"In der Regel wird seit den 70er Jahren schon ein Verfahren gewählt in der Gesellschaft: Man ordnet das 'Oben - Mitte – Unten' in der Gesellschaft nach der Schichtzugehörigkeit. Und Schichtzugehörigkeit heißt, es werden drei Kriterien für die Leute verwendet: Berufszugehörigkeit, das Einkommen und der Bildungsgrad. Das ist Standard."
Wer gehört in Deutschland zur Elite? Wie geht es der gesellschaftlichen Mitte? Wer ist von Armut und Ausgrenzung betroffen? Und wie gerecht sind Chancen und Einkünfte in unserer Gesellschaft verteilt? "Oben – Mitte – Unten" heißt ein Band der Bundeszentrale für Politische Bildung, in dem Sozialwissenschaftler die Sozialstruktur unserer Gesellschaft "vermessen". Damit geben sie zugleich einen Einblick in die Normen, Denkweisen und Lebenslagen der sozialen Schichten. Aber - wo verlaufen eigentlich die Grenzen zwischen "denen da oben", der gesellschaftlichen Mitte und der Unterschicht? Der Mainzer Soziologe Prof. Stefan Hradil schrieb die Einführung zum Buch:
"Da gibt es viele Versuche und viele Kritiken, beispielsweise wurde häufig ein Standard gewählt, dass 70 Prozent des mittleren Einkommens die untere Grenze der Mittelschicht ist und 150 Prozent die obere Grenze."
In Euro bedeutet das: Wenn ein Single zwischen 1160 und 2460 Euro und eine Familie mit zwei Kindern zwischen 2400 und 5160 Euro monatlich netto verdienen, dann zählen sie zur Mittelschicht. Jedenfalls wenn sie, so ergänzen viele Wissenschaftler, einen Realschulabschluss und eine berufsqualifizierende Ausbildung vorweisen können.
"Aber das ist weitgehend willkürlich und umstritten. Und das spiegelt eigentlich die Tatsache wider, dass in unserer Gesellschaft keine exakt feststellbaren Grenzen mehr zwischen den Schichten existieren."
Gehört ein Student mit 800 Euro monatlich etwa zur Unterschicht? Eine Familie mit einem Nettoeinkommen von 5500 Euro pro Monat zur Oberschicht? So wie auch der Vorstand eines Dax-Unternehmens, der im Jahr 2014 im Durchschnitt 5,3 Millionen kassierte? Und 135 Familien in Deutschland besitzen sogar ein Vermögen von mindestens einer Milliarde Euro. Gerade 'oben' herrscht also ein ausgeprägtes Gefälle.
Oberschicht verwehrt Soziologen Analyse ihrer Lebenswelt
"Die, die wirklich ganz oben sind, das sind zwei Gruppen. Einmal die sogenannten Eliteangehörigen. Elite heißt in dem Fall nicht die Besten oder die Schönsten, sondern Elite heißt, diejenigen, die in Positionen sind, von denen man gesellschaftlichen Einfluss ausüben kann. Und die zweite Gruppe sind die wirklich Reichen."
Und wer ist "wirklich reich"?
"Es ist eine vernünftige Definition, sich nicht an Zahlen festzuklammern, sondern zu sagen, wer so viel auf der hohen Kante hat, dass er nicht mehr arbeiten muss, dass er sein Leben so gestalten kann, was den Erwerb betrifft, wie er mag, der kann als reich gelten. Und da müssen Sie schon einiges auf der hohen Kante haben, um zu wissen, dass Sie nie mehr in Ihrem Leben arbeiten müssen."
