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NRW-Familienminister begrüßt Neuregelung bei Familienbetreuung

Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet (CDU) hat sich erfreut über den Kompromiss bei der steuerlichen Förderung der Kinderbetreuung geäußert. Er begrüßte, dass die Neuregelung nicht allein auf Familien mit doppeltem Einkommen ausgerichtet sei. Der Staat dürfe nicht vorschreiben, wie Paare zu leben hätten, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Die große Koalition hat sich über die Förderung der Kinderbetreuung geeinigt. Es gab natürlich positive Reaktionen. Es sei eine schwere Geburt gewesen, aber nun habe die große Koalition ein gemeinsames Kind. Mit diesen Worten kommentierte die Familienministerin Ursula von der Leyen gestern den Kompromiss über die Steuervorteile bei der Betreuung. Wie tragfähig ist der Kompromiss und löst er die Probleme, vor denen sich die Finanz- und Familienpolitiker in Berlin sehen, und wird man bei der Rente auch einen Kompromiss finden? Dazu begrüße ich den Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Guten Morgen Herr Laschet!

    Armin Laschet: Guten Morgen Herr Liminski.

    Liminski: Herr Laschet, bei den Kindern von drei bis sechs Jahren dürfen alle Eltern zwei Drittel der Betreuungskosten absetzen. Doppelverdienerpaare und Alleinerziehende können ohne Altersbeschränkung, also bei Kindern von null bis vierzehn Jahren, solche Kosten steuerlich geltend machen. Das riecht etwas nach Ungleichbehandlung. Ist dieser Kompromiss überhaupt verfassungskonform?

    Laschet: Das wird jetzt die Untersuchung erweisen, wenn man einmal den Gesetzestext hat. Für uns ist wichtig, dass nicht nur allein auf Familien, die doppelte Einkommen beziehen, die Regelung ausgerichtet ist, sondern dass auch Alleinverdienerfamilien jetzt in den Genuss dieser steuerlichen Regelungen kommen. Das war eine wichtige Frage, aber in der Tat ist die Grundsatzfrage berechtigt. Wie kann eigentlich das Steuerrecht, das bisher ja von einem gemeinsamen veranlagten Einkommen ausgeht, nun differenzieren und in bestimmten Altersgruppen nur doppelt Verdienende berücksichtigen? Da wird man sich den genauen Gesetzestext anschauen müssen. Die Botschaft jedenfalls von gestern ist: Auch Alleinverdiener im Alter von drei- bis sechsjährigen Kindern können in Zukunft diese Regelung mit beanspruchen.

    Liminski: Die Familienministerin meinte gestern auch noch, es lohne sich jetzt, die Tagesmütter aus der Schwarzarbeit zu holen. Wann wird denn die Mutter, die sich entschieden hat, ein, zwei oder drei Jahre zu Hause zu arbeiten und zu erziehen, aus der Schwarzarbeit, genauer aus der Schattenarbeit geholt?

    Laschet: Die ist schon aus der Schattenarbeit geholt, indem wir 1986 – das war der große Erfolg damals von Heiner Geißler und Rita Süssmuth – Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung erstmals anerkannt haben. Das war eine sozialpolitische Neuerung nach über 100 Jahren Sozialversicherung, von Bismarck damals mal geschaffen, indem man nämlich nicht nur die Erwerbsarbeit, also die Berufstätigkeit außerhalb des Hauses, anerkannte in den Rentenversicherungssystemen, sondern auch die Familienarbeit, den, der sich dafür entscheidet, Kinder zu erziehen und dies zu Hause zu machen. Insofern haben wir seither Wahlfreiheit. Man kann entweder Familie und Beruf miteinander vereinbaren, oder Familienarbeit leisten. Aber dass das noch nicht genug ist, dass das auch in der gesellschaftlichen Anerkennung im Moment eher zurückgeht, das ist etwas, wo man sorgsam auch die Stimme erheben muss, falls es in die falsche Richtung geht.

    Liminski: Das war natürlich ein prinzipieller Schritt, den Sie in der Tat jetzt erwähnen. Aber es war doch auch ein Minischritt und bedeutet die jetzige Regelung nicht auch einen Rückschritt?

    Laschet: Wir müssen aufpassen, dass nicht alles, was jetzt im Moment an neuen familienpolitischen Beschlüssen kommt, ein Rückschritt ist, dass man prinzipiell von doppelter Berufstätigkeit ausgeht - das Elterngeld geht ebenfalls in diese Richtung -, nur an der Berufstätigkeit die Familientätigkeit zu messen. Ich finde man sollte als Staat nicht vorschreiben, wie Paare zu leben haben, und wenn Paare sich dafür entscheiden, dass ein Partner Familienarbeit leistet, Kinder erzieht, auch Kinder betreut im weitesten Sinne, dann sollte er mindestens von den staatlichen Unterstützungen die gleichen Leistungen haben wie der Berufstätige. Da gerät im Moment Falsches in die falsche Richtung.

    Liminski: Herr Laschet, wir, also das politisch-mediale Establishment, reden ständig von der Betreuung. Sollte man nicht mal unterscheiden zwischen Betreuung und Erziehung und auch die Erziehungsarbeit zu Hause stärker anerkennen?

    Laschet: Ja, so ist es! Man kann nicht prinzipiell davon ausgehen, dass Kinder besser betreut und erzogen werden, wenn sie in einer Kindertageseinrichtung sind, sondern man sollte anerkennen, wenn Väter sagen oder auch Mütter sagen, wir erziehen unsere Kinder selbst, wir steigen für einige Jahre aus dem Beruf aus, dass dies natürlich eine qualitativ gute Erziehung ist und nicht der Staat alles besser machen kann, als es Familien machen. Diese Debatte müssen wir führen und diese Debatte ist glaube ich im Moment, wo alle über Familie reden, besonders wichtig.

