Übergriffe in Kölner Silvesternacht 2015/2016
NRW-Ministerpräsident Wüst erinnert an Opfer und gesellschaftliche Folgen

Zehn Jahre nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst an das Leid der Betroffenen erinnert. Die Ereignisse hätten bei ihnen und ihren Angehörigen tiefe Spuren hinterlassen, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

    Chaos im Schatten des Doms - Silvester 2015 in Köln
    Silvester 2015 in Köln (dpa / picture-alliance / Markus Boehm)
    "Wir sind heute in Gedanken bei den über tausend Opfern, vor allem den Frauen, die in der Kölner Silvesternacht sexuelle Gewalt erfahren mussten", sagte Wüst weiter. Diese Nacht habe die gesellschaftlichen Debatten spürbar verändert und politische Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Damals sei viel Vertrauen in den Rechtsstaat verloren gegangen.

    Hunderte Übergriffe größtenteils von Migranten

    In der Silvesternacht 2015/2016 war es im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs und des Doms zu zahllosen Übergriffen vor allem auf weibliche Besucher gekommen. Angezeigt wurden mehr als 1.000 Vorfälle - sowohl Sexual- als auch Körperverletzungs- und Eigentumsdelikte. Unter den Beschuldigten, die identifiziert werden konnten, waren überwiegend in Gruppen agierende Migranten aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum.
    Da die traumatisierten Frauen ihre nächtlichen Angreifer meist kaum beschreiben konnten, kam es am Ende zu relativ wenigen Verurteilungen. Der Fall, der auch international für Schlagzeilen sorgte, wurde von der Kölner Polizei aufgearbeitet und beschäftigte auch einen Untersuchungsausschuss des Landtags.

    Kritik an Kommunikation der Polizei

    Die Kölner Polizei trug damals zur Verwirrung bei, indem sie in Pressemitteilungen die Lage herunterspielte. Am Neujahrsmorgen war von einer "entspannten Einsatzlage" die Rede, die Meldung trug die Überschrift "Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich".
    Erst Recherchen von Regionalzeitungen führten zu einer anderen Darstellung durch die Behörden. Danach informierte auch die Polizei über das Ausmaß der Übergriffe, bestätigte, dass es sich zumeist um sexualisierte Gewalt gegen Frauen gehandelt habe - und dass die Täter laut Zeugenaussagen "nordafrikanisch Aussehende" gewesen seien.

    Vorwurf des "Schweigekartells"

    In der dann folgenden Berichterstattung gingen die Medien unterschiedlich mit Angaben zur Herkunft der Täter um. Aus der Politik kamen Vorwürfe, es würden Informationen bewusst unterschlagen. Der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach damals sogar von einem "Schweigekartell".
    Es gab zahlreiche Beschwerden beim Deutschen Presserat, dem Selbstkontrollorgan der deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Nach dessen Pressekodex war damals eine Nennung der Herkunft nur bei einem "begründbaren Sachbezug" zulässig - also wenn die Angabe für das Verständnis der Tat relevant war.

    Frühere Kölner Oberbürgermeisterin Reker spricht von Wendepunkt und gesteht Fehler ein

    Die damalige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat die Kölner Silvesternacht 2015/2016 als "Wendepunkt in der deutschen Aufnahmepolitik für Geflüchtete" bezeichnet. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte Reker: "Viele Menschen in Köln haben danach ihre Sorge vor Überforderung deutlicher und häufiger geäußert als vorher. Aber die Willkommenskultur hat sich nicht grundlegend verändert."
    Reker bezeichnete es im Nachhinein als Fehler, dass sie Frauen damals geraten habe, "eine Armlänge Abstand" zu halten. Auf einer Pressekonferenz nach der Silvesternacht hatte sie diesen Hinweis aus einer Broschüre über Partysicherheit für junge Frauen zitiert.

    Neue Sicherheitsarchitektur

    Ministerpräsident Wüst unterstrich, dass die Sicherheitsarchitektur in Bund und Land inzwischen grundlegend erneuert worden sei. Der Schutz von Frauen vor Gewalt und die konsequente Verfolgung sexualisierter Straftaten seien dabei eine zentrale Aufgabe. Wüst betonte, verlorenes Vertrauen könne man durch kluges und umsichtiges Handeln auch wieder zurückgewinnen. "So nehmen wir Populisten den Wind aus den Segeln."

    Was damals passiert ist

    Hier die wichtigsten Zahlen zu den Ereignisse in der Kölner Silvesternacht 2015/2016, zusammengestellt von der Katholischen Nachrichtenagentur KNA:
    - 1.210 Strafanzeigen bearbeitete die Ermittlungsbehörde.
    - 661 Personen gaben an, Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden zu sein.
    - 28 Fälle einer versuchten oder vollendeten Vergewaltigung wurden angezeigt.
    - 355 Beschuldigte konnten namentlich ermittelt werden, die meisten stammen aus Algerien oder Marokko.
    - Von 292 Ermittlungsverfahren wurden 117 wegen eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
    Einen ausführlichen Bericht einer Betroffenen können Sie hier nachlesen.
    Diese Nachricht wurde am 31.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.