Während die Lebensstile der Mittel- oder Unterschicht recht gut erforscht sind, verwehrt die "Oberschicht" den Soziologen den Zutritt zu ihren Lebenswelten. Allenfalls Glamour-Magazine meinen, deren Lifestyle auf ihren Hochglanzfotos von Motorjachten, Jet-Set-Partys oder Wohltätigkeitsbällen einfangen zu können. "Wohltätigkeit" scheint übrigens wirklich ein Anliegen der Reichen zu sein. Erscheint doch ihr Reichtum dadurch legitimiert, dass sie der Gesellschaft "etwas zurück geben" statt im "demonstrativen Müßiggang" zu leben. Das beschreibt der Potsdamer Bildungsforscher Wolfgang Lauterbach, wenn er den Reichen ein überdurchschnittliches "philanthropisches Engagement" bescheinigt. Ein Teil des Vermögens werde zu gemeinnützigen Zwecken, in Stiftungen oder Hilfsprojekten zur Verfügung gestellt. Getragen durchaus von dem Wunsch, Probleme der Gesellschaft aktiv und gestaltend selbst zu lösen. Nicht selten gehe dies mit der Überzeugung einher, dass staatliche Eingriffe in vielen Bereichen ineffizient sind. Und daraus folgt, so der Darmstädter Soziologe Prof. Michael Hartmann:
"Steuern ist in diesen Kreisen etwas, da nimmt der Staat einem etwas weg, was man sich hart erarbeitet hat und der Staat kann mit Geld sowieso nicht umgehen."
Für Michael Hartmann leben die deutschen Eliten in einer "Parallelwelt", die nach anderen Maßstäben funktioniert als die der normalen Bundesbürger. In einer Studie untersuchte er die Lebenswelt der oberen 1000 unserer Gesellschaft. Sie stehen den sozialen Unterschieden in Deutschland weit weniger kritisch gegenüber als jene, die aus weniger wohlhabenden Schichten stammen. Und die meisten von ihnen verbrachten schon ihre Kindheit und Jugend unter privilegierten Bedingungen. Für Hartmann bedeutet das: Erfolg in Deutschland ist oftmals erblich.
"Also wenn man sich die deutsche Kernelite anschaut, ... die, die die 1000 wichtigsten Machtpositionen bekleiden, dann stellt man fest, dass zwei von dreien aus dem oberen 3,5 Prozent der Bevölkerung stammen, die stammen aus Familien, die wohlhabend waren oder auch reich.... Und was man feststellen kann, dass die Kindheit und Jugend, wie man groß geworden ist, sehr prägend geworden ist für die Wahrnehmung der Welt."
Aufstieg durch Leistung als großes Versprechen der Nachkriegszeit
Und diese Wahrnehmung der Welt ist geprägt von dem Glauben an die eigene Leistung als Grundlage des verfügbaren familiären Reichtums, selbst da, wo es sich um Milliarden handelt. Zwar leugnen die Abkömmlinge reicher Familien keineswegs, dass ihr Elternhaus mitentscheidend für die eigenen Lebenschancen war. Doch letztlich sei die harte Arbeit der entscheidende Grund für den eigenen Wohlstand, wie auch schon für den ihrer Väter und Großväter. Michael Hartmann in einem Vortrag:
"Wenn man dann weiter fragt, sind die sozialen Unterschiede, so wie sie in Deutschland existieren, gerecht? Diejenigen, die in Reichtum aufgewachsen sind, sagen mit einer Mehrheit, die sind gerecht... weil sie das zurückführen auf Leistung. Die oben haben eben mehr geleistet und die unten ... die sitzen vorm Fernsehen, hauen sich Chips rein und gucken bescheuerte Programme. Wir dagegen, wenn wir fernsehen, gucken wir Arte und trinken teuren Wein."
Aufstieg durch Leistung war ja das große Versprechen der Nachkriegszeit. Allerdings sollte die Herkunft dabei keine Rolle spielen. Die Nachkriegsgesellschaft war aufstiegsorientiert und durchlässig, weshalb der Soziologe Helmut Schelsky sie Anfang der 50er Jahre als "nivellierte Mittelstandsgesellschaft" beschrieb. In der Tat konnten damals die unteren und mittleren Einkommensbezieher ihren Anteil am Kuchen vergrößern, während der Anteil der Spitzeneinkommen sank. Klassenkampf war gestern, die Mitte sorgte für politische und wirtschaftliche Stabilität. Ähnliche Gedanken gab es übrigens schon in der Antike, schreibt der Politologe Herfried Münkler. Gegen Platons Idee einer Herrschaft der Besten – der Philosophen nämlich - sah Aristoteles in der Mitte die Garantie für eine stabile Gesellschaft. Denn sie könne die Extreme ausbalancieren. Heute ist es die Lebensführung der Mittelschicht, die als gesellschaftliches Leitbild gilt:
"Weil es sich darauf beruft, dass man fleißig ist, dass man aktiv ist, dass man in die eigene Bildung investiert, dass einem nichts in den Schoß fällt, dass man fleißig dafür gearbeitet hat."
Prof. Steffen Mau, Soziologe an der Humboldt-Universität Berlin über die Werte der Mittelschicht:
"Das ist etwas, das ist in die gesamte Gesellschaft hinein diffundiert, das betrifft auch die Oberschichten. Selbst wenn man es nicht mehr müsste, steht man früh auf und geht arbeiten. Und für die Unterschichten trifft das ähnlich zu. Also wenn Sie sich nicht so verhalten, wie das normative Modell der mittelschichtlichen Lebensführung vorschreibt, dann sind Sie mit Vorbehalten konfrontiert, die Ihnen dann signalisieren sollen, Sie müssten sich doch so verhalten wie die Mittelschicht, um dann langfristig doch dazu gehören zu können."
Seit den 80er Jahren vergrößern sich die Einkommensungleichheiten wieder. Die Wohlhabenden sind reicher und vermögender geworden, während die Einkommenszuwächse der Mitte moderat bis gering ausfielen. Andererseits, gibt Steffen Mau zu bedenken, hat sich zwischen 1984 und 2010 die Zahl der Menschen mit mittlerer und höherer Bildung verdoppelt. Eine "Krise der Mittelschicht", wie sie in den letzten Jahren geradezu alarmistisch ausgerufen wurde, sieht Steffen Mau deshalb nicht.
"Jetzt haben wir eine längere Phase gehabt, die geprägt war durch stagnierende Einkommensentwicklung in der Mittelschicht. Andererseits auch durch wesentliche Veränderungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt. Strukturwandel, noch vor 10 Jahren hohe Arbeitslosigkeit, die Hartz-IV-Gesetze, das waren alles Dinge, wo die Mittelschicht sich bedroht gefühlt hat. Aber wir haben keine massenhaften Abstürze aus der Mittelschicht gesehen. Wir haben im Hinblick auf die ökonomische Definition der Mittelschicht ein Schrumpfen sehen können dieser mittleren Einkommensgruppe um 5 oder 6 Prozent, aber eben auch seit 7 oder 8 Jahren eine relative Stabilität."
Mehr als 60 Prozent der Deutschen gehören zu Mittelschicht
Zur Mittelschicht zählen nach wie vor etwas mehr als 60 Prozent der Bevölkerung. Sie ist stabiler als gedacht und fühlt sich lange nicht so verunsichert, wie manche Krisendiagnosen vermuten lassen. Neu allerdings ist, so Stefan Hardil:
"Dass auch in der Mittelschicht anders als in den 60er, 70er Jahren die perfekte Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Dort kann es Ihnen auch heute passieren, dass sie mit einer Ausbildung, die nicht mehr marktgängig ist, nach unten fallen. Es kann Ihnen aber auch passieren, dass sie mit einer anderen Ausbildung, im IT Bereich oder sonst wo in die Oberschicht aufsteigen. Also, der Wind ist rauer geworden. Die Chancen sind gewachsen, aber auch die Risiken sind gewachsen in der Mittelschicht. Und das war nicht typisch für die Mittelschicht der Nachkriegszeit."
Rauer geworden ist der Wind aber auch für die "ganz unten". Das sind die, die weniger als 70 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen. Ein Single zum Beispiel, der weniger als 900 Euro netto verdient, eine vierköpfige Familie, die, je nach Rechnung, zwischen 1.870 und 2.450 Euro zum Leben hat. Nicht viel Geld, zweifelsohne! Doch ob dies die richtige Methode ist, Armut zu messen, ist durchaus umstritten. Heißt das doch, wenn alle Deutschen morgen schlagartig das Doppelte verdienen würden, wäre die Armut in Deutschland immer noch genau so groß. Nicht umstritten allerdings ist, dass es immer weniger Menschen möglich ist, aus dieser relativen Armut aufzusteigen.
"Wir haben vor allem eine zunehmende Verfestigung von Armut."
So Olaf Groh-Samberg, Professor für Soziologie an der Universität Bremen. Und dies, obwohl sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf einem nahezu historischen Tiefstand befindet:
"Seit 2005 ist die Arbeitslosigkeit sehr stark zurückgegangen, die Armut aber nicht. Sie ist bestenfalls stagniert und Ausstiegsbewegungen aus der Armut haben trotzdem nicht signifikant zugenommen. Und das hängt damit zusammen, dass die Struktur der Beschäftigung sich zunehmend verschlechtert hat. Wir haben zunehmend prekäre Jobs, wir haben Niedriglohnjobs. Und dass es aus diesen prekären Jobs auch wenig Aufstiegsmöglichkeiten in besser bezahlte Jobs gibt."
In seinem Aufsatz "Ende der Aufstiegsgesellschaft?" beschreibt Olaf Groh-Samberg eine abnehmende "Aufstiegsmobilität" aus der Armut. Ein durchaus überraschender Befund, ist doch angesichts der wirtschaftlichen Prosperität in Deutschland allerorts von Fachkräftemangel – und nicht nur in den akademischen Berufen - die Rede. Mangelt es der deutschen Unterschicht also doch an "Aufstiegswillen", wie es vor 9 Jahren der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck formulierte? Ist das eigentliche Problem der Unterschichten nicht die Armut, sondern eine "Unterschichtenkultur" bestehend aus Fastfood, Unterschichten-TV und mangelndem Interesse an Bildung, wie es der Historiker Paul Nolte beschrieb?
"Es liegt sicher nicht am fehlenden Aufstiegswillen. Es liegt ganz klar an fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten, und das sieht man daran, dass die Bildungschancen sehr schlecht sind. Also Kinder aus armen Familien sind häufiger auf Hauptschulen und haben generell schlechtere Bildungschancen, mit einem schlechten Schulabschluss kriegt man keine Ausbildung mehr, man ist auch bei der Ausbildungssuche benachteiligt und auch wenn man geringe Ausbildungsabschlüsse hat wird's immer schwerer einen guten Job zu finden."
Soziologe: Neuer Unterschicht fehlt jede Form von Kollektividentität
Den neuen Unterschichten fehlt im Unterschied zum klassenbewussten Proletariat früherer Zeiten jede Form von Kollektividentität, so der Jenaer Soziologe Klaus Dörre über das Prekariat von heute. Für ihn liegt das vor allem an der "Wiederkehr und Ausbreitung entwürdigender Arbeit", wie sie durch die Deregulierung der Arbeitsmärkte entstanden sei. Wer stets nur zwischen prekärer Arbeit, aufstockenden Leistungen und Arbeitslosigkeit pendelt, verliert die Bindung an die leistungs- und aufstiegsorientierten Mittelschichtsnormen. Er bleibt ein Gefangener seiner Lebenslage.
"Wenn mit der Unterschicht Sondermilieus entstehen, dann zerbröselt vielleicht auch dieser Traum vom Aufstieg oder der Glaube daran, dass, wenn man nur fleißig genug ist und man nur früh genug aufsteht, man in der Mittelschicht Fuß fassen kann. Und das braucht man auch als Motivationshintergrund für bestimmte Orientierungen und Aktivitäten. Und das ist etwas, was zu Hause erlernt wird und wo die Eltern auch sehr stark Vorbild sind."
Den bildungsfernen Schichten Bildung näher zu bringen, scheint deshalb oft der Schlüssel für den Ausstieg aus der prekären Lebenslage. Allerdings, gibt Olaf Groh-Samberg zu bedenken, arbeiten die Mittel- und Oberschichten hart daran, den Bildungsabstand zur Unterschicht aufrecht zu erhalten.
"Wenn die Mittelschichten und Oberschichten so viel dazu tun, dass ihre Kinder möglichst fit sind, dann intensiviert sich der Bildungswettbewerb und der geht dann natürlich zu Lasten der Kinder, die aus Familien kommen, wo es nicht so hohe Bildungsressourcen gibt, wo auch diese Unterstützung nicht in dem Maße geleistet werden kann wie das in Mittel- und Oberschichten passiert."
Zweifellos sind heute alle westeuropäischen Länder nach wie vor mittelschichtdominiert.
Aber anders als in der Nachkriegszeit, als sich soziale Ungleichheiten abschliffen, haben die Extreme an den Rändern der Gesellschaft wieder zugenommen.
"Wir haben eine starke Zunahme an Einkommensungleichheiten, wir haben eine starke Zunahme an Vermögensungleichheiten, und wir haben auch eine starke Zunahme an prekären Jobs, an Niedriglohnjobs, wir haben den höchsten Niedriglohnsektor in Europa. Und das heißt, die Ungleichheitsstruktur, die hat sich geweitet und geöffnet. Ebenso am oberen Rand, wo wir sehen, dass immer mehr Reichtum akkumuliert wird in den obersten Etagen der Gesellschaft."
Liberale halten Ungleichheiten für akzeptabel
Allerdings beanspruchen auch Demokratien nicht zwangsläufig, frei von Ungleichheiten zu sein. Solange es allen immer besser geht und jeder die Chance hat, sozial aufzusteigen, gelten Ungleichheiten als akzeptabel. Und ab wann Ungleichheit als ungerecht empfunden wird, meint Stefan Hradil, sei nicht zuletzt eine Frage der politischen Couleur.
"Ein Liberaler wird sagen, die Chancengerechtigkeit und die Leistungsgerechtigkeit ist für mich am wichtigsten. Dann kommen Sie mit Verhältnissen mit relativ großen Lohnabständen sehr gut zurecht, solange Sie diese als Konsequenz von unterschiedlicher Leistung interpretieren können. Ein Sozialist, dem die Gleichheit viel bedeutet, der kommt damit gar nicht zurecht und sagt, ich will nicht, dass Manager so viel mehr verdienen wie die Reinigungskraft, die ihr Büro reinigt. Deswegen können Sie nicht sagen, dass ab einer gewissen Grenze der Ungleichheit die Ungerechtigkeit beginnt. Das sind unterschiedliche Ansichten, die eng mit politischen Milieus verknüpft sind."
Nach einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2014 finden allerdings 59 Prozent der Deutschen, dass es in Deutschland nicht gerecht zugehe. Und nur 21 Prozent halten Vermögen und Verdienste für fair verteilt. Die Einführung des Mindestlohns sowie die Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte wurden von über 70 Prozent der Deutschen deshalb auch begrüßt. Politische Pläne, mehr Gerechtigkeit durch Umverteilung qua Steuererhöhungen herzustellen, goutierten die Bürger allerdings nicht.
"Das Irritierende an der gegenwärtigen Situation ist, dass die meisten Leute diese Auseinanderentwicklung von Einkommen und Vermögen nicht gut finden, irgendwie finden die meisten es nicht gerecht, was in den letzten 30 Jahren läuft. Aber es wird vor allem, seit die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist, eher mit einem Achselzucken hingenommen. Es hat sich auch für bestimmte Parteien nicht ausgezahlt, die Frage der Gerechtigkeit anzustreben. Es ist den Menschen offensichtlich nicht das Wichtigste. In ihren Zielvorstellungen, zum Beispiel, sind flächendeckende Beschäftigungschancen für die meisten Leute sehr viel wichtiger."
Solange der zu verteilende Kuchen weiter wächst, hält sich die Empörung über die ungleiche Verteilung der Kuchenstücke also offensichtlich in Grenzen. Denn mit dem Wachstum verbindet sich die Hoffnung, dass es für alle zumindest ein bisschen aufwärts geht. Was nach den neuesten Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in den Jahren 2011 und 2012 auch der Fall war. Die Einkommensschere zwischen Arm und Reich öffnete sich aber trotzdem weiter. Und, so Stefan Hradil, würde der Kuchen wieder schrumpfen, könnte die Diskussion, wie die Stücke verteilt werden, schnell an Schärfe gewinnen.