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Obama und Romney als Konkurrenz der Wirtschaftsmodelle

Constanze Stelzenmüller, Expertin vom German Marshall Fund, glaubt, dass die Wirtschaftsdaten zur Wahl am 6. November darüber entscheiden werden, wer der nächste US-Präsident wird. "Obama muss die Wähler überzeugen, dass er die Wirtschaft im Griff hat", sagt sie. Und das liege nicht wirklich in seiner Macht.

Constanze Stelzenmüller im Gespräch mit Sandra Schulz | 31.08.2012
    Sandra Schulz: Nominiert ist er offiziell seit Mittwoch. Jetzt hat der frisch gekürte Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner auch mit seiner Nominierungsrede nachgelegt. Allerspätestens damit ist die heiße Phase des Wahlkampfs eröffnet, was man auch daran merkt, dass Mitt Romney zwölf Millionen neue Jobs versprochen hat, falls er US-Präsident Barack Obama bei den Präsidentschaftswahlen Anfang November aus dem Weißen Haus vertreiben sollte. Eines hat er schon geschafft, was vorher alles andere als gewiss war: Mit seinem Auftritt hat er die Delegierten von den Stühlen gerissen.

    - Wir wollen in den kommenden Minuten darüber sprechen mit Constanze Stelzenmüller, Expertin für Außenpolitik beim German Marshall Fund, jetzt am Telefon bei uns. Guten Tag!

    Constanze Stelzenmüller: Guten Tag, Frau Schulz.

    Schulz: Ist alles perfekt gelaufen für Mitt Romney?

    Stelzenmüller: Na ja, ich würde sagen, perfekt inszeniert und da die Erwartungen ja niedrig waren und niedrig gehalten wurden auch, gerade von den Leuten, die Romney vermarkten mussten, sind, glaube ich, die positiven Reaktionen jetzt nicht überraschend. Die Frage ist immer noch, woran werden die Leute entscheiden. Und das werden die Wirtschaftsdaten sein am 6. November.

    Schulz: Sie klingen jetzt so kritisch. Was hat denn nicht gut geklappt?

    Stelzenmüller: Ich meine das gar nicht so kritisch. Ich glaube, wir haben hier zwei Kandidaten, die beide Stärken und Schwächen haben. Dass Romney ein guter Geschäftsmann ist, ist, glaube ich, unbestritten. Und dass Obama viele seiner Anhänger enttäuscht hat und insgesamt eben auch eine eher kühle, distanzierte, gelegentlich etwas herablassend wirkende Aura hat, ist vielen Amerikanern inzwischen auch klar. Das heißt, es ist nicht so, als ob hier eine besonders starke Persönlichkeit gegen eine schwache steht, sondern letztlich sind es zwei unterschiedliche Wirtschaftsmodelle. Und wie sich die Amerikaner zwischen diesen beiden Wirtschaftsmodellen und vor allen Dingen auch Staatsmodellen entscheiden, wird wie schon gesagt davon abhängig sein, wie die Wachstumsraten aussehen am 6. November, wie die Arbeitslosenraten aussehen, wie die Amerikaner sich fühlen.

    Schulz: Das heißt also, es bleibt, jedenfalls wenn wir auf die Republikaner schauen und den Running Mate von Romney, Paul Ryan, es bleibt bei dieser Aufgabenverteilung: Ryan ist derjenige, der fürs Charisma zuständig ist. Und Romney derjenige für die Zahlen?

    Stelzenmüller: Ja. Es ist mit Sicherheit so, dass es beiden ernst ist mit der Reduzierung von dem, was in Amerika gerne "Big government" genannt wird, also die Reduzierung der Rolle des Staates insbesondere bei den Sozialausgaben, die Kürzungen des gewaltigen staatlichen Budgetdefizits des Bundes. Nur das hat sich schon mancher Präsident vorgenommen und war dann sehr überrascht, als er ins Amt kam, wie schwierig das ist und wie groß die Widerstände da sind, im Kongress, in der Regierung und in den Ministerien. Wir sollten ja nicht vergessen, dass auch Obama gedacht hat, er könnte Guantanamo einfach schließen. Und er war dann sehr überrascht, dass ihm das nicht gelungen ist.

    Schulz: Wenn wir bei der wohl spektakulärsten Ankündigung bleiben oder darauf schauen wollen - zwölf Millionen neue Arbeitsplätze hat Romney angekündigt oder will er schaffen, wenn er gewählt wird -, ist das ein typisches Wahlversprechen. Oder ist das sozusagen ansatzweise im Bereich des Realistischen?

    Stelzenmüller: Das ist, glaube ich, in niemandes Macht, das zu versprechen. Das wissen die Wähler aber auch, das wissen selbst enthusiastische republikanische Wähler.

    Schulz: Und das heißt, für die Wahlentscheidung ist das einfach so in den Raum gestellt, aber mehr auch nicht?

    Stelzenmüller: Ich traue selber der amerikanischen Wirtschaft ziemlich viel zu. Die Amerikaner haben immer noch ein gewaltiges Innovationsvermögen, investieren mehr in Forschung, Biotechnologie, überhaupt alle möglichen Schwellentechnologien als irgendein anderes Land der Erde. Ich traue es der amerikanischen Wirtschaft durchaus zu, sich zu erholen. Die Frage ist, ob sie es bis zum 6. November tut.

    Schulz: Wie hat sich Mitt Romney denn da bisher positioniert als früherer Unternehmer? Nimmt man ihm das jetzt immer noch übel. Oder wird das ein Pluspunkt?

    Stelzenmüller: Ich glaube, dass Romney immer noch Schwierigkeiten hat, die Menschen davon zu überzeugen, dass er sozusagen ein normaler Mensch ist, ein Mensch wie sie. Die Republikaner sind sich ja sehr bewusst, dass auch sie es mit einer, sich ganz massiv wandelnden Demografie in Amerika zu tun haben, sprich einer rasanten Entwicklung der sogenannten nicht-weißen Bevölkerung, Hispanics vor allen Dingen und Afroamerikaner, sehr viele Migranten aus Mittel- und Lateinamerika, aus Mexiko vor allen Dingen. Und das sind Wählergruppen, die sich nicht unbedingt von den Republikanern angesprochen fühlen. Das hat Romney heute versucht zu tun. Er hat auch versucht, mithilfe des sehr warmherzigen emotionalen Auftritts seiner Frau auch die weiblichen Wähler und die weiblichen Wechselwähler, die alle eher noch zu Obama tendieren, zu überzeugen. Erste Umfragen zeigen, dass ihm das etwas gelungen ist, aber ob es reichen wird, das kann jetzt, glaube ich, keiner ernsthaft wirklich vorhersagen.

    Schulz: Wie werden sich da jetzt die Kritiker verhalten, die sich ja am Mittwoch bei seiner offiziellen Nominierung noch mal ganz lautstark zu Wort gemeldet haben? Werden die jetzt eher verstummen. Oder hauen die weiter auf die Pauke?

    Stelzenmüller: Das glaube ich nicht. Ich glaube, diese Tea-Party-Bewegung in Amerika ist sehr, sehr stark. Die sind enttäuscht davon, dass ihr Vertreter nur Vizepräsidentschaftskandidat geworden ist, der Kongressabgeordnete Paul Ryan. Und Tatsache ist ja auch, dass der Herr Ryan, so charismatisch und energisch wie er ist, die Nummer eins etwas besser aussehen lässt. Ich glaube, die Tea Party wird, so denn Mitt Romney ins Amt kommt am 6., beziehungsweise dann im Januar sein Amt antreten würde, ihren Kandidaten schon zum Jagen tragen. Das heißt, sie würden dann mit einigen sehr präzisen Forderungen auftreten und in Paul Ryan ihren Mann sehen, um diese Forderungen umzusetzen, ob der Präsident das will oder nicht.

    Schulz: Kann man das pauschal beantworten? Haben die Republikaner mit ihrem Nominierungsparteitag jetzt die Wahl oder ihren Wahlerfolg wahrscheinlicher gemacht?

    Stelzenmüller: Sie haben, glaube ich, die Lage von Mitt Romney etwas verbessert, soweit das möglich ist mit einer so stark inszenierten, von vorne bis hinten durchgeschminkten, wenn Sie so wollen, politischen Veranstaltung. Die Erfahrungen, die man in Amerika mit solchen Konventen hat, ist, der Eindruck dauert vielleicht zwei, drei Tage und dann kommt eben schon der nächste Konvent, nämlich der der Demokraten nächste Woche, wo Präsident Obama seine erneute Kandidatur offiziell machen wird, die natürlich schon längst klar ist. Ich glaube, viel wird dann abhängen in einem nächsten Schritt von den Präsidentschaftsdebatten, den Gesprächen zwischen den beiden, und da kann man schon gespannt sein, wie Obama, der wie schon gesagt sehr kühl und sehr professoral wirken kann, was auch nicht allen Wählern gefällt, wie der dann gegen den Geschäftsmann Romney auftritt. Ich glaube, da können wir uns alle schon mal einen Platz vor dem Fernseher mit einem Handtuch belegen.

    Schulz: Was muss Obama denn jetzt abliefern? Welche Bereiche könnte er bedienen?

    Stelzenmüller: Obama muss, glaube ich, die Wähler überzeugen, dass er die Wirtschaft im Griff hat. Und das ist ehrlich gesagt zwischen jetzt, dem 31. August, und dem 6. November nicht wirklich in seiner Macht. Wir haben alle gesehen, in den letzten Jahren, in fünf Jahren Wirtschaftskrise, dass es Regierungen, auch der Regierung einer Supermacht schwerfällt, die extrem volatilen Märkte mit Hilfe von Regierungsentscheidungen in den Griff zu bekommen. Das geht eigentlich nicht. Und eine Entwicklung, die den Amerikanern sehr zu denken gegeben hat und natürlich noch zu denken gibt, ist die Krise in Europa, die ja nicht nur eine Finanzkrise ist, sondern auch eine Governance-Krise, eine Glaubwürdigkeitskrise des europäischen Projekts. Und die Amerikaner haben in den letzten Jahren gelernt, dass die tiefe Wirtschaftsintegration zwischen Amerika und Europa bedeutet, dass eine Krise, die in Europa stattfindet, auch Amerika direkt tangiert – über die vielen Unternehmen, die hier investieren und umgekehrt. Das macht den Amerikanern große Sorge, und darauf hat der Präsident überhaupt keinen Einfluss.

    Schulz: Constanze Stelzenmüller vom German Marshall Fund, heute hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke dafür!

    Stelzenmüller: Bitte schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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