeiten gehen wollen. Muss man diese Menschen zum Arbeiten zwingen?

    Laumann: Ja, es ist ja so, dass wir Gesetze in Deutschland schon haben, wenn wir Menschen Arbeit anbieten und sie nehmen sie nicht an, dass wir dann Sanktionen haben. Das ist mir auch völlig klar, dass die Sanktionen vollkommen ausgeschöpft werden müssen, wenn es diese Fälle gibt. Aber man darf auf der anderen Seite auch nicht vergessen, dass wir viele Menschen haben, die haben unter Umständen schon 20 oder 30 Jahre gearbeitet, werden arbeitslos weil die Firma pleite geht, ich denke hier nur an BenQ in Nordrhein-Westfalen. Da haben wir es mit Menschen zu tun, die haben sehr viel geleistet, die haben über viele Jahrzehnte diesen Staat mit Steuern und Beiträgen auch versorgt. Und dass man solche Menschen dann behandelt wie jemand, von dem wir gerade gesprochen haben, das ist auch eine Ungerechtigkeit, die es bei Hartz IV gibt. Und da wenden wir uns entschieden dagegen, dass zum Beispiel solche Menschen bis auf 16.250 Euro alles das auflösen müssen, was sie etwa für das Alter gespart haben.

    Durak: Da fordern Sie im Einvernehmen mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eine Änderung in den Hartz IV Gesetzen, richtig?

    Laumann: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Koalitionsvereinbarung in dieser CDU-FDP-Regierung, die eindeutig sagt, dass wir nicht möchten, dass Menschen die über Jahrzehnte geleistet haben, behandelt werden wie andere Menschen die gar nicht geleistet haben.

    Durak: Wie wollen Sie das durchsetzen?

    Laumann: Ja gut, das wollen wir immer wieder zur Sprache bringen und wir haben auch Berechnungen angestellt, dass wenn man zum Beispiel den allgemeinen Freibetrag auf 150 Euro festsetzt, dass man schon hier einen größeren Freibetrag geben kann. Schauen Sie, wenn heute jemand 40 Jahre alt ist und durchschnittlich verdient und genauso viel Rente haben will, wie die heutige Rentnergeneration, der muss dann im Monat ungefähr 50 Euro privat anlegen für Altersversorgung. Aber wenn wir diese 50 Euro dann wegnehmen, und er dann nie wieder aus diesem Kessel von Hartz IV und Grundsicherung herauskommt, das kann doch nicht Sinn eines Staates sein. Man darf Erwerbsbiografien, finde ich, die über Jahrzehnte gehalten haben, nicht zerstören wie es im heutigen System ist.

    Durak: Wir haben über, ja sagen wir einmal auch Konsequenzen gesprochen gegenüber Arbeitsunwilligen, Sozialhilfeempfängern - Sozialleistungsempfängern besser, um Hartz IV zu nennen und anderes. Wir wissen das aber aus dem großpolitischen Raum, Sanktionen funktionieren häufig nicht und treffen die Falschen. Weshalb sollte das im familiären anders sein.

    Laumann: Also ich glaube, dass wir bei Hartz auch ein anderes Problem haben, dass die Organisationsstruktur der ARGEn wo eine Kommunale Ebene und eine Bundesebene zusammenkommt, wo man nicht das Gefühl hat, wer es zu sagen hat, auch in sich ein Problem ist. Schauen Sie, wenn von den Menschen, die heute in Hartz IV leben mit nur einem Drittel überhaupt gesprochen worden ist, mit ihnen ein Profiling gemacht worden ist, dann macht das deutlich, wie weit wir von diesem Fordern auch weg sind. Und ich sage noch einmal, ich glaube nicht, dass man die Debatte so verkürzen darf, die wollen nicht, sondern man muss ja auch ein richtiges Angebot machen. Und ich sage Ihnen, es gibt in dieser Hartz-IV-Geschichte auch sehr viele Menschen, die sehr wohl gerne wieder eine Arbeit hätten, die sehr gerne wieder Teilhabe hätten an einem umfangreichen gesellschaftlichen Leben. Und dieses Draufprügeln auf diese Gruppe, wie es einige machen, das ist nicht der Stil den wir in Nordrhein-Westfalen pflegen.

    Durak: Wenn Sie Änderungen durchsetzen wollen über Gespräche, Diskussionen, wer unterstützt Sie auf bundespolitischer Ebene?

    Laumann: Ja gut, also wir haben zumindest auch Unterstützung - es ist Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen in Berlin, dass man diese Frage der Vermögensfreigrenzen angehen will. Man kann nicht auf der einen Seite Menschen predigen, man muss für das Alter vorsorgen und dann, wenn sie etwa wenige Jahre vor der Rente arbeitslos werden, alles nehmen. Also ich glaube schon, dass wir hier vor allen Dingen gute Argumente haben und ich glaube, dass man dieses auch zur Sprache bringen muss. Wenn ich nach Kamp-Lintfort komme und treffe dort Menschen die 30 Jahre bei Siemens waren, dann kann jeder verstehen worüber ich hier rede.

    Durak: Ich hoffe, noch ein paar mehr Menschen - Danke schön - Hörer hier im Deutschlandfunk. Karl-Josef Laumann war das, Arbeits- und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen und auch Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft in der CDU. Danke schön, Herr Laumann, für das Gespräch.

    Laumann: Danke schön, auf Wiederhören.

    Durak: Auf Wiederhören.