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Nutztierforscherin zu höheren Fleischpreisen
Allein die Steuern zu erhöhen, reicht nicht

Die Tierethologin Ute Knierim hält eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte nur unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll: Eine solche müsse mit höheren Tierschutzstandards einhergehen, forderte sie im Dlf. Allein die Steuer zu erhöhen, mache "keinen Sinn".

Ute Knierim im Gespräch mit Katja Scherer |
Schweinezuchtbetrieb in Nordwestmecklenburg - wenige Tage alten Ferkel liegen am 21.08.2014 in einer Box in den Abferkelställen der Tierzucht Gut Losten.
Mehr Platz durch höhere Mehrwertsteuer? (dpa / picture-alliance / Jens Büttner)
Katja Scherer: Die steuerlichen Mehreinnahmen sollen den Politikern zufolge für mehr Tierwohl eingesetzt werden – etwa für den Umbau von Ställen. Frau Knierim, mal abgesehen davon, dass Steuern gar nicht zweckgebunden erhoben werden dürfen, was halten Sie von dem Vorschlag?
Ute Knierim: Ja, also wenn eine Zweckbindung möglich gemacht würde, dann würde ich ihn sehr begrüßen, muss ich sagen, denn ich glaube, die Maßnahme hätte eben gleichzeitig zwei Effekte, auf der einen Seite würde sie eben Geld zur Verfügung stellen für die Verbesserung der Tierhaltung und würde eben auch eine gewisse Steuerwirkung entfalten hinsichtlich der Nachfrage nach tierischen Produkten.
Tierschutz und Fleischkonsum sind "eine Frage der Prioritätensetzung"
Scherer: Hätte so eine Steuer denn nicht auch unerwünschte Nebeneffekte? Also zum Beispiel würde ja dann auch Biofleisch teurer. Müsste man solche Effekte nicht irgendwie ausklammern?
Knierim: Ja, das ist tatsächlich ein grundsätzliches Problem von dem Ansatz. Andererseits gibt es eben auch nicht den einen idealen Ansatz, und es wird ja auch schon seit langem kritisiert, dass der Anteil, den wir in Deutschland für Lebensmittel ausgeben, ohnehin nicht angemessen ist. Und das Thünen-Institut in Braunschweig zum Beispiel, das hat mal ausgerechnet, was denn die durchschnittliche Mehrbelastung eines Haushalts durch den Ansatz der vollen Mehrwertsteuer dann betragen würde, und sind auf etwa 15 Euro pro Monat gekommen. Und letztlich ist es dann eine Frage der Prioritätensetzung: Also wie viel ist es uns persönlich wert, dass wir mit Tieren besser umgehen?
Mehr Geld und höhere Standards - beides ist nötig
Scherer: Man könnte Fleisch ja auch verteuern, indem man nicht die Steuern, sondern die Standards für die Tierhaltung erhöht, wie bei Biofleisch ersichtlich wird es ja dann automatisch teurer. Wäre das nicht der bessere Weg, weil man eben sicherstellt, dass das dann auf jeden Fall den Tieren zugutekommt?
Knierim: Na ja, ich meine, allein die Steuererhöhung ohne Standards zu erhöhen würde ja auch keinen Sinn machen. Das muss also Hand in Hand gehen. Also von daher brauchen wir das wirklich gleichzeitig. Also wir brauchen einerseits erhöhte Standards und andererseits eben auch Geld und Möglichkeiten, um die Mehrkosten, die den Landwirten durch die erhöhten Standards entstehen, dann auch zu kompensieren.
Scherer: Warum ist es denn so schwierig, höhere Standards in der Tierhaltung durchzusetzen? Das wird ja seit Jahren debattiert und nie gemacht.
Knierim: Na ja, es ist eben ein komplexes Maßnahmenpaket, was dafür notwendig ist, und vieles muss aufeinander abgestimmt werden, und es gibt natürlich auch eine starke Lobby dafür, dass eben nichts oder nicht so viel getan wird, und letztlich muss die Politik da vorangehen, und das hat sie bisher halt nicht so wirklich spürbar getan.
Der Markt geht den Weg des günstigsten Preises
Scherer: Wenn jetzt die Politik einfach hergehen würde, die deutsche Politik, und sagen würde, okay, wir erhöhen per se die Standards, die wir bei der Tierhaltung haben, warum ginge das nicht, was passiert dann?
Knierim: Ja, das führt einfach dazu, dass die Produktionskosten in Deutschland steigen, aber nicht in anderen EU-Ländern, und dass eben dann der Markt den Weg des günstigeren Preises geht. Die meisten Verbraucher würden dann im Laden weiterhin das günstigere Fleisch oder die Milch oder andere Produkte kaufen und die würden dann eben aus einem anderen Land kommen, und dann hätten wir im Endeffekt zwar nur noch wenig Tierhaltung in Deutschland, aber die fände dann ja woanders statt und wahrscheinlich dann auch mit schlechteren Standards.
In der EU wird nicht an einem Strang gezogen
Scherer: Warum ist es denn so schwierig, auf EU-Ebene da zu einer einheitlichen Regelung zu kommen? Gibt es da bestimmte Länder, die sich immer wieder querstellen? Ist das auch Deutschland? Woran scheitert das?
Knierim: Nein, Deutschland ist es nicht. Deutschland hat sich lange Zeit sehr gerne immer darauf zurückgezogen, dass eben nur EU-weite Maßnahmen letztlich vertretbar sind. Aber durch die Erweiterung der EU haben sich einfach auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der EU deutlich verändert und der Anteil der eher nicht so sehr an Tierschutz interessierten Länder hat halt stark zugenommen. Also man kann schon sehen, dass es da einmal ein Nord-Süd- und ein West-Ost-Gefälle gibt. Also das heißt eben, so die europäischen Länder, die eher im Süden und eher im Osten angesiedelt sind, haben tendenziell eher weniger Interesse an Tierschutzmaßnahmen, und das führt dazu, dass eben eigentlich jetzt schon seit vielen Jahren auf EU-Ebene kaum was passiert im Tierschutzbereich.
Scherer: Und ist es so, dass Deutschland sich dann da ganz klar für strengere Regeln stark macht?
Knierim: Ja.
Scherer: Oder könnten wir da noch mehr tun?
Knierim: Nein, das ist schon der Fall, aber wie gesagt, die Aussichten, dass das auf EU-Ebene vorangeht, sind äußerst gering. Letztlich muss Deutschland eben eine deutsche Nutztierstrategie entwickeln, die sicherstellt, dass da was vorangeht, und das geht eben nur mit Maßnahmen, die von mehreren Seiten angefangen werden.
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