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NSA-Untersuchungsausschuss
Die Abwehr ist billiger als der Angriff

Man könne die NSA totrüsten, meint der Computerexperte Frank Rieger. Im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags schlug er vor, die Kosten der massenhaften Überwachung für den US-Geheimdienst so hochzutreiben, dass die NSA Prioritäten setzen müsste. Über die Empfehlungen der insgesamt drei Sachverständigen will der Ausschuss jetzt entscheiden.

Von Gudula Geuther |
    An einem Tisch sitzen von links nach rechts nebeneinander Frank Rieger, Michael Waidner und Sandro Gaycken
    CCC-Sprecher Frank Rieger, Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut und Technologieforscher Sandro Gaycken bei der Anhörung im NSA-Untersuchungsausschuss. (dpa / Hannibal Hanschke)
    Auf der Tagesordnung stand die Datenweitergabe durch den Bundesnachrichtendienst nicht für den NSA-Untersuchungsausschuss. Für alle Teilnehmer allerdings war er Thema. Frank Rieger etwa vom Chaos Computer Club befand:
    "Der BND darf ja rechtlich 20 Prozent des Auslandsverkehrs abgreifen – was, wenn man den uninteressanten Teil abzieht, also Pornographie und Spam, im Wesentlichen alle interessanten Inhalte sind. Und dass er dann ungeregelt und auf der Basis eigener Vereinbarungen mit der NSA diese Daten weitergeben darf, ist der eigentliche Skandal."
    Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR hatten berichtet, der BND habe mindestens von 2004 bis 2007 am zentralen Knotenpunkt in Frankfurt abgefangene Rohdaten an die NSA weitergeleitet, allerdings nicht von Deutschen. Massenhafte Datenweitergaben waren auch zuvor bekannt geworden, da allerdings handelte es sich um satellitengestützte Kommunikation zum Beispiel in Afghanistan. Der Inlandsbezug dürfte bei diesen jetzt bekannt gewordenen Daten also erheblich größer sein, Experten zweifeln an der Möglichkeit wirksamer Filterung.
    "Das ist so gut wie überhaupt nicht zu machen",
    sagt Michael Waidner, Leiter des Fraunhofer Instituts für sichere Informationstechnologie.
    "Wollte man wirklich aus jeglicher Kommunikation die Daten deutscher Bürger zuverlässig herausfiltern, müsste man eigentlich ein Überwachungsprogramm bauen, das gigantisch ist und das eigentlich nichts anderes macht als herauszufinden, wen man überwachen darf oder auch nicht überwachen darf."
    "Wir müssen die Rechtsgrundlagen unserer Dienste einer umfassenden Evaluierung und Überprüfung unterziehen, ob wir überhaupt noch mit diesen Regelungen, die wir da vorfinden, einer digitalen, globalen Kommunikation gerecht werden",
    betont deshalb der SPD-Obmann Christian Fliseck. Der zur Datenweitergabe erklärt, sich anzuschauen, was für Daten das waren, das sei Kern des Ausschuss-Auftrags.
    In der Anhörung selbst stand aber die NSA im Vordergrund, und da waren sich die drei geladenen Experten ganz weitgehend einig: Über schwere Versäumnisse in der Vergangenheit und über das, was jetzt geschehen müsse. Am drastischsten formuliert es Frank Rieger: Man könne die NSA totrüsten. Soll heißen: Schon mit einigen Schutzmaßnahmen könne man die Kosten der massenhaften Überwachung für den US-Geheimdienst so hoch treiben, dass der auch mit seinem Budget von 50 Milliarden Dollar Prioritäten setzen müßte.
    Michael Weidner warnte davor, angesichts des Ausmaßes der Überwachung aufzugeben. Mit flächendeckender Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder geringerer Speicherdauer von Verbindungsdaten könne man innerhalb kurzer Zeit wesentliche Erfolge erzielen.
    Setzen auf Verschlüsselung
    Auf Verschlüsselung setzen auch Frank Rieger und Sandro Gaycken, ebenso auf das so genannte Schengen-Routing, ein abgeschirmtes Netz also. Und auf Sicherheits-Verpflichtungen für Unternehmen und die öffentliche Hand, die dann wiederum dazu führen sollen, dass die IT-Sicherheitswirtschaft sichere Abnehmer für ihre Produkte hat und deshalb aktiver wird.
    "Wir müssen schauen, dass wir im politischen Entscheidungsprozess jetzt die Empfehlungen, die die drei Sachverständigen gemacht haben, auch sukzessive umsetzen",
    sagt der Ausschussvorsitzende, der CDU-Politiker Patrick Sensburg. Über die Vernehmung Edward Snowdens wurde am Abend wieder einmal entschieden. Die Ausschussmehrheit will eine Videoschaltung, am 11. September. Mit einer solchen Anhörung hat er selbst sich bisher nicht einverstanden erklärt. Während die Opposition wiederum unterlag mit dem Versuch, auf die Vernehmung in Deutschland zu dringen.