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NRW-Grünen wollen Koalition mit SPD fortsetzen

Heinlein: Man kennt sich seit Jahren, hat vieles gemeinsam erlebt, doch irgendwie klappt es nicht mehr miteinander. Der eine Partner fühlt sich eingeengt und will mehr Freiheit, schielt deshalb schon einmal nach links und rechts, während der schwächere in der Beziehung trotzig ist und nicht immer kleinbeigeben will. Zerrüttung ist wohl das richtige Wort, um den Zustand der rot-grünen Koalition in NRW zu beschreiben. Seit Ende Mai hangelt sich das Bündnis von Krise zu Krise, mal geht es besser, mal schlechter. In dieser Woche nun soll Klarheit geschaffen werden, ob es eine gemeinsame Zukunft gibt. In drei Verhandlungsrunden sollen bis Freitag die strittigen Themen abgearbeitet und dann entschieden werden. Gestern abend nun der Auftakt, mit dabei der Landesvorstandssprecher der nordrhein-westfälischen Grünen Frithjof Schmidt, guten Morgen.

    Schmidt: Guten Morgen.

    Heinlein: Herr Schmidt, es habe einen sehr offenen Meinungsaustausch gegeben, so haben Sie in der Nacht nach dem Treffen erklärt. Heißt das übersetzt, Sie haben sich kräftig gestritten?

    Schmidt: Nein, das heißt es nicht. Nur, sage ich mal, es gab auch Konflikte, natürlich haben wir auch strittige Standpunkte ausgetauscht, aber es geht ja im Augenblick darum, dass wir eine dramatische Haushaltssituation haben, der Finanzminister hat ein sehr ungeschminktes Bild der Lage gezeichnet, das auf weitgehende Zustimmung auf beiden Seiten getroffen ist. Wir haben uns sehr offen darüber unterhalten, welche Maßnahmen in Frage kommen, um den Haushalt zu sanieren und wir haben über ein Konfliktthema, ein Großthema gesprochen, nämlich den Bereich Mobilität.

    Heinlein: Aber eine Entscheidung, ob es weitergeht mit der Koalition, ist noch nicht gefallen?

    Schmidt: Nein, das kann auch noch nicht so sein, denn wir haben eine Reihe von Arbeitsgesprächen vereinbart, wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass unser Koalitionspartner, die SPD, seit Wochen gesagt hat, sie befindet sich in einer Orientierungsphase, sie wolle überprüfen, ob sie diese Koalition fortsetzen wolle. Für uns war nie so ganz klar, worum es dabei konkret geht, deshalb haben wir gesagt, lasst uns eine Reihe von Arbeitsgesprächen machen, die konkreten Punkte durchgehen und dann schauen, ob wir da auf der bisherigen Grundlage des Koalitionsvertrages einen Arbeitsplan bis 2005 entwickeln können, mit dem beide Partner meinen, dass sie die kommenden Wahlen erfolgreich bestehen können.

    Heinlein: Wissen wir denn am Freitag, ob es weitergeht mit der Koalition in Düsseldorf?

    Schmidt: Wir streben an, am Freitag die Gespräche abzuschließen. Aber Sie wissen, bei solchen Verhandlungen geht es auch um Details. Es kann durchaus sein, dass wir am Freitag feststellen, dass wir noch etwas mehr Zeit brauchen, aber unser Ziel ist es erst mal, dies am Freitag abzuschließen.

    Heinlein: Ihr Ministerpräsident Steinbrück sagte gestern nacht, er halte das Zustandekommen eines gemeinsamen Konzeptes nicht für ausgeschlossen, aber auch nicht für sicher. Das hört sich nicht sehr optimistisch an, sind Sie persönlich besserer Dinge?

    Schmidt: Nein, ich würde die Beschreibung von Herrn Steinbrück teilen. Wir haben in den bisherigen Gesprächen wie gesagt eine Reihe von Übereinstimmungen festgestellt und wir führen diese Gespräche ja mit der politischen Absicht, die Koalition fortzusetzen, das ist für uns Grüne ganz klar. Auf der anderen Seite, ich habe es gesagt, haben wir auch eine Reihe von Konfliktpunkten, wo wir bisher keine Übereinstimmung erzielen konnten und wo sich eine Lösung zumindest momentan auch noch nicht abzeichnet. Und insofern ist es völlig richtig, die Gespräche sind noch ergebnisoffen.

