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'Nullrunde' im Gesundheitswesen?

Breker: Am Telefon begrüße ich nun den Präsidenten des Marburger Bundes, Frank-Ulrich Montgomery. Herr Montgomery, Honorare einfrieren für ein Jahr, damit kann doch jeder Arzt leben.

    Montgomery: Nein. Damit können vor allem unsere Patienten nicht leben, denn aus den Honoraren der Ärzte und aus den Überweisungen an die Krankenhäuser wird natürlich zuerst die Medizin für die Patienten finanziert und nur in zweiter Hand darauf auch der Gewinn des Arztes erwirtschaftet. Also wer das macht, der betrügt die Patienten um den Fortschritt.

    Breker: Stimmt denn die Dimension? 1,1 Milliarden Euro sollen damit eingespart werden. Geht das ?

    Montgomery: Ja, das kommt hin. Das würde ungefähr 1,1 Milliarden Euro bedeuten, denn wir haben ungefähr eine Grundlohnsummensteigung von 1 Prozent, und 1,1 Milliarden sind 1 Prozent von dem, was wir für Krankenhäuser und Ärzte aufwenden.

    Breker: Im Krankenwesen ist schon sehr viel geschehen. Dennoch steigen die Kosten. Wie erklärt sich eigentlich dieser ständig anhaltende und gar nicht mal so geringe Anstieg?

    Montgomery: Nun, die Preistreiber waren die Arzneimittel und vor allem die Verwaltungskosten der Krankenkassen, aber wir haben natürlich, auch um die Erklärung für den Preisauftrieb bei anderen zu geben, ganz normale Kostenentwicklungen wie auch überall sonst in der Wirtschaft, und dazu gibt es Fortschritt, und dazu sind unsere Patienten heute älter und verbrauchen einfach mehr. Dafür können die Ärzte überhaupt nichts.

    Breker: Nun soll das Vorschaltgesetz zum 1. Januar kommen. Das ist eine vorläufige Maßnahme. Löst das denn das Problem schon im Grundsatz?

    Montgomery: Nein. Also eine grundsätzliche Lösung – das drückt schon der Name Vorschaltgesetz aus – ist das überhaupt nicht. Das kommt dann hoffentlich im Nachschaltgesetz. Dieses Vorschaltgesetz erhält ja durchaus auch einige vernünftige Dinge, zum Beispiel die Regelungen zum Sterbegeld oder die Regelungen im Arzneimittelhandel. Nur: Jetzt auch noch damit zu kommen, dass man einfach die Patienten deckelt, indem man die Ausgaben für die Krankenhäuser und für die Ärzte nicht weiter steigen lässt, das ist ein Vertrauensbruch am Wähler. Das hätte man mindestens vor der Wahl schon sagen müssen.

    Breker: Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen. Werden da wirklich aus Ihrer Sicht alle gleichmäßig belastet, oder ist am Ende nicht nur einzig und allein der Patient der Dumme?

    Montgomery: Also mit diesen Maßnahmen ist vor allem der Patient der Dumme, aber Sie haben völlig Recht, es ist sehr schwer, angesichts der Schieflage, die wir in unserem Solidarsystem heute schon haben, langfristig alle gleichmäßig zu belasten. Aber dieser Weg, der dort gegangen wird, schadet den Patienten über den Arzt und über das Krankenhaus.

    Breker: Welcher Weg wäre denn der richtige?

    Montgomery: Nun, wir brauchen im Nachschaltgesetz eine grundlegende Reform der Finanzierungswege der Krankenversicherung. So, wie man das eben in der Riester-Rente angedacht hat. Wir brauchen also mehr kapitalgedeckte Anteile in der Krankenversicherung, und hierzu muss die Regierung endlich mal Mut haben, und den hat der Kanzler ja gestern in der Regierungserklärung mindestens an einigen Stellen aufblitzen lassen.

    Breker: Die Idee des Kanzlers ist, eine Kommission einzurichten a la Hartz-Kommission. Ist das aus Ihrer Sicht eine gute Idee?

    Montgomery: Also das ganze Gesundheitswesen lebt vom Konsens und vom Kompromiss. Deswegen kann man nur in Kommissionen und Beratungsgremien neue Lösungen finden. Die Hartz-Kommission hat gezeigt, dass man Sozialversicherungsveränderungen machen kann. Ich hoffe, dass es auch gelingt unter einem fähigen Vorsitzenden und fähigen Mitgliedern dieser Kommission, das im Gesundheitswesen zu machen. Einen anderen Weg gibt es gar nicht.

    Breker: Als Vorsitzender dieser Kommission ist Bert Rürup im Gespräch. Das ist ein Rentenexperte. Ist das der richtige?

    Montgomery: Ja, ich halte Herrn Rürup für einen ausgewiesenen Experten für Sozialversicherungssysteme. Er weiß etwas über die Finanzierung. Er weiß vor allem etwas über die Einnahmenseite. Und unsere Aufgabe, wenn wir in dieser Kommission mitarbeiten dürfen, wird es sein, ihm auch über die Probleme der Ausgabenseite etwas zu erzählen.

    Breker: Es scheint so, als stimmen die Informationen der Süddeutschen Zeitung, wenn denn die Einfrierung der Honorare für Ärzte und Krankenhäuser tatsächlich zum 1. Januar kommt, was werden Sie dann tun? Was wird der Marburger Bund tun?

    Montgomery: Also wir werden mit Sicherheit in einen ganz heißen Winter hineinkommen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir nach dem Lohnverzicht auch erstmals wieder eine Tarifforderung von 3,5 Prozent für den Krankenhausbereich, also für die Schwestern und Ärzte auf dem Tisch haben. Das passt mit einer Nullrunde bei den Budgets überhaupt nicht zusammen, und wir werden gewerkschaftlich heftige Aktionen bekommen. Die Bundesregierung muss sich ganz warm anziehen, wenn sie diesen Winter mit diesem Programm überleben will.

    Breker: Die Patienten werden allerdings mit Beitragssteigerungen auf bis zu über 15 Prozent zu rechnen haben. Haben Sie da kein Solidaritätsgefühl?

    Montgomery: Wir haben sehr viel Solidarität mit unseren Patienten, aber man muss analysieren, woher diese Beitragssatzsteigerungen kommen. Sie kommen nicht aus den Krankenhäusern, nicht von den Ärzten, sondern sie kommen von den Arzneimitteln, und sie kommen von den Verwaltungskosten der Krankenkassen, und sie kommen daher, dass zu wenige Menschen wirklich solidarisch in dieses System einbezahlen, weil man die Beamten, die Selbständigen alle rausgelassen hat, und weil wir eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Das hat mit Medizin, mit Krankenversorgung im Krankenhaus überhaupt nichts zu tun, und deswegen ist der Weg, der jetzt gewählt wird, der falsche.

    Breker: Aus Sicht der Ärzte, wäre bei der Pharmaindustrie doch noch einiges zu holen?

    Montgomery: Wir haben der Regierung die Mitarbeit an einer Positivliste angeboten. Wir glauben, dass ein erheblicher Teil der Kostensteigerung der Pharmaindustrie durchaus auch auf Gewinnerwartungen der Pharmaindustrie zurückgeht, und es macht überhaupt keinen Sinn, dass eine Seite immer verdienen und gewinnen darf und sich notfalls mit einem Ablassbrief von 200 Millionen Euro beim Kanzler entschuldet, während die anderen für alles büßen müssen. Das ist nicht im Sinne der Patienten.

    Breker: Vielen Dank für das Gespräch.