Silvia Engels: Gestern Abend hielt Barack Obama eine lang erwartete Grundsatzrede: zu den Aufständen in den arabischen Staaten und dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Bislang hat der US-Präsident in der Region, die ihm ja nach eigenem Bekunden sehr am Herzen liegt, praktisch noch nicht viel bewegen können.
Außenminister Guido Westerwelle lobte die Rede des US-Präsidenten heute früh im Deutschlandfunk. Kernbotschaft sei, dass die US-Regierung wieder mutig den Nahost-Friedensprozess mitgestalten wolle, so Westerwelle. Auch Bundeskanzlerin Merkel ließ durch ihren Regierungssprecher Steffen Seibert Lob für den Kurs des US-Präsidenten verbreiten:
"Sie ruft ebenso wie Präsident Obama Israelis wie Palästinenser dazu auf, angesichts der massiven politischen Umbrüche in ihrer Region jetzt schnell Verhandlungen über den Frieden wieder aufzunehmen. Die Rahmenbedingungen werden sich nicht verbessern."
Engels: Regierungssprecher Steffen Seibert. – Angela Merkel drängt also zur Eile, doch die Reaktionen in Israel und in den Palästinenser-Gebieten sind weniger euphorisch.
Am Telefon mitgehört hat Peter Rudolph, er ist Leiter des Forschungsgebiets USA der Stiftung Wissenschaft und Politik, eine Einrichtung, die die Bundesregierung und Parlamentarier in außenpolitischen Fragen berät. Guten Tag, Herr Rudolph!
Peter Rudolph: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Dass die USA im israelisch-palästinensischen Konflikt eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben, ist ja alt bekannt. Weshalb ist denn die Nennung der alten Grenze von vor dem Sechs-Tage-Krieg aus dem Jahr 1967 so wichtig, dass Israel so verärgert reagiert?
Rudolph: Die Grenzen von '67 waren impliziert in jedem Friedensvorschlag oder in den Verhandlungen immer enthalten, und dass jetzt ein amerikanischer Präsident so deutlich davon spricht, das ist was Neues. Jetzt wird sehr deutlich gemacht, dass dies die Grundlage sein soll, dass Israel die meisten Siedlungen aufgeben soll. Wenn man von einem zusammenhängenden Gebiet, palästinensischen Gebiet spricht, dann heißt das eben, dass einige große Siedlungen aufgegeben werden müssen, dass Israel auf seine Militärpräsenz verzichten soll. Das ist natürlich sehr deutlich ausgesprochen und das läuft israelischen Positionen zuwider.
Engels: Das heißt, der US-Präsident hat sich im Vergleich zur früheren US-Außenpolitik gegenüber Israel weiter vorgewagt?
Rudolph: Er hat sich öffentlich weiter vorgewagt. Er muss natürlich aufpassen, dass er in dieser Frage nicht wieder einknicken muss, wie schon in der Frage des Siedlungsstopps. Da hat sich gezeigt, dass er seine Position eben nicht gegen die Opposition der Netanjahu-Regierung durchsetzen kann. Das Problem gegenwärtig ist natürlich sicherlich, dass die Einheit, die Versöhnung unter den Palästinensern, die von den Palästinensern geplante Einheitsregierung von Hamas und Fatah, die ganze Sache natürlich erschwert, auch wenn hier der Präsident die Bedingungen nicht sehr deutlich formuliert hat, die gesetzt werden müssen für die Wiederaufnahme von Gesprächen, aber das Problem ist natürlich, Hamas erkennt Israel nicht an und verzichtet nicht auf Gewalt. Das ist natürlich ein Stolperstein für die Wiederaufnahme möglicher Gespräche.
Engels: Wie ist denn da der Unterschied beim Stichwort israelisch-palästinensischer Konflikt zu setzen im Vergleich zu der Rede, die Obama vor knapp zwei Jahren in Kairo hielt? Da hatte er das ja alles noch allgemeiner formuliert. Spricht jetzt aus dieser Rede zwei Jahre später einfach die Frustration Obamas, dass sich so wenig bewegt hat, und er erhöht einfach den Druck?
Rudolph: Ob er den Druck erhöht, ist nicht ganz sicher. Frustration ist zwischen den Zeilen sicherlich zu erkennen. Es war ja auch ein bisschen überraschend, dass Israel-Palästina so eine große Rolle am Ende dieser Rede spielen wird. Die Rede war ja geplant, um die neue Botschaft an die arabische Welt, die USA unterstützen den Umbruch, zu verkünden. Das war ja ein Thema, was in de Rede vor zwei Jahren in Kairo eine geringe Rolle gespielt hat. Damals stand eben der Nahost-Konflikt und die Politik des Engagements im Mittelpunkt.
Engels: Herr Rudolph, nun ist es ja so, dass gerade auf der anderen Seite den Palästinensern in dieser Rede auch deutlich gemacht wurde, dass deren Plan der einseitigen Ausrufung eines eigenen Staates im Herbst von den USA deutlich abgelehnt wird. Aber haben die USA denn genug Einfluss – Sie haben es angedeutet – auf Fatah und Hamas, um das zu verhindern?
Rudolph: Generell gilt wohl, dass die USA wenig Einfluss, wenig Kontrolle über die gesamten Entwicklungen der nahöstlichen Region haben. Das wird in dieser Rede faktisch eingestanden. Der September dieses Jahres ist natürlich sozusagen das Albtraum-Szenario für diese Administration, wenn die Palästinenser vor die UN-Generalversammlung gehen und um Anerkennung werben. Das könnte zu einer Isolation der USA und Israels führen, das würde sicherlich auch innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft zu Konflikten führen, da gibt es unterschiedliche Positionen, sagen wir, zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch anderen europäischen Staaten, ob ein Palästinenser-Staat anerkannt werden soll. Die ganze Rede oder die ganze Botschaft hier ist natürlich auch im Hinblick auf diese Entwicklung zu sehen: Die wollen die USA unbedingt verhindern. Das heißt aber auch, sie müssten sich jetzt stärker engagieren, und das wird natürlich ein Problem sein. Obama hat vieles immer angekündigt, aber an der Umsetzung hat es gerade im Nahen Osten doch sehr stark gemangelt.
Engels: Und er hat vor wenigen Tagen seinen Sonderbeauftragten Mitchell verloren. Der hatte sich ja bislang erfolglos um die Vermittlung zwischen Palästinensern und Israelis bemüht. Das heißt, die Rolle, die den USA früher ja immer beigemessen wurde, dass sie die Einzigen seien, die letztlich etwas bewegen können im israelisch-palästinensischen Konflikt, ist Geschichte?
Rudolph: Nicht ganz Geschichte. Ohne die USA wird sich nichts bewegen, wird sich wenig bewegen. Die USA müssen nachher, aber auch andere Staaten, bei der Umsetzung eines Friedensabkommens präsent sein, das muss gesichert werden, also die USA müssen auch Vorschläge machen, die USA müssen aber auch – das wird oft übersehen – klar machen, dass sie Garant der israelischen Sicherheit bleiben, enger Verbündeter, enger Freund Israels. Ansonsten wird sich Israel nicht bewegen. Das ist eine schwierige Rolle für die USA. Jetzt wird es darauf ankommen, ob die USA im Rahmen des Quartetts, das die multilateralen Bemühungen koordiniert, vielleicht neue Vorschläge einbringen, dass jetzt in der Tat Ernst gemacht wird. Die Frage ist, ob der Ansatz, den die Administration gewählt hat, dass man sich auf territoriale und Sicherheitsfragen fokussiert, ob der weiter trägt, weil die entscheidenden Punkte, der Status Jerusalems und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge, sind natürlich noch Faktoren, mögliche Belastungsfaktoren, und wahrscheinlich muss man alle diese Faktoren, territoriale Faktoren, Jerusalem und Rechte der Flüchtlinge, insgesamt angehen. Ansonsten wird es wahrscheinlich auch für die Palästinenser schwierig werden.
Engels: Peter Rudolph von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er befasst sich mit der US-amerikanischen Außenpolitik. Vielen Dank für Ihre Expertise und Ihre Einschätzungen.
Rudolph: Bitte sehr, Frau Engels.
Außenminister Guido Westerwelle lobte die Rede des US-Präsidenten heute früh im Deutschlandfunk. Kernbotschaft sei, dass die US-Regierung wieder mutig den Nahost-Friedensprozess mitgestalten wolle, so Westerwelle. Auch Bundeskanzlerin Merkel ließ durch ihren Regierungssprecher Steffen Seibert Lob für den Kurs des US-Präsidenten verbreiten:
"Sie ruft ebenso wie Präsident Obama Israelis wie Palästinenser dazu auf, angesichts der massiven politischen Umbrüche in ihrer Region jetzt schnell Verhandlungen über den Frieden wieder aufzunehmen. Die Rahmenbedingungen werden sich nicht verbessern."
Engels: Regierungssprecher Steffen Seibert. – Angela Merkel drängt also zur Eile, doch die Reaktionen in Israel und in den Palästinenser-Gebieten sind weniger euphorisch.
Am Telefon mitgehört hat Peter Rudolph, er ist Leiter des Forschungsgebiets USA der Stiftung Wissenschaft und Politik, eine Einrichtung, die die Bundesregierung und Parlamentarier in außenpolitischen Fragen berät. Guten Tag, Herr Rudolph!
Peter Rudolph: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Dass die USA im israelisch-palästinensischen Konflikt eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben, ist ja alt bekannt. Weshalb ist denn die Nennung der alten Grenze von vor dem Sechs-Tage-Krieg aus dem Jahr 1967 so wichtig, dass Israel so verärgert reagiert?
Rudolph: Die Grenzen von '67 waren impliziert in jedem Friedensvorschlag oder in den Verhandlungen immer enthalten, und dass jetzt ein amerikanischer Präsident so deutlich davon spricht, das ist was Neues. Jetzt wird sehr deutlich gemacht, dass dies die Grundlage sein soll, dass Israel die meisten Siedlungen aufgeben soll. Wenn man von einem zusammenhängenden Gebiet, palästinensischen Gebiet spricht, dann heißt das eben, dass einige große Siedlungen aufgegeben werden müssen, dass Israel auf seine Militärpräsenz verzichten soll. Das ist natürlich sehr deutlich ausgesprochen und das läuft israelischen Positionen zuwider.
Engels: Das heißt, der US-Präsident hat sich im Vergleich zur früheren US-Außenpolitik gegenüber Israel weiter vorgewagt?
Rudolph: Er hat sich öffentlich weiter vorgewagt. Er muss natürlich aufpassen, dass er in dieser Frage nicht wieder einknicken muss, wie schon in der Frage des Siedlungsstopps. Da hat sich gezeigt, dass er seine Position eben nicht gegen die Opposition der Netanjahu-Regierung durchsetzen kann. Das Problem gegenwärtig ist natürlich sicherlich, dass die Einheit, die Versöhnung unter den Palästinensern, die von den Palästinensern geplante Einheitsregierung von Hamas und Fatah, die ganze Sache natürlich erschwert, auch wenn hier der Präsident die Bedingungen nicht sehr deutlich formuliert hat, die gesetzt werden müssen für die Wiederaufnahme von Gesprächen, aber das Problem ist natürlich, Hamas erkennt Israel nicht an und verzichtet nicht auf Gewalt. Das ist natürlich ein Stolperstein für die Wiederaufnahme möglicher Gespräche.
Engels: Wie ist denn da der Unterschied beim Stichwort israelisch-palästinensischer Konflikt zu setzen im Vergleich zu der Rede, die Obama vor knapp zwei Jahren in Kairo hielt? Da hatte er das ja alles noch allgemeiner formuliert. Spricht jetzt aus dieser Rede zwei Jahre später einfach die Frustration Obamas, dass sich so wenig bewegt hat, und er erhöht einfach den Druck?
Rudolph: Ob er den Druck erhöht, ist nicht ganz sicher. Frustration ist zwischen den Zeilen sicherlich zu erkennen. Es war ja auch ein bisschen überraschend, dass Israel-Palästina so eine große Rolle am Ende dieser Rede spielen wird. Die Rede war ja geplant, um die neue Botschaft an die arabische Welt, die USA unterstützen den Umbruch, zu verkünden. Das war ja ein Thema, was in de Rede vor zwei Jahren in Kairo eine geringe Rolle gespielt hat. Damals stand eben der Nahost-Konflikt und die Politik des Engagements im Mittelpunkt.
Engels: Herr Rudolph, nun ist es ja so, dass gerade auf der anderen Seite den Palästinensern in dieser Rede auch deutlich gemacht wurde, dass deren Plan der einseitigen Ausrufung eines eigenen Staates im Herbst von den USA deutlich abgelehnt wird. Aber haben die USA denn genug Einfluss – Sie haben es angedeutet – auf Fatah und Hamas, um das zu verhindern?
Rudolph: Generell gilt wohl, dass die USA wenig Einfluss, wenig Kontrolle über die gesamten Entwicklungen der nahöstlichen Region haben. Das wird in dieser Rede faktisch eingestanden. Der September dieses Jahres ist natürlich sozusagen das Albtraum-Szenario für diese Administration, wenn die Palästinenser vor die UN-Generalversammlung gehen und um Anerkennung werben. Das könnte zu einer Isolation der USA und Israels führen, das würde sicherlich auch innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft zu Konflikten führen, da gibt es unterschiedliche Positionen, sagen wir, zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch anderen europäischen Staaten, ob ein Palästinenser-Staat anerkannt werden soll. Die ganze Rede oder die ganze Botschaft hier ist natürlich auch im Hinblick auf diese Entwicklung zu sehen: Die wollen die USA unbedingt verhindern. Das heißt aber auch, sie müssten sich jetzt stärker engagieren, und das wird natürlich ein Problem sein. Obama hat vieles immer angekündigt, aber an der Umsetzung hat es gerade im Nahen Osten doch sehr stark gemangelt.
Engels: Und er hat vor wenigen Tagen seinen Sonderbeauftragten Mitchell verloren. Der hatte sich ja bislang erfolglos um die Vermittlung zwischen Palästinensern und Israelis bemüht. Das heißt, die Rolle, die den USA früher ja immer beigemessen wurde, dass sie die Einzigen seien, die letztlich etwas bewegen können im israelisch-palästinensischen Konflikt, ist Geschichte?
Rudolph: Nicht ganz Geschichte. Ohne die USA wird sich nichts bewegen, wird sich wenig bewegen. Die USA müssen nachher, aber auch andere Staaten, bei der Umsetzung eines Friedensabkommens präsent sein, das muss gesichert werden, also die USA müssen auch Vorschläge machen, die USA müssen aber auch – das wird oft übersehen – klar machen, dass sie Garant der israelischen Sicherheit bleiben, enger Verbündeter, enger Freund Israels. Ansonsten wird sich Israel nicht bewegen. Das ist eine schwierige Rolle für die USA. Jetzt wird es darauf ankommen, ob die USA im Rahmen des Quartetts, das die multilateralen Bemühungen koordiniert, vielleicht neue Vorschläge einbringen, dass jetzt in der Tat Ernst gemacht wird. Die Frage ist, ob der Ansatz, den die Administration gewählt hat, dass man sich auf territoriale und Sicherheitsfragen fokussiert, ob der weiter trägt, weil die entscheidenden Punkte, der Status Jerusalems und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge, sind natürlich noch Faktoren, mögliche Belastungsfaktoren, und wahrscheinlich muss man alle diese Faktoren, territoriale Faktoren, Jerusalem und Rechte der Flüchtlinge, insgesamt angehen. Ansonsten wird es wahrscheinlich auch für die Palästinenser schwierig werden.
Engels: Peter Rudolph von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er befasst sich mit der US-amerikanischen Außenpolitik. Vielen Dank für Ihre Expertise und Ihre Einschätzungen.
Rudolph: Bitte sehr, Frau Engels.