    Heinlein: Zu diesen Knackpunkten, Streitpunkten gehörte gestern abend ja das Thema Verkehr. Sind denn die Grünen bereit, die Risikobürgschaft für den Metrorapid mitzutragen?

    Schmidt: Wir haben immer klargemacht: es gibt einen gemeinsamen Beschluss der beiden Regierungsparteien, dass wir sagen, wir wollen diesen Metrorapid realisieren, aber das Land darf nicht ins wirtschaftliche Risiko gehen. Angesichts der dramatisch verschlechterten Haushaltslage ist dieser Beschluss, der gerade mal ein Jahr alt ist, richtiger denn je und wir wollen an ihm festhalten. Die Frage ist, ob die SPD ihn aufkündigen möchte.

    Heinlein: Sieht das Peer Steinbrück genauso?

    Schmidt: Wir haben uns gestern darüber ausgetauscht und bei der SPD wird erwogen, ob nicht auch Bürgschaften ein Instrument sein können, aber wir sind noch nicht in dem Stadium, dass das im Sinne einer Aufkündigung etwa dieses Landtagsbeschlusses auf dem Tisch liegt.

    Heinlein: Wird der Düsseldorfer Flughafen ausgebaut? Ein weiterer Streitpunkt.

    Schmidt: Auch hier ist für uns eigentlich nicht ganz klar, worum der Streit gehen soll. Wir haben im Landtag ein Luftverkehrskonzept verabschiedet, übrigens einstimmig, also unter Zustimmung auch der Oppositionsparteien CDU und FDP, wo alle Fragen der Flughäfen behandelt worden sind, auch die Startbahnprobleme in Düsseldorf. Wir sind der Meinung, dass dieses Konzept vollständig ausreicht. Im Übrigen gibt es gerade, was Startbahnausbau in Düsseldorf betrifft, einen Vergleich mit den umliegenden Kommunen, die dagegen sind, der ist gerade von einem Gericht bestätigt worden, nachdem der frühere Ministerpräsident Clement versucht hat, diesen Vergleich aufzukündigen. Uns ist also nicht ganz klar, wo da eigentlich Handlungsmöglichkeiten für das Land liegen sollen. Wir sehen da keine Notwendigkeiten, wir wollen eigentlich auf dem Luftverkehrskonzept, so wie es ist, weiter beharren und sagen, das wollen wir umsetzen.

    Heinlein: Also keine Klarheit, Herr Schmidt, wenn ich Sie verstehe, beim Thema Metrorapid und beim Ausbau des Düsseldorfer Flughafens. Wie steht es denn um die umstrittenen Autobahnen?

    Schmidt: Auch da gibt es ein geregeltes Verfahren, das wird im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes angemeldet. Es gibt Autobahnen, die in der Diskussion sind, durch die Bundesregierung im Bundesverkehrswegeplan gibt es auch einen Naturschutzvorbehalt und das heißt, das prüft jetzt das Bundesamt für Naturschutz und das ist dafür zuständig. Wir sehen keine weiteren politischen Interventionsnotwendigkeiten und -möglichkeiten.

    Heinlein: Also drei Punkte, in denen Sie sich nicht einig sind mit der SPD. Warum wollen Sie denn dann weitermachen mit den Sozialdemokraten?

    Schmidt: Wir glauben, dass die Frage von ein oder zwei Autobahnen oder einem Luftverkehrskonzept, was einstimmig im Landtag verabschiedet wurde oder im Bereich des Metrorapid, wo wir einen gemeinsamen Landtagsbeschluss haben, wir glaube, dass das eine ausreichende Grundlage ist. Für uns ist die Frage, warum stellen die Sozialdemokraten in den Raum, dass sie diese gemeinsamen Grundlagen, die zum Teil erst ein Jahr alt sind, wieder in Frage stellen wollen. Das ist für uns nicht einsichtig und das muss in den Gesprächen geklärt werden.

