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NRW geht mit gutem Beispiel bei der Ausbildungsplatzabgabe voraus

Durak: Wie du mir, so ich dir – gegenseitig wird gedroht in Sachen Ausbildungsplatzabgabe. Wenn die Bundesregierung mit einer solchen ernst mache, drohen DIHK und BDA, dann wird es kein duales Ausbildungssystem mehr geben, dann kann der Staat eben alles alleine machen. Nicht überall herrscht diese Art von Konfrontation, in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, Musterländle mit Ausbildungsplatzkonsens zwischen Landesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaft. Guten Beispielen soll man Bühne geben, soll hiermit geschehen, am Telefon ist also Reiner Nolten, er ist Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages und das ist die Dachorganisation der nordrhein-westfälischen Handwerkskammern. Guten Morgen.

    Nolten: Schönen guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Was läuft bei Ihnen in NRW anders als anderswo?

    Nolten: Zunächst einmal gehen wir gemeinsam, Politik und Wirtschaft, hin und versuchen, Unternehmen zu motivieren, zusätzlich auszubilden oder erstmals auszubilden. Wir wenden uns dabei besonderen Branchen oder Betriebsgruppen zu. In NRW haben wir in den letzten Jahren erreicht, dass viel mehr ausländische Unternehmer, die sich hier selbstständig gemacht haben, auch ausbilden, die dieses System von zuhause gar nicht kannten. Dann machen wir zum 30.9. einen Stichtag und stellen fest, welchem Jugendlichen noch kein Angebot gemacht wurde. Es ist nicht die Frage, welcher Jugendliche noch keinen Ausbildungsplatz hat, denn manche lehnen sie auch ab oder treten sie nicht an, sondern wer kein Angebot hat. Und um diese Jugendlichen kümmern wir uns dann gemeinsam. In 16 regionalen Kosensrunden gehen wir dann hin und bieten den Jugendlichen Checks an, das heißt ein Träger der beruflichen Bildung geht mit dem Jugendlichen einen ganzen Tag seine Neigungen dun Fähigkeiten durch.

    Durak: Das sind ja Vorzugsbehandlungen.

    Nolten: Das ist richtig, wobei wünschenswert wäre, wenn wir das jedem Schüler anbieten könnten und zwar schon in der Schule, denn die meisten Schüler beschäftigen sich erst im letzten halben Jahr vor dem Zeugnis mit ihrer Berufswahl, manche sogar erst, wenn sie das Zeugnis in der Hand haben. Durch diese Checks schaffen wir es dann, dass tatsächlich danach - ich nehme mal das Beispiel des letzten Jahres: Ende September waren 6000 Jugendliche in NRW ohne Angebot - diese Zahl haben wir bis Jahresende auf unter 2000 drücken können, die anderen haben dann tatsächlich einen Ausbildungsplatz gehabt. Bis heute haben wir diese Zahl auf 200 reduzieren können und auch um den Rest kümmern wir uns. Jeweils in der Region vor Ort wird jedem nach dem Check ein Praktikum angeboten – wer diesen Check antritt, leider erscheinen auch einige nicht. Wer das Praktikum durchläuft bekommt anschließend auch ein Angebot, das ist das Versprechen, das die Wirtschaft in NRW gemacht hat und das sie bis heute seit 1996 dann auch jedes Jahr eingehalten hat.

    Durak: Wie kommt es denn, dass das bei Ihnen so gut klappt im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik und anderswo gar nicht?

    Nolten: Ich will nicht sagen, dass Unterschiede zwischen dem größten Bundesland und den anderen Ländern liegen, ich muss auch hier von großen regionalen Unterschieden reden. Wenn wir sagen, im Moment sind es noch 200 Jugendliche, denen wir Angebote machen müssen, dann beschränken die sich auf drei Städte in NRW und anderswo ist die Sache seit Monaten geregelt. Das heißt, es ist schon eine große Frage der wirtschaftlichen Lage. Nur gehen wir eben gemeinsam mit dem Land und das Land nimmt dafür auch Geld in die Hand und unterbreitet Angebote. Ein besonderes Beispiel ist für die Jugendliche, die am Markt nicht klarkommen wegen ihrer Qualifikation oder aus anderen Gründen, ist das Land hingegangen und hat die partnerschaftliche Ausbildung angeboten. Das bedeutet - nur für diese Unversorgten - sie bekommen ein Angebot einer Bildungsstätte, die kümmert sich um den Jugendlichen, schließt den Vertrag, besorgt den Betrieb und ein Jahr der dreijährigen Ausbildung findet in der Bildungsstätte statt um gewisse Defizite noch auszugleichen. Das kann zu Beginn der Ausbildung sein und die letzten beiden Jahre im Betrieb, es kann aber auch erst mal ein halbes Jahr sein und dann noch mal vor der Zwischen- und Abschlussprüfung.

    Durak: Lassen Sie uns einen Blick über den nordrhein-westfälischen Tellerrand hinaus werfen. Was halten Sie von der Drohung einer Ausbildungsplatzabgabe per Gesetz zu verordnen bundesweit?

    Nolten: Ich nehme das Beispiel der Behindertenabgabe. Das ist die Gelegenheit, sich aus etwas herauszukaufen, wo wir bisher unsere Betriebe in die Verantwortung genommen haben und es ist wesentlich leichter, sich herauszukaufen, weil die Abgabe nach Einplanung ja auch niedriger wäre, als was eine Ausbildung kostet. Ich betreibe ja die Anstrengung, dass wir es häufig mit gering Qualifizierten zu tun haben, wir haben darüber hinaus auch in weiten Teilen unseres Landes, wo wir Ausbildungsstellen nicht besetzen können. Die Betriebe werden dann noch zusätzlich bestraft.

    Durak: Diese Abgabe wollen die Firmen auch gar nicht, sondern Teile der Bundesregierung.

    Nolten: Das ist der Fehler und vielleicht sieht man sich einmal die Baubranche an, die eine solche Abgabe intern hat und trotzdem gibt es dort im Schnitt weniger Lehrstellen als in der restlichen Wirtschaft, was zeigt, dass nicht die Abgabe die Wirkung hat, sondern die wirtschaftliche und strukturelle Lage.

    Durak: Und was halten Sie von der Drohung aus der Wirtschaft, das duale System so abzuschaffen, wie es jetzt besteht?

    Nolten: Das wäre die faktische Folge. Heute ist es so: von den Kosten der Ausbildung, mal abgesehen vom Lehrgeld, trägt die Wirtschaft den absolut überwiegenden Anteil. Als Beispiel: Wir haben die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung im Handwerk, zu dem unsere Betriebe ein Drittel der Kosten selbst zahlen. Wir haben die Kosten im Betrieb, alle Kosten außerhalb der Berufsschule trägt der Betrieb. Warum soll er sich diese zusätzlichen Kosten noch aufhalsen, wenn er sich durch eine Abgabe freikaufen kann. Das ist keine Drohung, dass wir unseren Betrieben empfehlen würden, das duale Bildungssystem zu beende. Um Gottes Willen nicht, ich halte es weiterhin für das beste Bildungssystem der Welt, aber de facto wird es dadurch kaputtgemacht.

    Durak: Sie vertreten einen Stand, den Mittelstand, das Handwerk, der am meisten ausbildet in Deutschland und die großen Unternehmen bedienen sich sehr gerne bei Ihnen und Ihren Betrieben mit gut ausgebildeten Leuten, selber nichts einbringen aber sozusagen den Erfolg davontragen. Sollten Sie sich nicht besser auch mit den Großen anlegen?

    Nolten: Ich teile Ihre Auffassung, dass manche großen Unternehmen zu wenig ausbilden aber Tatsache ist, dass wir die Schwierigkeiten unabhängig von der Betriebsgröße hier nach regionalen Aspekten. Wir haben ein Problem in Gelsenkirchen, Ausbildungsplätze zu finden, aber keines, welche in Düsseldorf zu finden. Unabhängig von groß und klein. Ich glaube nicht, dass wir das durch eine Ausbildungsplatzabgabe ausgleichen können, und wir müssen auch sehen, dass wir viele Handwerksberufe haben, die leider noch immer trotz besser werdender Maschinen körperlich belastend sind, dass die Menschen häufig auch in die größeren Betriebe wechseln, wenn sie älter werden, so dass das auch eine ganz natürliche Entwicklung ist.

    Durak: Vielen Dank. Das war Reiner Nolten, er ist Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages und das ist die Dachorganisation der nordrhein-westfälischen Handwerkskammer.

    Nolten: Herzlichen Dank, Frau Durak.