    Liminski: Ab sieben Kindern ist – so haben amerikanische Studien ergeben; ich führe den Gedanken einfach mal fort – die Förderkapazität der Erzieherin erschöpft und dann wird nur noch betreut nach dem Prinzip "satt, sauber, beschäftigt". Und dann wird auch zu wenig Humanvermögen gebildet. Müssen wir nicht mehr investieren, so wie die Finnen zum Beispiel, und zwar in die individuelle Förderung? Da könnten dann doch auch viel mehr Arbeitsplätze entstehen?

    Laschet: Ja. Arbeitsplätze könnten durch das, was Berlin jetzt beschlossen hat, insofern entstehen, dass viele Tätigkeiten erst schwarz geleistet werden und man die in sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten jetzt hineinholen kann. Aber wir haben in Deutschland ja ein Problem: Wir haben fast die höchsten Familienleistungen in der Europäischen Union, aber es sagen viel weniger Menschen Ja zum Kind als in den anderen Staaten der Europäischen Union. In Belgien, in Frankreich, in den Benelux-Ländern, in den skandinavischen Ländern ist die Geburtenrate höher. Die Frage ist: Woran liegt das? Ich glaube, dass wir da zum einen kein kinder- und familienfreundliches Klima aller Orten haben. Wenn sie immer noch gegen den Lärm einer Kindertagesstätte mit dem Bundesemissionsschutzgesetz klagen können, dann zeigt dies, dass etwas mit dem Klima in diesem Land nicht stimmt. Aber zum anderen ist glaube ich auch das Angebot an frühkindlicher Bildung und Erziehung, an Betreuung schlechter bei uns. Man muss beides machen! Man muss Familienarbeit anerkennen, aber man muss für den, der es vereinbaren will, Familie und Beruf, ein Angebot schaffen und das haben wir zurzeit nicht.

    Liminski: Ja zum Kind. Ein Problem der Politik ist sicher das demographische Defizit. Glauben Sie denn auch, dass es mit dieser Regelung, wenn sie denn von Karlsruhe nicht verworfen wird, und zusammen mit dem Elterngeld zu einem kleinen Baby-Boom unter den Akademikerinnen kommen wird, wie man in Berlin hoffnungsfroh sagt?

    Laschet: Dazu ist vielleicht das Volumen zunächst noch zu klein. 460 Millionen Euro plus X, die man in Berlin im Moment an Entlastung beschlossen hat, wird vielleicht nicht gerade einen Baby-Boom auslösen. Ich glaube einen Baby-Boom auszulösen erfordert etwas mehr, erfordert insgesamt auch ein anderes Denken über Kinder. Kinder sind ja nicht nur ein Nutzfaktor, ein steuerrechtlicher Berechnungsfaktor, sondern Kinder sind auch Bereicherung für ein langes Leben, auch im Generationenzusammenhang. Die Debatte haben wir noch nicht geführt. Wenn wir die wieder mehr führen würden und wenn wir dem, der Familie und Beruf vereinbaren will, auch Angebote machen, wie er das denn machen kann, dann löst so etwas eher einen Baby-Boom aus als steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten.

    Liminski: Herr Laschet, ein anderer Baby-Boom dürfte uns bald Sorgen bereiten. In fünf Jahren gehen die ersten Baby-Boomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, in Rente, aber erst 2012 will man mit der Steigerung des Renteneintrittsalters beginnen. Jetzt wird kontrovers darüber diskutiert, ob man überhaupt das Renteneintrittsalter hochschraubt. Haben wir überhaupt eine andere Wahl?

    Laschet: Nein, die haben wir nicht. Das Renteneintrittsalter 65 – ich habe das einmal recherchiert – hat man 1916 eingeführt. Da war noch Kaiser Wilhelm Regierungschef in Berlin. Seither haben sich die Lebensverhältnisse der Menschen natürlich fundamental verändert. Damals erreichte kaum jemand die 65 und wenn, nahm er noch wenige Jahre Rente in Anspruch. Heute haben die Menschen nach dem 65. Lebensjahr meistens noch eine Lebenserwartung von 20 Jahren und jedes heute geborene Mädchen wird nach den Berechnungen der Demographen 100 Jahre alt. dass wir also etwas verändern müssen, wenn wir im Alter noch länger gesund und auch fit sind und aktiv sein können, das ist klar. Der Beschluss der großen Koalition, auf 67 zu gehen, wird auf Dauer wahrscheinlich nicht ausreichen. Wir werden eher noch länger arbeiten müssen, wenn wir auch länger gesund sind und länger aktiv sein können. Aber das Problem ist: Man muss bei den Beschlüssen dann auch mal bleiben. Man kann nicht für ein bestimmtes Jahr 67 beschließen und jetzt wie Herr Müntefering wenige Tage später das erneut in Frage stellen, denn das verunsichert die heute lebenden Rentner. Die können sich nicht mehr auf andere Situationen einstellen und für die bedeutet jede Veränderung des Renteneintrittsalters eine Rentenkürzung. Es geht nicht um Rentenkürzung, sondern es geht darum, dass eine jüngere Generation weiß, wir werden länger arbeiten müssen als 65. Das muss man erst mal bewusst machen und das tut man nicht, indem man täglich neu über diese Frage diskutiert.