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NRW-Finanzminister plädiert für konstruktive Gespräche über Unternehmenssteuersenkungen

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Jochen Dieckmann hat an CDU und CSU appelliert, konstruktiv an der Finanzierung der geplanten Unternehmenssteuersenkungen mitzuarbeiten. Dieckmann sagte, es gehe darum ein Zeichen zu setzen und den Standort Deutschland attraktiver zu machen. Allerdings müssten die Entlastungen im Volumen von rund sieben Milliarden Euro solide gegenfinanziert werden, meinte der SPD-Politiker.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Job-Gipfel, das klang vor zwei Wochen nach Tatendrang, nach Schaffenskraft, nach parteiübergreifender Bemühung, Menschen zu einem Arbeitsplatz zu verhelfen. Doch schon Stunden nach dem Gespräch zwischen Kanzler und Unionsspitzen war man wieder beim taktischen Klein-Klein. Kein Wunder: nur wenige Wochen vor so wichtigen Wahlen wie in Nordrhein-Westfalen ist eine Zusammenarbeit von politischen Gegnern wohl Illusion. Immerhin: morgen trifft sich Finanzminister Hans Eichel mit seinen Amtskollegen aus Bayern, Kurt Faltlhauser (CSU) und Nordrhein-Westfalen, Jochen Dieckmann (SPD), und zusammen will man über die Finanzierung einer Senkung der Körperschaftssteuer nachdenken, ein Ergebnis des Job-Gipfels. Jochen Dieckmann ist am Telefon. Guten Morgen!

    Jochen Dieckmann: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Herr Dieckmann, am 22. Mai bekommt die SPD die Quittung des Wählers. Welche Note würden Sie Ihrer Regierung selbst geben?

    Dieckmann: Das ist eine gute Arbeit unter schwierigen Bedingungen, die wir geleistet haben.

    Remme: Sie stecken mitten im Wahlkampf. Können Sie einem Arbeitslosen den Job-Gipfel, auch wenn Sie selbst nicht dabei waren, wirklich als Erfolg verkaufen?

    Dieckmann: Ich denke schon. Das war ein Zeichen, dass die großen politischen Kräfte unseres Landes die Dinge angehen wollen. Sie haben glaube ich einen Konsens erzielt, auch wenn der eine oder andere das jetzt nicht mehr wahr haben will. Das ist sicher das Unbefriedigende und ich habe die starke Hoffnung, dass wir morgen zu der sachlichen Arbeit übergehen können. Der Auftrag ist aus meiner Sicht klar. Die drei Männer, die sich da treffen, haben den Auftrag, die politische Diskussion in einem Sektor, um den es da geht, im Steuerrecht, voranzubringen.

    Remme: Das heißt also, Sie reden über die Senkung der Körperschaftssteuer. Diese soll auf 19 Prozent gesenkt werden. Das kostet sechs Milliarden Euro und eigentlich sollte die Senkung kostenneutral sein. Wird das so kommen?

    Dieckmann: Es geht zunächst einmal darum, den Standort Deutschland attraktiver zu machen. Es gibt im Steuerrecht so etwas wie einen Schill-Faktor. Das ist die gefühlte Steuer. Die hat etwas mit der Symbolkraft von Steuersätzen zu tun. Deshalb muss, um den Standort Deutschland attraktiver zu machen, der nominale Steuersatz gesenkt werden. Darüber gibt es ein weites Einvernehmen. Andererseits sind alle öffentlichen Kassel, egal ob Bund, Länder, alle Länder, und Kommunen, in einer Schieflage, die es nicht erlaubt, jetzt Geld zuzusetzen. Deshalb muss eine solche Entlastung für die Unternehmen in der Tendenz solide finanziert werden. Wir haben kein Geld zuzusetzen. Wir müssen es nur anders ansetzen.

    Remme: Dann rechnen Sie uns kurz vor, wie die sechs Milliarden zusammen kommen sollen?

    Dieckmann: Ich habe jetzt keine letzten Daten. Das wird ja erst morgen zu besprechen sein. Es wird dann anschließend auch von den Fachleuten, den eigentlichen Steuerrechtlern, noch nachzurechnen sein.

    Remme: Es muss ja nicht auf den letzten Euro sein, Herr Dieckmann!

    Dieckmann: Nein, nein. Die großen Volumina sind klar. Es geht um eine Senkung des Steuersatzes bei der Körperschaftssteuer. Das sind in der Tat sechs Milliarden. Es geht um eine verbesserte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer. Das kann man mit etwa 500 Millionen beziffern, die von Bund und Ländern zu tragen ist, die die Kommunen in der Gewerbesteuer nicht berührt, ein wichtiger Punkt. Dann gibt es noch erbschaftssteuerrechtliche Erleichterungen unterschiedlicher Größenordnung. Alles in allem sind das sieben Milliarden und dazu gibt es eine Menge verschiedener Vorschläge. Ich persönlich habe durchaus Sympathie dafür, die Mindestgewinnbesteuerung in einer solchen Situation noch mal anzuheben. Das ist kein sehr großer Betrag, etwa 200 Millionen. Wir reden über eine Anhebung des Halbeinkünfteverfahrens. Das bringt etwa 600 Millionen. Es ist die Rede von der Besteuerung von Fonds-Modellen. Das ist, wenn man so will, eine Steuergestaltung - manche nennen das ein Schlupfloch -, was man bei dieser Gelegenheit verändern könnte in der Größenordnung von rund drei Milliarden. Da kommt einiges zusammen, ohne dass ich das jetzt abschließend beziffern möchte. Da sind die Fachleute zum Teil auch unterschiedlicher Auffassung. Ich bin schon froh, Herr Remme, wenn es morgen zu diesem Gespräch kommt und auch die Bereitschaft der B-Länder bleibt, über diese Dinge zu reden.

