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NRW-Ministerpräsident Rüttgers weiter gegen Emissionshandel-Gesetz

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) lehnt das geplante Gesetz zum Emissionshandel weiterhin ab. Damit würde der Kohleabbau massiv benachteiligt, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Gerade dieser Energie-Sektor brauche aber dringend Geld für Investitionen in moderne und emmissionsärmere Kraftwerke.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der Bundestag entscheidet heute über den umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Emissionshandel in den Jahren 2008 bis 2012. Danach müssen die Energieversorger und Industrieunternehmen in diesem Zeitraum ihren CO2-Ausstoß deutlich stärker reduzieren als in der laufenden ersten Handelsperiode, die in diesem Jahr endet. Knapp neun Prozent der Zertifikate sollen zudem nicht mehr kostenlos zugeteilt, sondern verkauft oder versteigert werden. Das Kohleland NRW hat Widerstand angekündigt und will im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen. Ich habe den Ministerpräsidenten des Landes NRW, Jürgen Rüttgers, vor der Sendung gefragt, was er mit dem Widerstand gegen das Gesetz eigentlich erreichen will?

    Jürgen Rüttgers: Nordrhein-Westfalen tritt für eine saubere Umwelt ein, wir wollen, dass die Braunkohlekraftwerke und die Steinkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen erneuert werden, da soll eine große Investition von acht Milliarden Euro und mehr erfolgen, um die alten Kraftwerke, die ja besonders viel CO2 emitieren, zu ersetzen durch neue, hochmoderne Kraftwerke. Damit haben wir eine bessere Ausnutzung der Kohle, das heißt, das schont die Ressourcen, und wir erreichen einen massiven Beitrag zu einer besseren Klimasituation. Sofern haben wir kein Verständnis dafür, dass jetzt mit den neuen Regeln, die in Berlin verabredet worden sind, die Steinkohle und die Braunkohle massiv benachteiligt wird. Ich möchte einfach nur sagen: Wenn wir wirklich das CO2-freie Kraftwerk entwickeln wollen - und das brauchen wir, nicht nur in Deutschland, sondern wir brauchen es überall auf der Welt, wenn Sie sehen, wie viele Kohlekraftwerke etwa in China zur Zeit gebaut werden - dann müssen wir jetzt in moderne Kraftwerke investieren und das ist noch ein langer technischer Weg, und wer jetzt die Neuinvestitionen behindert, der schädigt die Umwelt. Das ist mein Vorwurf an den Bundesumweltminister Gabriel.

    Klein: Was genau stört Sie an dem Gesetzentwurf, was genau muss geändert werden?

    Rüttgers: Dieses Gesetz hat zwei gravierende Grundsatzfehler. Das eine: Es führt zu massiven, finanziellen Umverteilungen, die dann fehlen bei den Investitionen. Der zweite Punkt ist, dass Braunkohle nun mal so ist wie sie ist. Die kann ich nicht gleich behandeln und sie wird jetzt, ähnlich wie die Steinkohle, schlechter behandelt als andere Energien, das ist nicht fair.

    Klein: Noch mal die Frage danach, in Zahlen ausgedrückt: Was wünschen Sie sich, soll im Gesetz drinstehen?

    Rüttgers: Ich glaube, dass wir für die einzelnen Energiepfade angepasste Wege auch beim Emissionsschutz brauchen. Es kann nicht sein, dass das, was wir an Einsparungen wollen, jetzt hauptsächlich von der Braunkohle erfolgen soll und andere Bereiche, - angefangen von der Wärmesituation, über die Situation der nicht gedämmten Häuser, über den Verkehr - dadurch entlastet werden sollen, dass das jetzt vorrangig von der Braunkohle getragen werden soll.

    Klein: Welche Rolle spielen die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen, die an der Braunkohle und an der Steinkohle hängen für Sie?

    Rüttgers: Ja, die haben natürlich eine massive Bedeutung. Wir brauchen diese Fachleute, die heute im Bereich der Kohle sind. Wir brauchen die Ingenieure, die solche Kraftwerke bauen und entwickeln können, auch wenn wir insgesamt die Umweltsituation bei der Energieversorgung verbessern wollen.

    Klein: Stichwort Arbeitsplätze. Herr Rüttgers, Sie haben sich einst - vielleicht nicht ganz ernst gemeint, aber doch ist das Bonmot immer wieder kolportiert worden - bezeichnet als den "Führer der Arbeiterpartei" in Nordrhein-Westfalen. Jetzt frage ich Sie mal: Die Frage eines Mindestlohnes zum Beispiel ist Thema für viele Arbeiter, zumindest für viele arbeitende Menschen. Wie erklären Sie jemandem, dass die Union einen gesetzlichen Mindestlohn in der Breite verhindert hat? Wie machen Sie dem Arbeiter klar, dass er dennoch die CDU zu wählen hat?

    Rüttgers: Ein gesetzlicher Mindestlohn zerstört über 600.000 Arbeitsplätze. So was kann kein Mensch wirklich verantworten. Was wir brauchen ist, dass wir Arbeitsbedingungen und Tarifbedingungen bekommen, in denen man für gute Arbeit auch gutes Geld verdient. Ich will, dass jemand, der anständig arbeitet, auch seine Familie von seinem Lohn ernähren kann. Ich will aber nicht, dass die Politik Löhne festlegt. Ich finde es eine furchtbare Vorstellung, es ist übrigens auch ein massiver Verlust an Freiheit und Selbstständigkeit der Arbeitnehmerschaft, wenn die Politik anfängt, Löhne festzulegen. Da haben wir ja ein kluges System in Deutschland, wir haben die Tarifautonomie, wir haben Tarifverträge, da werden von Arbeitgebern und Gewerkschaften Kompromisse gemacht, wie gerade bei der Telekom zu sehen, trotz unterschiedlichster Ausgangssituationen kommt man zu einem guten Ergebnis. Bei der Telekom übrigens ungeheuer wichtig, dass dieses zentrale Zukunftsunternehmen jetzt eine gute Basis für die weitere Entwicklung hat. Und wer mit Mindestlöhnen, das heißt, mit politischen Entscheidungen, da reinarbeitet, der beeinträchtigt dieses System, deshalb halte ich das für falsch. Die Lösung heißt: Tarifverträge. Die Lösung heißt: Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Wir haben ja hier in Nordrhein-Westfalen gezeigt, was man damit erreichen kann, durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, etwa im Bereich des Wachgewerbes, etwa im Bereich der Gastronomie. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Kellner mehr, die unter 5,34 Euro verdienen, das heißt, das geht mit Zustimmung der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Insofern bin ich mit dem Kompromiss in der Koalition sehr, sehr zufrieden, ...

    Klein: Herr Rüttgers, es gibt vielleicht Menschen, die sind damit nicht zufrieden und wünschen sich zur Verbesserung ihrer Situation halt doch eine Entscheidung der Politik, eben doch den gesetzlichen Mindestlohn. Wer sich das wünscht, weil er sich bessere Lebensverhältnisse davon verspricht, der muss die Linkspartei wählen, die in dieser Frage am weitesten geht. Ist das ein Problem für Sie?

    Rüttgers: Also, erstens glaube ich, dass man denjenigen, die diesen Wunsch haben, erklären kann, warum Mindestlohn der falsche Weg ist und die Linkspartei, die ... glaube ich nicht, dass die da irgendeinen realen Beitrag zu leisten kann, weil das in Wahrheit eine Truppe ist, die auf der Basis des Wissens des vorletzten Jahrhunderts versucht, Politik zu machen. Die Linkspartei ist zuerst mal ein Problem der SPD, weil das, um es mal historisch zu sagen, eine Spaltung der Arbeiterbewegung bedeutet, übrigens das zweite Mal innerhalb von 20 Jahren, wenn Sie daran denken, dass die Grünen ja auch in weiten Teilen eine Abspaltung aus der SPD sind. Das ist das Thema, was die CDU interessiert, ob wir in Zukunft ein System von Volksparteien haben, die in der Lage sind, auch Kompromisse zu machen miteinander wie auch innerhalb der eigenen Parteien. Für die CDU bedeutet das, dass sie für die nächsten Wahlen, für die nächsten nationalen Wahlen, eine Situation herbeiführen muss, dass sie selber 40 Prozent plus X bekommt, damit es mit der FDP reicht.

    Klein: Die große Koalition wollte den großen Wurf, oftmals kommt am Ende, wie bei einigen Entscheidungen, der kleinste gemeinsame Nenner heraus. Nach Gesetzeslage müssen wir bis 2009 mit dieser Koalition weiterleben. Für wie gesund halten Sie diese Politik?

    Rüttgers: Also, ich glaube, dass die große Koalition mehr gemacht hat als nach außen wirklich wahrgenommen wird. Die Lage ist da besser als der Ruf. Das hat aber damit zu tun, dass die SPD von der Rolle ist, dass etwa nach der Koalitionsvereinbarung von Montag führende SPD-Leute wie Beck und Müntefering sagen, wir haben zwar einen Kompromiss erzielt, aber der ist schlecht. Wenn man so etwas macht, dann muss man sich nicht wundern, dass die Leute das auch nicht gut finden. Die große Koalition muss ihren Auftrag erfüllen. Sie hat den Wählerauftrag, sie muss ihn erfüllen. Ich persönlich gehe davon aus, ich sehe auch gar nicht, wie das anders sein könnte, dass diese Koalition bis zur Bundestagswahl beieinander bleibt. Dann wäre es allerdings gut, wenn wir dann wieder eine bürgerliche Partei von CDU, CSU und FDP bekommen. Bekanntermaßen werden grundlegende Entscheidungen in Deutschland von solchen Koalitionen getroffen.