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NRW-Gesundheitsminister hegt starke Vorbehalte gegen Gesundheitsreform

Die CDU-geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat weiter Vorbehalte gegen die Gesundheitsreform. Die Entscheidung über die Versorgungssicherheit müsse bei den Ländern bleiben, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Der Bund könne nicht entscheiden, wie viele Fachärzte in einer Region tätig sein dürften. Außerdem bestehe man auf Änderungen bei den Sparzielen für die Krankenhäuser.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Herr Laumann, die Sachverständigen Rürup und Wille werden heute also ihr Gutachten vorlegen über die finanziellen Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Länder. So viel hat Herr Rürup schon verraten, die Befürchtungen der Länder sind weitgehend unbegründet, die Zahlen, auf die sie sich berufen, seien überdimensioniert. Genau das war aber eines der zentralen Argumente auch Ihres Landes gegen die Reform. Kann also gut sein, dass Ihre Bedenken heute Mittag ausgeräumt sind?

    Karl-Josef Laumann: Ich will kein Gutachten kommentieren, was noch gar nicht veröffentlicht ist und was wir auch noch gar nicht auswerten konnten. Es ist ja immer wichtig, dass man bei Gutachten auch die Annahmen kennt und die Rechenwege kennt, um die Seriosität von Annahmen egal welches Gutachtens überhaupt zu beurteilen.

    Klein: Sollten sich die Andeutungen von Rürup heute auch mit Zahlen bestätigen, dann wäre das Hauptargument ausgeräumt?

    Laumann: Nein, es ist ja so, dass Nordrhein-Westfalen ein sehr solides Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts vorgelegt hat. Wir haben die Rechenwege aufgezeigt, und wir kommen zu dem Ergebnis, dass Nordhrein-Westfalen durch einen Gesundheitsfonds mit 142 Millionen Euro mehr belastet wird. Wir haben damit die Zahlen von Bayern im übrigen nicht bestätigt. Warten wir mal ab, wer am Ende das solidere Gutachten hat. Das ist, finde ich, viel zu früh zu beurteilen. Wichtig ist, dass die Auswirkungen des Fonds auf die Bundesländer gerechnet wird, denn das ist bei den Eckpunkten abgemacht worden, damit man vor einer Zustimmung zu diesem Gesetz oder vor einer Ablehnung zu diesem Gesetz genau weiß, was stimmt man da eigentlich zu.

    Klein: Es bleibt aber dabei, jeder glaubt dem Gutachten, das der eigenen Berechnung, Vorstellung am nächsten kommt?

    Laumann: Nein, darum geht es ja nicht. Es geht ja darum, dass man ganz eindeutige Annahmen treffen muss, um diese Frage auszurechnen, und das kann man, glaube ich, schon objektiv bewerten. Im Übrigen hätte Ulla Schmidt sich sehr viel Ärger erspart, was diese Zahlendebatte angeht, wenn sie dieses Gutachten unmittelbar nach den Eckpunkten vorgelegt hätte. Erst da, wo die Länder mit eigenen Gutachten gesagt haben, das und das kommt doch wahrscheinlich auf uns zu, ist sie jetzt ja wach geworden und legt ein Gutachten vor. Wie gesagt, ich will ein Gutachten nicht bewerten, was es ja noch gar nicht gibt.

    Klein: Der ganze Verweis auf Zahlen greift doch aber allein deshalb nicht, weil es ja bereits eine Konvergenzklausel gibt, die besagt, mehr als 100 Millionen Euro wird kein Land verlieren. Was viele nicht verstehen, weshalb ist denn für Sie so wichtig, wie hoch die Belastung theoretisch wäre, wenn sie praktisch nur bis zu dieser Grenze reicht?

    Laumann: Also erstmal heißt diese Konvergenzklausel 100 Millionen Euro pro Jahr, das heißt, dass es über eine Zeitschiene diese weiteren Belastungen der West-Länder und insbesondere Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen geben wird, und der zweite Punkt ist, es gibt ja andere Punkte, die wir an diesem Gesetz kritisieren. Schauen Sie, der Bundesrat hat kurz vor Weihnachten über 100 Änderungsanträge zu diesem Gesetz verabschiedet, ganz viele davon im Übrigen in Übereinstimmung zwischen so genannten SPD-geführten Ländern und CDU-geführten Ländern. Es geht bei dieser Gesundheitsreform auch um Länderinteressen, ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Es geht natürlich darum, dass wir in den Ländern auch Einflussmöglichkeiten im Gesundheitssystem etwa über die Frage der Versorgungssicherheit behalten, also ob in bestimmten Regionen in NRW genug Augenärzte sind, das muss schon noch eine Frage der Landespolitik bleiben. Alle diese Dinge finden wir in dem Gesetzesentwurf nicht wieder, die uns zugesagt worden sind, und deswegen ist dieser Gesetzesentwurf zur Zeit aus Sicht der Länder auf jeden Fall in vielen Details erheblich renovierungsbedürftig.

    Klein: Nordrhein-Westfalen sagt, Sie legen sich noch nicht fest, wie Sie im Bundesrat abstimmen werden. Nennen Sie uns ein, zwei Punkte, von denen Sie Ihre Zustimmung abhängig machen werden.

    Laumann: Also ich will Ihnen einen Punkt nennen, der ganz entscheidend ist. Nordrhein-Westfalen hat den niedrigsten Basis-Fallsatz für Krankenhäuser, das heißt, in Nordrhein-Westfalen kriegen die Krankenhäuser für ihre medizinische Leistung in Deutschland mit am wenigsten Geld. Wir sind nicht in der Lage, diese Einsparungen bei den Krankenhäusern, die für Nordrhein-Westfalen 150 Millionen bedeuten, zu bringen. Das habe ich von Anfang an deutlich gemacht, und wenn man dieses nicht wahrnimmt, das ist in einem Land wie Schleswig-Holstein ähnlich, in Berlin, dann muss man darüber reden und versuchen, dass man eben Unmögliches zumindest nicht verlangt. Ein weiterer Punkt ist, ich habe es eben schon angesprochen, wir haben uns bei der Gesundheitsreform darauf verständigt, dass wir Länder in der Aufsicht der Krankenkassen über die Zeit an Rechten verlieren, aber dafür in der Aufsicht über die Versorgungssicherheit an Rechten gewinnen. Der eine Teil steht im Gesetz, nämlich dass wir Rechte verlieren, der andere Teil steht nicht drin. Also das muss zum Beispiel unbedingt rein, sonst haben Sie als Landesgesundheitsminister in einigen Jahren überhaupt keine Möglichkeit mehr, die Versorgungssicherheit in ihrem Land mit ärztlicher oder auch krankenhauslicher Versorgung zu garantieren. Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen. Es kann nicht sein, dass über eine Frage der Beitragserhöhung, und so viel Geld, wie es im Gesundheitssystem ist, hat ja auch mit der Versorgungslage zu tun, ausschließlich die Bundesebene entscheidet. Bei allen anderen Sozialversicherungen geht das auch durch den Bundesrat, also auch hier haben wir zum Beispiel einen dritten Punkt, wo wir sagen, wenn es also bei der Rentenversicherung seit eh und je so ist, dass man die Beiträge festlegt in einem Verfahren zwischen Bundesregierung und Bundesrat, warum denn nicht demnächst bei der Krankenkasse.

    Klein: Haben Sie eigentlich den Eindruck, dass alle politischen Akteure diese Reform noch wollen oder ist das unausgesprochene Ziel eben doch, so lange Hinauszögern, bis die nächste Legislaturperiode in Sicht ist und beide Seiten mit ihrem jeweils eigenen Konzept sich wieder im Bundestagswahlkampf gegeneinander profilieren können?

    Laumann: Ich glaube, das ist zumindest nicht das Ziel, was ich verfolge. Ich verfolge, dass wir eine Gesundheitsreform hinkriegen, die auch am Ende funktioniert. Es gibt bei dieser Gesundheitsreform viele Elemente, die sind in Ordnung, und ich persönlich bin auch der Meinung, dass die Frage eines zum Beispiel Zusatzbeitrages in einer bestimmten Höhe uns erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen zu den bisherigen Möglichkeiten gibt. Also es gibt auch viele gute Seiten, und ich glaube, wenn man mit etwas Vernunft und auch mit etwas Realitätssinn zwischen Bund und Ländern miteinander umgeht, dann ist das Problem lösbar. Ich glaube auch, dass es in den nächsten 14 Tagen, drei Wochen zu einer Lösung der offenen Fragen kommen wird. Deutschland braucht diese Gesundheitsreform, unser Gesundheitssystem braucht die Gesundheitsreform, aber eben nicht in jedem Detail so, wie sie heute festgelegt worden ist.