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Obama lockert Kuba-Sanktionen

US-Präsident Barack Obama will einen Neuanfang mit Lateinamerika und Kuba beginnen. Kurz vor dem Amerika-Gipfel verfügte er, die Sanktionen gegen Kuba zu lockern. Die 1,5 Millionen Exil-Kubaner, die in den USA leben, dürfen nun ihre Verwandten in Kuba jederzeit besuchen und ihnen soviel Geld überweisen, wie sie wollen. Doch nicht alle Exil-Kubaner sehen das positiv.

Von Kerstin Zilm | 18.04.2009
    Rosa Legra zeigt stolz auf ein Schwarz-Weiss-Foto über der Theke ihres Fachgeschäfts für Tauf-, Kommunions- und Hochzeitskleidung: In einer weiß gestrichenen Kirche stehen auf der Treppe zum Altar ordentlich aufgereiht rund 50 Mädchen in weißer Festtagskleidung - es ist das Kommunionsfoto ihrer Mutter, die in einem Kloster in Havanna zur Schule ging.

    Die Legra-Familie besaß Zucker- und Tabakplantagen auf Kuba. Unter dem Castro-Regime wurde ihr Besitz verstaatlicht. Rosas Mutter flüchtete mit ihrem Mann, zwei Töchtern und ihren Eltern 1961 in die USA. Außer der Kleidung am Körper, konnten sie nichts mitnehmen. Die ganze Familie Legra ist dagegen, Sanktionen gegen Havanna zu lockern und hat kein Bedürfnis, nach Kuba zu reisen.

    "Wir werden mit unseren Dollar kein kommunistisches Regime unterstützen. Ich würde gehen, wenn sie mir unseren Besitz zurückgeben würden. Meine Mutter weint die ganze Zeit, mein Vater ist deprimiert. So etwas vergisst man nicht. Wir werden niemanden besuchen!"

    Ganz anders sind die Reaktionen unter jungen Exil-Kubanern der zweiten Generation in einem kubanischen Restaurant von Los Angeles.

    Bei frittiertem Schweinefleisch in Knoblauch-Mojo-Sauce unterhalten sich die in Kalifornien geborenen Schwestern Maya Vazquez und Tina Allen über die neuen Freiheiten. Ihre Mutter kam mit einem Bruder und ihren Eltern vor rund 40 Jahren aus Kuba in die USA. Tina würde am liebsten sofort einen Flug nach Havanna buchen.

    Die 27-Jährige freut sich vor allem darauf, Cousins und Cousinen zu besuchen, die sie seit Jahren nicht gesehen hat. Aus ihrer Sicht hätten die Reisebeschränkungen schon lange aufgehoben werden sollen. Ihre ältere Schwester Maya ist weniger enthusiastisch. Das habe aber nichts mit dem kommunistischen Regime in Havanna zu tun.

    "Ich bleibe lieber in den USA oder reise nach Europa. Kuba interessiert mich einfach nicht. Europa interessiert mich. Das ist ein rein persönliches Interesse."

    Seit fast 50 Jahren bestehen zwischen den USA und Kuba Handels- und Reisebeschränkungen. Kurz nachdem die Brüder Fidel und Raoul Castro mit dem Argentinier Ernesto "Che” Guevara und anderen Revolutionären Kubas Diktator Fulgencio Batista gestürzt hatten, entwickelte US-Präsident Dwight Eisenhower einen Aktionsplan mit dem Ziel, die Etablierung eines sozialistischen Staates zu verhindern.

    Er verbot, Zucker aus Kuba zu importieren sowie Öl und Waffen nach Kuba zu exportieren. Und wies den CIA an, mit Hilfe der Exil-Kubaner einen Putsch auf der Karibikinsel vorzubereiten. Unter Eisenhowers Nachfolger John F. Kennedy scheiterte 1961 die Invasion in der Schweinebucht. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten verschlechterte sich weiter. Kennedy verhängte ein umfangreiches Reise- und Handelsembargo.

    William Ratliff, Lateinamerika-Experte des Hoover-Institutes an der Universität von Stanford fordert heute von der US-Regierung, bei der Aufhebung der Sanktionen gegenüber Kuba weiterzugehen, als die bisher von Präsident Obama angekündigten Erleichterungen bei Reisen und Geldtransfers sowie bei der Versorgung der Kubaner mit Kommunikationstechnologie:

    "Ich habe das Embargo in der Zeit des Kalten Krieges unterstützt. Seit fast 20 Jahren bin ich dagegen. Es hat nicht funktioniert. Es hat Kuba keine Demokratie gebracht, die Region nicht sicherer gemacht und auch die Lebenssituation der Kubaner nicht verbessert."

    Die Jahrzehnte nach der Invasion in der Schweinebucht sind gezeichnet durch einen ständigen Wechsel von Annährung beider Staaten und weiterer Isolierung Kubas. In den 70er-Jahren lockerte US-Präsident Jimmy Carter das Embargo.

    Die Präsidenten Reagen und Bush verschärften es in den Achtziger- und Neunzigerjahren erneut. Präsident Clinton kündigte dann neue diplomatische Beziehungen mit Kuba an, unterzeichnete jedoch 1996 den sogenannten "Helms-Burton-Act”, der US-Bürgern finanzielle Transaktionen mit Kuba sowie die Einfuhr kubanischer Waren in die USA verbietet. Drei Jahre später lockerte er wieder Reise- und Finanzaktionsbeschränkungen. Unter Präsident Bush durften Exil-Kubaner nur alle drei Jahre nahe Verwandte besuchen und alle drei Monate maximal 300 Dollar nach Kuba überweisen.

    Die mehr oder weniger harte aber immer bestehende Isolationspolitik Washingtons gegenüber Havanna fand überwiegend Rückhalt in der Gemeinde der 1,5 Millionen Exil-Kubaner in den USA. Die ist einflussreich und kapitalkräftig. Deshalb, so Lateinamerika-Experte William Ratliff, werde sich Präsident Obama zunächst nicht für weitgehende Embargo-Lockerungen einsetzen:

    "Ich denke, der Präsident wird nicht annähernd so weit gehen, wie ich es mir wünsche, weil er so viele wichtige Probleme lösen muss - und dafür jede Stimme im Kongress braucht. Der Präsident kann nicht Kongressmitglieder abschrecken, deren Stimme er möglicherweise bekommt, wenn er mit großen Veränderungen in der Kubapolitik noch etwas wartet. Das kann er nicht riskieren."

    Besonders älteren Exil-Kubanern in den USA gehen die von Präsident Obama beschlossenen Lockerungen bereits viel zu weit. Sie und ihre Unterstützer verweisen auf anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Kuba, auf die Verfolgung von politischer Opposition und religiösen Gruppen, auf willkürliche Massenverhaftungen, auf stark eingeschränkte Informations-, Versammlungs- und Reisefreiheit.

    Rosa Legra, deren Familie Plantagen, Schmuck und alle anderen Besitztümer in Kuba zurückließ, warnt vor einer verklärten Sicht auf die Situation:

    "Sie hungern, es gibt nichts zu essen, nichts anzuziehen. Schlimme Dinge sind passiert - Menschen wurde der Kopf abgehackt. Meine Mutter erinnert sich daran. Freunde von ihr wurden verhaftet, weil sie katholisch sind. Und hart dafür bestraft."

    Tina Allens Mutter erzählt nicht viel von Kuba. Doch die 27-jährige Tochter ist neugierig. Sie kann es kaum erwarten, sich endlich ein eigenes Bild von dem Land zu machen.

    Sie gibt zu, wenig vom Land heute und von seiner Geschichte zu wissen. Weil sie nie nach Kuba reisen konnte, habe sie auch nicht viel darüber reden wollen. Zur Feier der neuen Reisefreiheit fordert Tina: Zigarren für alle.