    Remme: Der Unionsländer?

    Dieckmann: Die Unionsländer, ja. Da hat es ja doch die letzten Tage hinreichend Anlass gegeben, an der Ernsthaftigkeit des dortigen Bemühens zu zweifeln.

    Remme: Herr Dieckmann, in Nordrhein-Westfalen sind über eine Million Menschen ohne Arbeit. Denen können Sie doch am Stand beim Wahlkampf nicht mit Halbeinkünfteverfahren und Mindestgewinnbesteuerung kommen?

    Dieckmann: Ich bitte um Nachsicht, Herr Remme. Das Steuerrecht ist so wie es ist und es ist Kleinarbeit. Wir haben morgen den Auftrag, über Steuerrecht zu reden. Es gibt ja auch Diskussionen über die Arbeitsmarktinstrumente. Das ist aber jetzt nicht das Thema. Wir reden über Steuerrecht und das ist in der Tat so kleinteilig, wie Sie es beschreiben.

    Remme: Na gut. Dann sagen Sie mir, wie schnell wird eine solche Steuersenkung wirken?

    Dieckmann: Das ist eine Wirkung, die gerade in der Übergangszeit noch sehr sorgfältig austariert werden muss. Ich glaube entscheidend ist das Zeichen, das gesetzt ist.

    Remme: Übergangszeit heißt Wochen, Monate?

    Dieckmann: Das sind Monate. Wir reden hier über gewaltige Volumina. Wir reden hier über eine große Zahl von Steuerpflichtigen. Das will auch in den Unternehmen entsprechend verarbeitet werden. Lassen Sie mich doch mal sagen, Herr Remme: Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, dass der Standort Deutschland attraktiv ist, dass es sich lohnt, sein Unternehmen hier zu lassen, und dass wir von hieraus konkurrieren mit den attraktiven Steuerbedingungen anderer Länder.

    Remme: Wie viele Arbeitsplätze schafft so eine Senkung der Körperschaftssteuer?

    Dieckmann: Ich habe noch nie in meinem Leben solche Prognosen verbindlich gemacht. Ich gedenke auch in dieser Minute nicht, davon abzuweichen.

    Remme: Vor dem Job-Gipfel haben ja mehrere Wirtschaftsinstitute das Wort gegriffen, und zwar gemeinsam, und haben Alternativen aufgezeigt: Lohnnebenkosten runter, Mehrwertsteuer rauf. Ganz kurz gefasst: Davon war beim Gipfel keine Rede. Kann es sein, dass Politik in Wahlkampfzeiten beratungsresistent ist?

    Dieckmann: Nein. Die Mehrwertsteuer ist eine instrumentelle Möglichkeit. Ich halte nichts davon im gegenwärtigen Zeitpunkt. Ich glaube, dass wir in den verschiedenen Bereichen, nicht nur im Steuerrecht, noch Möglichkeiten haben, die wir nutzen müssen, bevor es darum gehen kann, diese allerletzte Möglichkeit ins Auge zu fassen. Von daher ist es wichtig, morgen auch so kleinteilig wie Sie es karikiert haben die Dinge anzugehen. Von der Erhöhung der Mehrwertsteuer kann gar keine Rede sein.

    Remme: Ich will noch auf ein anderes Thema zum Schluss kommen. Die Länder sind wie Bund und Kommunen in chronischer Finanznot und Hans Eichel hat jetzt mit Blick auf Bremen und das Saarland die Ländergliederung in Frage gestellt, kleinen Ländern, die ohne Ausgleich auf Dauer nicht klar kommen, die Existenzberechtigung abgesprochen. Hat er Recht?

    Dieckmann: Das ist eine unendliche Geschichte, Herr Remme. Die Möglichkeiten dazu gibt es. Wir haben im Beispiel von Berlin und Brandenburg gesehen, wie schwierig das ist. Von daher sehen wir aus der Sicht von Nordrhein-Westfalen auch angesichts der Größe und Leistungskraft unseres Landes diese Diskussion gelassen. Das ist ein Thema, das uns vom Grundgesetz von 1949 mitgegeben ist. Ich habe da keine Illusionen. Ich glaube nicht, dass das so schnell kommen wird.

    Remme: Jochen Dieckmann war das, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen von der SPD. Herr Dieckmann, vielen Dank!