Kaiser: Noch nicht, denn die Debatte, die in den USA geführt wird, hat ja bisher dazu geführt, dass die Zahl derjenigen, die gegen die Intervention sind, mit einem Blick gestiegen ist. Mittlerweile sind die Befürworter von 75 auf 50 Prozent gesunken, und noch viel wichtiger: Diejenigen, die dagegen sind, sind auf 40 Prozent gestiegen. Das ist also wirklich keine klare Mehrheit. Und die Stimmen vor allen Dingen unter den ehemaligen Beratern des Präsidenten, die sich gegen den Krieg aussprechen, haben auch zugenommen. Also in den USA ist die Lage nicht sehr gut, aber man darf auch nicht übersehen, dass diese Debatte auch auf die Alliierten zielt. Und was die Alliierten angeht, da verschiebt sich die Debatte - ich muss sagen bedauerlicherweise - ausschließlich auf die Frage des Krieges, weg von dem Problem, denn das Problem, das Saddam Hussein mit dem Bau von Massenvernichtungswaffen für die Welt und für die Region stellt, verschärft sich.
Meurer: Inwieweit ist Washington denn wirklich daran interessiert, in Übereinstimmung mit den Verbündeten zu handeln?
Kaiser: Es fällt auf, dass auch in der Rede von Cheney noch einmal gesagt wird, dass die Verbündeten konsultiert werden, und dass man Wert darauf legt, diesen Prozess durchzuführen. Auf der anderen Seite fällt aber auch auf, und zwar speziell in dieser Rede, dass er entgegen den Verbündeten sagt: Ob da nun Inspekteure reingehen oder nicht, ist nicht nur nicht wichtig, sondern im Gegenteil, denn das schafft die Illusion, dass dort das Problem gelöst sein. Und da liegt wirklich der große Dissens zwischen den Verbündeten und Washington.
Meurer: Werden in diesem Punkt die Verbündeten, also die Regierungen Europas, vor allen Dingen nicht einfach brüskiert, wenn Dick Cheney sagt: Es geht überhaupt nicht mehr um Waffeninspektionen, wir wollen das so gar nicht mehr. Wir wollen militärisch dafür sorgen, dass Saddam Hussein aus dem Amt gejagt wird?
Kaiser: Also ich könnte mir vorstellen, dass in der Frage der Beseitigung von Saddam Hussein er wohl die Zustimmung aller europäischen Verbündeten haben würde. Es geht hier um die Methode, dass er dies über den Krieg propagiert. Die Verbündeten würden höchstwahrscheinlich einer Strategie zustimmen, die zunächst einmal wirklich einen ernsthaften Versuch macht, die Inspektoren ins Land zu lassen. Er sagt in seiner Rede: Saddam Hussein ist ein so erfahrener Taktiker im Verbergen seiner realen Tätigkeiten, dass das alles nichts nutzt, und dabei übersieht natürlich Cheney, dass die Inspektoren von heute nicht die aus den 90er Jahren sind. Man hat gelernt und weiß, wie man so etwas macht. Und nur in einem solchen Falle, wenn die Inspektoren wirklich vollkommen erfolglos sind, und er sie täuscht und verhindert, dass sie an die Anlagen herankommen, entstünde eine ganz andere Lage, und dann wäre auch eine andere Legitimität für einen Eingriff mit einem klaren Mandat gegeben.
Meurer: Stimmen Sie eigentlich der Bedrohungsanalyse Cheneys und der Amerikaner zu, dass es als ausgemachte Sache gilt, dass Saddam Hussein Drahtzieher des internationalen Terrorismus ist und von ihm ganz klar die Gefahr ausgehe, dass er internationale Terroristen sozusagen mit Massenvernichtungswaffen ausstattet?
Kaiser: Man kann ihm nur zustimmen, wenn er sagt, dass er Programme führt. Ich glaube, das ist einigermaßen sicher. Dass er chemische und biologische Waffen entwickelt, ist ziemlich sicher. Dass er mit großer Wahrscheinlichkeit sein Nuklearprogramm wiederaufgenommen hat, davon kann man auch ausgehen. Aber die Verbindung zum Terrorismus kann man nicht nachweisen. Sie ist nur eine hypothetische Möglichkeit für die Zukunft. Sollte sie dann einmal entstehen, was ich vorerst für unwahrscheinlich halte, weil er dann sofort einen Schlag auf sich ziehen würde, dann entsteht eine neue Lage. Aber dass in der Region mit diesem Programm ein gewaltiges Problem entsteht, ist gar keine Frage, und leider hat sich die Debatte vollkommen von diesem Problem wegverlagert.
