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NSA-Untersuchungsausschuss
Kanzlerin Merkel muss sich erklären

Der Bundesnachrichtendienst hat Freunde ausgespäht - und das Kanzleramt will bis 2015 nichts davon gewusst haben. Heute soll Angela Merkel nun vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen, als letzte Zeugin vor Abschluss der Beweisaufnahme.

Von Falk Steiner | 16.02.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel in bordeauxrotem Blazer vor blauer Wand mit Bundesadler.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel am 13.02.2017 in Berlin. (dpa/Gregor Fischer)
    Die Sätze der Kanzlerin, die sie 2013 sagte, die kleben an ihr wie Kaugummi am Schuh: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht. Das gilt für jeden Bürger und für jede Bürgerin Deutschlands, dafür bin ich als Bundeskanzlerin Deutschlands auch verantwortlich, das durchzusetzen."
    Das sagte sie im Oktober 2013 aufgrund ihres eigenen Mobiltelefons - und zu Berichten, dass die USA aus ihrer Botschaft am Brandenburger Tor heraus das Regierungsviertel abhörten. Und schon im Sommer 2013 sagte Angela Merkel: "Was wir da über angebliche Überwachung auch von EU-Einrichtungen und so weiter gehört haben, auch das fällt in die Kategorie dessen, dass man das unter Freunden nicht macht. Das geht nicht."
    Und die Bundeskanzlerin sagte auch, dass die Bürgerinnen ein Anrecht darauf hätten, "dass die klare, staatliche Kontrolle, die es in unserem Land über die Aktivitäten der Geheimdienste gibt, auch tatsächlich wirkungsvoll greift. Und zwar genau so, wie Recht und Gesetz unseres Landes das vorsehen."
    Massive Missstände
    Zwar hat der Ausschuss wenig dazu herausgefunden, ob die NSA auf deutschem Boden oder gegen die Bundesrepublik spioniert. Doch in der Kooperation von NSA und BND, aber auch in der eigenen Tätigkeit des BND hat er massive Missstände vorgefunden: "Der BND hat sich in weiten Teilen rechtswidrig verhalten", sagt Christian Flisek, Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss.
    "In der Realität ist es zu millionenfachen Grundrechtsverletzungen gekommen", sagt der Grünen-Obmann Konstantin von Notz. Ausspähen von Freunden, das ging sehr wohl im Bundesnachrichtendienst, dem deutschen Auslandsgeheimdienst, dessen Aufsichtsbehörde ist: das Bundeskanzleramt.
    Doch dort will man bis ins Jahr 2015 nichts davon gewusst haben, dass der BND bei seiner eigenen Spionagetätigkeit ganz gezielt und umfangreich EU-Institutionen, NATO-Partner, Parlamente, Ministerien und Regierungsmitglieder in befreundeten Staaten abhörte. Spanien, Frankreich, USA, Finnland, Österreich, Luxemburg – eigentlich dürfte dort nur spioniert werden, wenn es Verdachtsmomente gibt.
    Die letzte von mehr als 100 Zeugen
    Martina Renner von der Linkspartei: "Aber über was wir hier reden ist ja eine anlasslose Überwachung, ohne einen konkreten Anhaltspunkt in der überwachten Person oder Institution zu haben. Weil niemand würde ja behaupten, dass zum Beispiel das französische Parlament nun ein Hort von Drogendealern ist."
    Heute muss Angela Merkel sich und ihre Aussagen im Bundestag erklären. Als voraussichtlich letzte von über 100 Zeugen wird sie vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zur NSA-Affäre vernommen. Für den Grünen-Obmann Konstantin von Notz hat die Kanzlerin in jedem Fall ein Problem: "Entweder sie hat es gewusst, und die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt. Oder sie hat es nicht gewusst hat, obwohl das Kanzleramt die Fach- und Rechtsaufsicht über den Auslandsgeheimdienst hat."
    Was Merkel schützen könnte: selbst die Spitze des BND, der ehemalige Präsident Gerhard Schindler, will vom Umfang der Rechtsverstöße lange Zeit nichts gewusst haben. Die Abteilung Technische Aufklärung, über 3.000 Mitarbeiter stark, habe sich verselbstständigt – und BND-Leitung und damit auch die Aufsicht im Kanzleramt seien auf korrekte Information aus dem Hause nun einmal angewiesen. Dass das Kanzleramt überhaupt auf die Idee hätte kommen können, selbst einmal nachzuforschen, wie der BND seine Informationen gewinnt? Der heutige Kanzleramtsminister Peter Altmaier, sein Vorgänger Ronald Pofalla, der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, und der zuständige Abteilungsleiter Günter Heiß hielten das im Untersuchungsausschuss für unrealistisch.