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NRW-Wirtschaftsminister will flexible Arbeitszeit-Lösungen

Müller: Die geplante Abschaffung des Feiertags am 3. Oktober ist für die Koalition gründlich missglückt. Nun erhitzt die 40 Stunden Woche die Gemüter. SPD, Grüne und Gewerkschafter sind dagegen, Teile der Union, die FDP und zahlreiche Unternehmen sind dafür. Länger arbeiten, um einmal dadurch die Kosten zu senken, zum zweiten um wieder mehr zu produzieren, zu erwirtschaften, also auch eine Art Kompensation für einen Feiertag, der nun doch Feiertag bleiben soll. Es geht also darum, wie die Wirtschaft besser in Schwung gebracht und die Milliardenlöcher im Haushalt gestopft werden können. Milliardenlöcher im Budget der Bundesregierung, aber auch im Säckel der Landesregierungen. Rechenmodelle dafür gibt es derzeit sehr viele. Am Telefon sind wir nun mit Harald Schartau verbunden, Arbeits- und Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, SPD. Guten Morgen.

    Schartau: Schönen guten Morgen.

    Müller: Herr Schartau, gerechnet wird viel. Was würde es denn beispielsweise finanziell bringen, wenn alle Parteitage demnächst nur an Wochenenden wären?

    Schartau: Die Parteitage sind meistens - wenn Sie die regelmäßigen ansprechen - länger, aber darauf sind die Parteien schon gekommen, dass man am Wochenende Parteitage macht, um sich da auch einige Kosten zu sparen.

    Müller: Sind das alles Milchmädchenrechnungen, über die wir hier reden?

    Schartau: Ich glaube Vorsicht ist immer angesagt, wenn die Öffentlichkeit im Augenblick mit Patentrezepten überzogen wird. Eins dieser Patentrezepte, das allerdings mit großer Regelmäßigkeit immer wieder kommt ist, wir müssen alle länger arbeiten oder wir müssen eine 40 Stunden Woche arbeiten. Ich glaube im Augenblick ist eins angebracht, weil an Problemen niemand vorbeidiskutieren kann, dass Unternehmen für Unternehmen darüber Verhandlungen geführt werden, ob und wie man positioniert wird, wie die Zukunft der Arbeitsplätze ist und ob die Kostenstrukturen richtig sind, ob die Unternehmen eine richtige Innovationsstrategie fahren. Das kann man aber von Unternehmen zu Unternehmen machen, was ich auch ausdrücklich unterstütze. Ein Rezept, wo alles über einen Kamm geschert wird, wird uns dabei nicht weiterhelfen.

    Müller: Das heißt also, in bestimmten Unternehmensbereichen kann die 40 Stunden Woche auch wirklich weiterhelfen?

    Schartau: Man muss in die Realität gucken, zum Beispiel auch in unserem Land, wo seit Monaten eigentlich mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird, wie Unternehmen in bestimmten Bereichen mit den Betriebsräten, mit den Gewerkschaften Verhandlungen darüber führen, wie man die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Meistens sind es außerordentlich ernste, bittere Verhandlungen, die als Gegenpol immer Arbeitsplatzsicherheit, aber auch Investitionszusagen für die jeweiligen Standorte beinhalten und wo es zu Flexibilisierungen im Bereich der Einkommen und der Arbeitszeiten kommt.

    Müller: Warum kann länger arbeiten schaden?

    Schartau: Ich glaube dieses länger arbeiten in Unternehmen, die Aufträge haben, die auch ein enormes Arbeitsvolumen abarbeiten müssen, das wird in den jeweiligen Unternehmen auf immer auf eine positive Resonanz stoßen, denn es gibt niemanden in einem Unternehmen der sagt, wir fürchten uns vor Aufträgen. Es ist nur so, dass die Diskussion im Augenblick ja eigentlich einen ganz anderen Hintergrund hat, nämlich eine Arbeitszeitverlängerung zu fordern ohne Lohnausgleich, um damit die Lohnkosten zu senken. Die Fixierung auf diesen Punkt führt aber in manchen Unternehmen auf einen falschen Weg, weil die Unternehmen oftmals nicht ein Kostenproblem haben - oder ein alleiniges -, sondern wir müssen sehen, dass wir es mit Konkurrenz aus aller Welt zu tun haben, die eben nicht nur preiswerter ist, sondern die in vielen Bereichen auch gleich gut, in manchen Bereichen sogar besser ist, wenn es um Produkte, um Ideen, um Marktbearbeitung, um Kundenbegleitung geht und dergleichen mehr.

    Müller: Herr Schartau, habe ich Sie denn richtig verstanden, dass das Problem der deutschen Wirtschaft, der deutschen Unternehmen eben nicht die Lohnkosten sind?

    Schartau: Das ist ein Teil in manchen Unternehmen. Wofür ich plädiere, ist Differenziertheit. Patentrezepte kommen immer gut, alle in einen Sack, eine Lösung für alle. Die ist uns aber im Augenblick nicht möglich.

    Müller: Dann verraten Sie uns doch eine differenzierte Möglichkeit, Lohnkosten zu senken.

    Schartau: Das ist in manchen Unternehmen ein Verhandlungsgegenstand und auch im Verhandlungsergebnis ist es drin, aber wer glaubt, die deutsche Herausforderung kann dadurch bestanden werden, dass wir das Prinzip "Wir müssen billiger werden und dann haben wir gewonnen" hinkriegen, der macht es sich zu einfach.

    Müller: Wie will die SPD Arbeit billiger machen?

    Schartau: Wir haben es vor allem damit zu tun, dass wir in allen Bereichen immer gut sein müssen und gut sein heißt nicht unbedingt billig sein. Gut sein heißt vor allem auf guten, wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen, die besten Ideen, die besten Produkte, die größte Zuverlässigkeit, die größte Kundenzufriedenheit hinzukriegen. Und das kann nur von Unternehmen zu Unternehmen gefunden werden, nämlich bei denen, die den Markt, das Unternehmen, die Produkte, die Produktionsabläufe einschätzen können und dazu kann ich nur ermuntern. Es wird in Zukunft keine Lösung mehr von der Stange geben.

    Müller: Eine preiswertere Produktion, so wie viele Unternehmen und auch Oppositionspolitiker das fordern, ist für Sie nicht das Thema?

    Schartau: Wie ich jetzt schon drei mal gesagt habe, ist das ein Teil des Problems.

    Müller: Aber nennen Sie doch einmal einen Vorschlag, wie das Unternehmen das machen kann. Also doch durch Mehrarbeit ohne Lohnausgleich.

    Schartau: Also ein Vorschlag ganz konkret, nämlich so, wie es in den Unternehmen gemacht wird ist: Erstens, wir müssen die Arbeitszeit so flexibilisieren, dass wir dann, wenn wir Aufträge bearbeiten müssen, das auch zügig machen können und die Kundenzufriedenheit damit erhöhen. Zweitens, wir müssen unsere Produkte an sich verbessern, weil die Konkurrenz auch erstklassig ist und gute Dinge auf den Markt bringt. Drittens, wir müssen in die Qualifikation investieren, weil die Veränderungsgeschwindigkeit in der Wirtschaft nur beherrschbar ist, wenn sie mit gut ausgebildeten Leuten gemacht wird. Daraus wird ein Paket geschnürt, das auf Dauer Arbeitsplätze sichert.


    Müller: Nun sind das zum Teil ja Vorschläge, mit Verlaub, die jetzt Hans Eichel und auch den Finanzminister in den Ländern erst mal nicht weiterhelfen. Es geht um fünf Milliarden, die gestopft werden müssen. Welches Sofortpaket, welches Notpaket haben Sie auf der Tagesordnung? Vielleicht Urlaubsverzicht?

    Schartau: Genau diese Frage muss ja auch all denen gestellt werden, die jetzt mit Patentrezepten zur Arbeitszeitverlängerung gekommen wären. Ich glaube, dass das Haushaltsproblem, das besteht bei Bund und bei Land in den nächsten Tagen auch dadurch gelöst werden muss, dass entschieden wird, wo werden weitere Einsparungen gemacht, wo muss man sich weiter reduzieren als Staat, weil er mit dem Geld, das der Bürger ihm gibt auskommen muss und wo sind wir konjunkturbedingt im Augenblick in keiner anderen Situation als zusätzliche Kreditfinanzierung zu machen. Aus diesen beiden Bestandteilen wird in den nächsten Tagen die Lösung bestehen.

    Müller: Wo wollen Sie denn sparen?

    Schartau: Die Frage wird heute schon im Kabinett in Nordrhein-Westfalen besprochen und ich möchte dem Finanzminister meine Karten noch nicht zeigen.

    Müller: Uns demnach auch nicht. Wie sieht es mit den Subventionen aus? Ist Nordrhein-Westfalen potenziell bereit, weitere Subventionen zu streichen?

    Schartau: Der Ministerpräsident hat zusammen mit dem hessischen Ministerpräsidenten im letzten Jahr ein Riesenpaket an Vorschlägen gemacht zum Subventionsabbau. Ein großer Teil dieser Subventionsvorschläge ist im Bundesrat im Vermittlungsverfahren nicht durch gekommen, weil die CDU nicht ran wollte. Aber dieses Thema wird jetzt wieder akut und ich glaube, dass im Bereich des Subventionsabbaus auch noch Lösungen sind.

    Müller: Das ist die Initiative Steinbrück und Koch, Sie haben darauf gerade rekuriert. Das heißt, dieses Potenzial, das noch nicht eingespart, abgefordert worden ist, das ist nach wie vor auf der Tagesordnung?

    Schartau: Ja, das ist nach wie vor auf der Tagesordnung. Es ist einfach so, dass aufgrund unterschiedlichster Ursachen, der Staat im Augenblick weniger Geld ausgeben kann und da muss er auch zu beherzten Maßnahmen kommen. Er hat nur indirekte Auswirkungen - wir hoffen alle auf weiteres Wachstum - dieses Wachstum zu induzieren wird man mit Haushaltsentscheidungen zum Teil machen können, aber als erstes muss er seine Schulaufgaben selbst machen und bei weniger Einnahmen auch dafür sorgen, dass er weniger Ausgaben hat.
    Müller: Der SPD-Politiker Harald Schartau war das, Wirtschafts- und Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen. Vielen Dank für das Gespräch Herr Schartau.

    Schartau: Danke auch.