Meurer: Auch wenn in Washington und in den USA weniger die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland wahrgenommen wird, drei Wochen vor der Bundestagswahl, was sagen Sie zu der Behauptung, zu dem Vorwurf, die amtierende Rot-Grüne Bundesregierung würde mit ihrer klaren Absage an einer Beteiligung an einem Irak-Krieg die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten?
Kaiser: In dieser so komplexen Situation kann man mit dem Mittel des Krieges in der jetzigen Lage das Problem nicht lösen. Die Vereinigten Staaten stehen hier vollkommen allein. Die Bundesrepublik ist in der jetzigen Ablehnung eines Krieges als Mittel zur Lösung des Problems auch nicht allein, sondern sie spricht praktisch mit der Ausnahme Großbritanniens für alle Europäer. Die anderen Europäer sind nicht ganz so lautstark, obwohl sich Frankreich auch sehr klar geäußert hat, und deshalb muss man in dieser offenen Situation die Debatte auch offen führen. So gesehen, ändert auch diese Position nichts daran, dass in der Frage - das hat auch der Bundeskanzler gesagt -, wenn es darum geht, den Kampf gegen den Terror zu führen, dann die Bundesrepublik selbstverständlich an der Seite der USA steht. Im übrigen ist es interessant, dass der frühere Sicherheitsberater von George Bushs Vater Brent Scowcroft ja deshalb den Eingriff jetzt ablehnt, weil er sagt: Dann ist unser Kampf gegen den Terrorismus gefährdet. Und deshalb dürfen wir es jetzt nicht tun.
Meurer: Nur: Wie passt es zusammen, wenn vor Monaten noch von der uneingeschränkten Solidarität mit den USA die Rede war und jetzt kategorisch eine Mitwirkung ausgeschlossen wird?
Kaiser: Die uneingeschränkte Solidarität sehe ich überhaupt nicht gefährdet, wenn es darum geht, den USA beizustehen und im Kampf gegen den Terror gemeinsam mit den USA zu kämpfen, denn die Bundesrepublik leistet immer noch den größten Beitrag an Soldaten in Europa in dieser Auseinandersetzung, und daran ändert sich ja nichts.
Meurer: In welchem Licht sehen Sie bei dieser Gelegenheit die leichte Wendung, die der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber gestern vorgenommen hat, der vor einem Alleingang der USA jetzt warnt?
Kaiser: Einsicht erstens, und zweitens offenkundig auch die Realisierung, dass die deutsche Bevölkerung eine solche deutsche Politik nicht billigt, und er hat daraus die Konsequenzen gezogen, so dass sich in dieser Frage ein Konsens zwischen Regierung und der größten Oppositionspartei entwickelt.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Meurer: Inwieweit ist Washington denn wirklich daran interessiert, in Übereinstimmung mit den Verbündeten zu handeln?
Kaiser: Es fällt auf, dass auch in der Rede von Cheney noch einmal gesagt wird, dass die Verbündeten konsultiert werden, und dass man Wert darauf legt, diesen Prozess durchzuführen. Auf der anderen Seite fällt aber auch auf, und zwar speziell in dieser Rede, dass er entgegen den Verbündeten sagt: Ob da nun Inspekteure reingehen oder nicht, ist nicht nur nicht wichtig, sondern im Gegenteil, denn das schafft die Illusion, dass dort das Problem gelöst sein. Und da liegt wirklich der große Dissens zwischen den Verbündeten und Washington.
Meurer: Werden in diesem Punkt die Verbündeten, also die Regierungen Europas, vor allen Dingen nicht einfach brüskiert, wenn Dick Cheney sagt: Es geht überhaupt nicht mehr um Waffeninspektionen, wir wollen das so gar nicht mehr. Wir wollen militärisch dafür sorgen, dass Saddam Hussein aus dem Amt gejagt wird?
Kaiser: Also ich könnte mir vorstellen, dass in der Frage der Beseitigung von Saddam Hussein er wohl die Zustimmung aller europäischen Verbündeten haben würde. Es geht hier um die Methode, dass er dies über den Krieg propagiert. Die Verbündeten würden höchstwahrscheinlich einer Strategie zustimmen, die zunächst einmal wirklich einen ernsthaften Versuch macht, die Inspektoren ins Land zu lassen. Er sagt in seiner Rede: Saddam Hussein ist ein so erfahrener Taktiker im Verbergen seiner realen Tätigkeiten, dass das alles nichts nutzt, und dabei übersieht natürlich Cheney, dass die Inspektoren von heute nicht die aus den 90er Jahren sind. Man hat gelernt und weiß, wie man so etwas macht. Und nur in einem solchen Falle, wenn die Inspektoren wirklich vollkommen erfolglos sind, und er sie täuscht und verhindert, dass sie an die Anlagen herankommen, entstünde eine ganz andere Lage, und dann wäre auch eine andere Legitimität für einen Eingriff mit einem klaren Mandat gegeben.