    Heinlein: Ein weiteres Thema, über das noch geredet werden soll, sind die Kohlesubventionen. Hier hat Bärbel Höhn ja direkt ein paar Pflöcke eingehauen und gesagt, es muss definitiv Schluss sein 2010 mit den Subventionen. Ist dies für Sie verhandelbar oder ist es tatsächlich 2010 Schluss und aus?

    Schmidt: Das ist unsere Position, wir sagen klar, gerade auch angesichts der schwierigen Haushaltslage des Landes, müssen wir über Subventionsabbau sprechen. Dies ist einer der größten Brocken und unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes ist es völlig unsinnig, dass wir hochsubventioniert Kohle abbauen, Arbeitsplätze mit zigtausend Euro subventionieren, wo wir die Kohle auf dem Weltmarkt sehr viel billiger kaufen können. Das macht also unter Klimaschutzgesichtspunkten und unter denen des Subventionsabbaus keinen Sinn. Wir sind natürlich bereit, darüber Gespräche zu führen, wir argumentieren hier nicht mit Knackpunkten oder Ultimaten, unsere Position ist erst mal ganz klar, dass es eigentlich ein völlig sinnloses Konzept ist, den Bergbau nach 2010 in Deutschland fortzuführen.

    Heinlein: Welcher Zeitpunkt für ein Ende der Kohlesubventionen wäre denn für die Grünen akzeptabel, 2015, 2020, 2025 oder noch später?

    Schmidt: Wir sagen ja, 2010 sollte das unseres Erachtens auslaufen. Das deckt sich auch mit den Positionen der EU-Kommission, die sagt, Stillegungsbeihilfen werden nur bis 2007 gezahlt und 2010 sollten solche Subventionen europaweit auslaufen. Die Position teilen wir.

    Heinlein: Nun wirft Ihnen der SPD-Fraktionschef Moron gerade in diesem Punkt eine doppelbödige Politik vor: nach innen würden die Grünen sich kompromissbereit zeigen, nach außen aber eine harte Tour fahren. Was ist denn der Grund für diese Doppelstrategie Ihrer Partei?

    Schmidt: Das ist überhaupt keine Doppelstrategie. Ich verstehe nicht, wie er auf dieses schmale Brett gekommen ist. Ich habe nach den letzten Gesprächen, wo auch Energiepolitik eine Rolle gespielt hat, sehr deutlich gesagt, dass wir an unserer bisherigen Position festhalten. Wieso er das so missverstehen kann, bleibt sein Geheimnis.

    Heinlein: Frage zum Schluss, Herr Schmidt. Wie groß ist denn der Druck aus Berlin von ihrem Bundesverband, ihrem Minister, die Koalition mit der SPD in Düsseldorf aufrechtzuerhalten?

    Schmidt: Es gibt keinen Druck aus Berlin. Selbstverständlich haben die Freunde in Berlin ein Interesse daran, dass die rot-grüne Koalition im größten Bundesland fortgesetzt wird. Dieses Interesse haben wir Grünen in NRW auch. Aber es ist auch ganz klar, dass die Entscheidungen hier in NRW fallen und die Bundespolitiker haben uns auf unserem Bundesparteitag auch ganz öffentlich den Rücken gestärkt. Insofern gibt es hier keinerlei Gegensätze zwischen Bundes- und Landesverband der Grünen.

    Heinlein: Spielt das für Sie überhaupt eine Rolle in Ihren Überlegungen, welche Signale ein mögliches Platzen der Koalition für die Bundesregierung haben könnte?

    Schmidt: Selbstverständlich spielt es für uns eine Rolle, ob es Rückwirkungen auf die Bundeseben gibt. Das ist ein Element, das muss man immer mitbedenken, denn für uns Grüne ist das gemeinsame rot-grüne Projekt in Berlin eine ganz wichtige Sache. Auf der anderen Seite regieren wir in NRW, wir müssen die Probleme NRWs lösen und deswegen müssen die Dinge hier vor Ort entschieden werden.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute morgen der Sprecher der NRW-Grünen Frithjof Schmidt. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schmidt: Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio