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"Obama ist ein erstaunliches Phänomen"

Für Gary Smith, Direktor der American Academy in Berlin, ist nach den Vorwahlen in Iowa wieder völlig offen, wer für die Demokraten in den nächsten US-Präsidentschaftswahlkampf ziehen wird. Seiner Ansicht nach läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Barack Obama und Hillary Clinton hinaus.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Am Telefon begrüße ich Gary Smith, Direktor der American Academy in Berlin. Guten Morgen!

    Gary Smith: Ja, guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Obama und Huckabee heißen also die Sieger im Vorwahlkampf von Iowa. Hatten Sie es vermutet?

    Smith: In den letzten Tagen war das natürlich, sah man, dass es möglich war, wenn nicht wahrscheinlich. Aber vor einem Monat hätte man das niemals vermutet, und vor allem auch, dass Hillary Clinton auf dem dritten Platz landet bei den Demokraten.

    Klein: Obama - das Versprechen eines Neuanfangs, das die Bürger in Iowa gewählt haben, die Demokraten zumindest?

    Smith: Ja, Obama ist ein erstaunliches Phänomen, weil vor einigen Monaten war er gar nicht so bekannt, und man hat ihn wegen seiner Unerfahrenheit - er ist nur ein paar Jahre im Senat - fast abgeschrieben. Man hat gedacht, Hillary Clinton hat sehr vorsichtig Wahlkampf gemacht, aber er hat bei dem Fundraising immer mitgehalten. Es gibt so eine große Begeisterung, und er steht für einen Wechsel. So wird er wahrgenommen. Und er hat innerhalb kurzer Zeit während des Wahlkampfs auch eine beeindruckende Organisation in Iowa aufgebaut, so dass Rekordzahlen von Wählern, das heißt fast das Zweifache ... vor vier Jahren waren es etwa 125.000 demokratische Wähler, diesmal waren es fast 240.000.

    Klein: Wenn es das Versprechen ist, das die Demokraten sich wünschen, nämlich ein Neuanfang, einen kompletten Wechsel im Land - kann Obama dieses Versprechen auch für ein ganzes Land einlösen, sprich die Wahlen gegen einen Republikaner gewinnen?

    Smith: Ja, ich meine, die Chancen für einen Demokraten sind jetzt nach fast acht Jahren George Bush sehr, sehr stark und vor allem auch, weil die Republikaner sich auf keinen starken Kandidaten werden einigen können, zumindest jetzt. Obama mobilisiert die demokratischen Wähler, und das brauchen die Demokraten, um einen solchen Wahlkampf zu gewinnen, weil, wie Sie wissen von den letzten Wahlen, ist Amerika wirklich fast 50 Prozent zu 50 Prozent geteilt.

    Klein: Hillary Clinton musste heute Nacht eine für sie vermutlich schwere Niederlage einstecken. Vielleicht hatte sie damit gerechnet. Welche Konsequenzen muss sie jetzt daraus ziehen mit Blick auf ihre Wahlkampfstrategie, um ihre Chancen für die nächsten anstehenden Vorwahlen zu verbessern?

    Smith: Sie ist immer noch die stärkste Kandidatin, weil im Gegensatz zu allen früheren Wahlen am 5. Februar so viele Staaten zur Wahl gehen werden, dass an diesem Tag die demokratische [Anwartschaft] entschieden wird und der Kandidat oder die Kandidaten mit der stärksten Organisation wahrscheinlich gewinnt. Sie muss aber doch aus ihrer Haut kommen und eine deutlichere Position einnehmen und nicht mehr so vorsichtig Wahlkampf führen, weil man weiß nicht genau, wofür sie steht.

    Klein: Deutliche Position ist das eine, aber wenn Amerika sich einen Neubeginn wünscht, kann sie dann weiterhin dabei bleiben, auf ihre Erfahrung, auf ihre Kenntnisse des politischen Betriebs in Washington zu setzen? Das ist ja offenbar gerade das, was die Amerikaner abwählen möchten.

    Smith: Da haben Sie natürlich auch Recht, obwohl es bei dieser Vorwahl nicht das große Thema war. Der Irakkrieg wird immer noch eine Rolle spielen und [...] Hillary Clinton wird bei diesem Thema natürlich über die demokratische Basis immer wieder stolpern, weil es eine sehr, sehr starke Fraktion unter den Demokraten gibt, die es sehr, sehr schwer haben wird, für jemanden zu stimmen, der den Irakkrieg unterstützt hat. Das haben Sie gesehen bei der Vorwahl bei Joseph Lieberman, der die Vorwahl verloren hat vor zwei Jahren und nur als unabhängiger Kandidat dann wieder in den Senat gekommen ist. Er ist gestolpert über die Linksdemokraten. Und die Linksdemokraten sind für einen Sieg im November essentiell, und alle Demokraten wissen das. Und deswegen suchen viele Demokraten eine Alternative. Ob John Edwards diese Alternative ist, ist unklar. Er hat ein sehr starkes Ergebnis gehabt, aber ob er mit sehr wenig Geld ein Momentum aufbauen kann bis zum 5. November, halte ich für unwahrscheinlich.

    Klein: Schauen wir auf die Republikaner. Mike Huckabee heißt der Sieger für diese Partei in Iowa, und er hat ihn wohl vor allen Dingen der religiösen Rechten zu verdanken, die in ihn Hoffnungen setzen. Wie stehen seine Chancen, anderswo die Herzen der Wähler zu gewinnen als Prediger und Baptist?

    Smith: Ja, es ist ein doch sehr unwahrscheinliches Ergebnis, und Sie sehen wieder die Stärke der evangelischen Christen bei einem solchen Wahlkampf. Das wird nicht bei jedem Staat ziehen. Zum Beispiel wird er wahrscheinlich ein sehr mageres Ergebnis in New Hampshire haben in fünf Tagen oder jetzt in vier Tagen, weil seine Themen sind keine Themen in New Hampshire. Aber es gibt andere Staaten, in den nächsten zehn Tagen South Carolina, Michigan, wo schon die evangelischen Christen und auch die Wirtschaftskonservativen ihn zu einem starken Kandidaten machen werden. Nur ohne Organisation und ohne Geld hat er auch wenig Zeit, um etwas aufzubauen. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass er den ganzen Weg Erfolg hat, aber es ist ein hoch spannendes Phänomen, und es zeigt, dass die Republikaner keinen idealen Kandidaten haben und vor allem, dass die republikanische Partei an der Richtungsweisung zweifelt. Sie wissen nicht: Was ist republikanische Partei nach George Bush? Manche wollen zurückgehen zu dem Reagan-Konservatismus, dann gibt es die evangelischen Christen. Das wird es sehr schwer machen für die Republikaner im November.

    Klein: Stimmt es eigentlich aus Ihrer Sicht, dass die ganze amerikanische Nation sich nicht nur nach einem Wandel sehnt, sondern auch für ihre Verhältnisse ungewöhnlich und zutiefst deprimiert ist angesichts des Zustandes der Wirtschaft, der Rolle in der Welt, dass der sprichwörtliche Optimismus der Amerikaner dabei ist, zu kippen?

    Smith: Ja, das kann ich nicht bestätigen, aber ich bin natürlich hier in Berlin. Natürlich ist gerade jetzt eine große wirtschaftliche und finanzpolitische Unsicherheit in Amerika. Aber es gibt natürlich auch viele Stimmen, immer mehr Stimmen, die sagen, dass der Irakkrieg eine kleine Wende angenommen hat, und ich glaube nicht, dass dieser Pessimismus weit verbreitet ist in Amerika. Aber die Sehnsucht nach einem Neuanfang, nach einem Wandel, ist sehr stark, und das sehen Sie vor allem in diesem Iowa-Ergebnis. Iowa ist ein ganz winziger Staat im Mittelwesten. Aber Sie dürfen dieses Ergebnis nicht unterschätzen, weil Iowa fast immer die Kandidaten in den letzten Jahrzehnten ..., das heißt, die Leute, die in Iowa gewonnen haben, waren immer die Kandidaten ihrer Parteien, mit ganz wenigen Ausnahmen, im Gegensatz zu New Hampshire und anderen.

    Klein: Was ist Ihr Tipp? Wir haben natürlich noch eine Reihe von Vorwahlen vor uns, einige Wochen noch, die das dauern wird. Was ist Ihr Tipp, wer wird sich am Ende gegenüberstehen, wenn es dann wirklich um den Kampf ums Weiße Haus geht?

    Smith: Oh, das ist aber sehr schwer, was Sie mich fragen.

    Klein: Das ist immer noch völlig offen?

    Smith: Vor einem Monat hätte ich gesagt - oder vielleicht sogar vor wenigen Wochen -, auf jeden Fall Senator Clinton. Jetzt halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Senator Obama in der Tat kandidiert. Ich finde beide Möglichkeiten hervorragend! Die erste Frau als Präsidentin, der erste Afroamerikaner - ich glaube, dass beide ein sehr starkes Zeichen setzen für die Zukunft.