Meurer: Stimmen Sie eigentlich der Bedrohungsanalyse Cheneys und der Amerikaner zu, dass es als ausgemachte Sache gilt, dass Saddam Hussein Drahtzieher des internationalen Terrorismus ist und von ihm ganz klar die Gefahr ausgehe, dass er internationale Terroristen sozusagen mit Massenvernichtungswaffen ausstattet?
Kaiser: Man kann ihm nur zustimmen, wenn er sagt, dass er Programme führt. Ich glaube, das ist einigermaßen sicher. Dass er chemische und biologische Waffen entwickelt, ist ziemlich sicher. Dass er mit großer Wahrscheinlichkeit sein Nuklearprogramm wiederaufgenommen hat, davon kann man auch ausgehen. Aber die Verbindung zum Terrorismus kann man nicht nachweisen. Sie ist nur eine hypothetische Möglichkeit für die Zukunft. Sollte sie dann einmal entstehen, was ich vorerst für unwahrscheinlich halte, weil er dann sofort einen Schlag auf sich ziehen würde, dann entsteht eine neue Lage. Aber dass in der Region mit diesem Programm ein gewaltiges Problem entsteht, ist gar keine Frage, und leider hat sich die Debatte vollkommen von diesem Problem wegverlagert.
Meurer: Auch wenn in Washington und in den USA weniger die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland wahrgenommen wird, drei Wochen vor der Bundestagswahl, was sagen Sie zu der Behauptung, zu dem Vorwurf, die amtierende Rot-Grüne Bundesregierung würde mit ihrer klaren Absage an einer Beteiligung an einem Irak-Krieg die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten?
Kaiser: In dieser so komplexen Situation kann man mit dem Mittel des Krieges in der jetzigen Lage das Problem nicht lösen. Die Vereinigten Staaten stehen hier vollkommen allein. Die Bundesrepublik ist in der jetzigen Ablehnung eines Krieges als Mittel zur Lösung des Problems auch nicht allein, sondern sie spricht praktisch mit der Ausnahme Großbritanniens für alle Europäer. Die anderen Europäer sind nicht ganz so lautstark, obwohl sich Frankreich auch sehr klar geäußert hat, und deshalb muss man in dieser offenen Situation die Debatte auch offen führen. So gesehen, ändert auch diese Position nichts daran, dass in der Frage - das hat auch der Bundeskanzler gesagt -, wenn es darum geht, den Kampf gegen den Terror zu führen, dann die Bundesrepublik selbstverständlich an der Seite der USA steht. Im übrigen ist es interessant, dass der frühere Sicherheitsberater von George Bushs Vater Brent Scowcroft ja deshalb den Eingriff jetzt ablehnt, weil er sagt: Dann ist unser Kampf gegen den Terrorismus gefährdet. Und deshalb dürfen wir es jetzt nicht tun.
Meurer: Nur: Wie passt es zusammen, wenn vor Monaten noch von der uneingeschränkten Solidarität mit den USA die Rede war und jetzt kategorisch eine Mitwirkung ausgeschlossen wird?
Kaiser: Die uneingeschränkte Solidarität sehe ich überhaupt nicht gefährdet, wenn es darum geht, den USA beizustehen und im Kampf gegen den Terror gemeinsam mit den USA zu kämpfen, denn die Bundesrepublik leistet immer noch den größten Beitrag an Soldaten in Europa in dieser Auseinandersetzung, und daran ändert sich ja nichts.
Meurer: In welchem Licht sehen Sie bei dieser Gelegenheit die leichte Wendung, die der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber gestern vorgenommen hat, der vor einem Alleingang der USA jetzt warnt?
Kaiser: Einsicht erstens, und zweitens offenkundig auch die Realisierung, dass die deutsche Bevölkerung eine solche deutsche Politik nicht billigt, und er hat daraus die Konsequenzen gezogen, so dass sich in dieser Frage ein Konsens zwischen Regierung und der größten Oppositionspartei entwickelt.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio