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Oberreuter hält Stoibers Krisenmanagement für desolat

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter erwartet von der CSU keine schnelle Beilegung ihrer Führungskrise. Er rechne im Ergebnis der Krisengespräche mit einem trügerischen Kompromiss. "Damit kommt die CSU in ein unglaubliches kommunikatives Dilemma und in eine Vertrauenskrise, die sie sehr beschädigen könnte", sagte Oberreuter.

Von Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: "Wenn ich nur geschwiegen hätte", mag sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber seit der vergangenen Woche denken. Es hatte schon einer enormen Kraftanstrengung bedurft, die Wogen um seine politische Zukunft zu glätten, nachdem bekannt wurde, dass sein Büroleiter Erkundigungen über das Privatleben der Stoiber-Kritikerin Pauli eingeholt hatte, aber dass Stoiber die Solidaritätserklärung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth zum Anlass nehmen würde zu erklären, er werde bis 2013 weitermachen, so jedenfalls musste er verstanden werden, das hat ihn wieder in die Schusslinie gebracht. Heute Vormittag also Krisengespräche in der Münchener Staatskanzlei. Zunächst stand ein Gespräch mit Landtagspräsident Alois Glück auf dem Programm.

    Am Telefon ist jetzt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Er ist Direktor der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Schönen guten Tag!

    Heinrich Oberreuter: Guten Tag, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Oberreuter, seit Wochen diskutiert die Republik über die politische Zukunft von Edmund Stoiber, und immer wieder bringt er sich selbst in die Schusslinie. Sein Krisenmanagement kann man nur als desolat bezeichnen, oder?

    Oberreuter: Ja, natürlich. Das Krisenmanagement der Staatskanzlei ist desolat, und das strahlt natürlich auch auf die Partei aus. Es ist nicht zu sehen, wie da Befriedung stattfinden soll, und ein Ausweg ist gegenwärtig nicht in Sicht.

    Heckmann: Wie ist denn zu erklären, dass es zu einem solchen schlechten Krisenmanagement kommt?

    Oberreuter: Zu erklären ist das natürlich durch eine lange Vorgeschichte. Wir haben ja die merkwürdige Situation, dass eine herausragend hervorragende Leistungsbilanz eines Ministerpräsidenten auf der einen Seite zu besichtigen ist und auf der anderen Seite emotionale Verwerfungen, die das Charisma, das ihm zugewachsen war, eigentlich zerstört haben. Das ist eine Entwicklung, die im Grunde nach dem phänomenalen Wahlsieg von 2003 begonnen hat, als doch eine sehr rigide und ruppige Politik die Sparmaßnahmen durchgesetzt hat, die Verwaltungsreform durchgesetzt hat, die wichtige Klientelgruppen innerhalb der CSU verärgert hat. Die hat erste Zweifel aufkommen lassen und Widerstände, die dann aufgebrochen sind bei dem versäumten Wechsel nach Berlin. Das ist ihm ausgelegt worden als ein Verrat an der bayerischen Verlässlichkeit weit über die Parteimitglieder hinaus. Das ist die merkwürdige Situation, die man eigentlich nicht greifen kann so recht und die man auch nicht einfach durch ein erfolgreiches Weiterregieren korrigieren kann.

    Heckmann: Nach der Solidaritätserklärung der CSU-Spitze vom Beginn der vergangenen Woche war Stoiber gefragt worden von einem Journalisten, ob er bis 2013 weitermachen wolle, und er antwortete mit den Worten, er sei bekannt dafür, dass er keine halben Sache mache. Wenn er das nicht gesagt hätte, wäre die Sache jetzt erledigt gewesen?

    Oberreuter: Sie wäre zumindest in einer eleganteren Situation. Man hat ihm ja letzte Woche am Montag Brücken gebaut durch einen einstimmigen Beschluss der Präsidiumsmitglieder und alle Bezirksvorsitzenden, die nicht im Präsidium sind, sind dazugezogen worden. Man hat in Kreuth I bei der Berliner Landesgruppe auch Solidaritätsadressen verabschiedet. und es wäre jetzt eigentlich in Kreuth II wohl ähnlich gelaufen. Man hätte eine Strategie entwickelt, wie man diese Nachfolgediskussion eindämmt. Weggekriegt hätte man sie wahrscheinlich nicht ganz, aber wie man sie eindämmt und wie die Linie der Partei aussieht. Und dann kam dieser Ausrutscher, als er sagte, ich mache keine halben Sachen. Hätte er mit dem bayerischen Volksphilosophen Franz Beckenbauer gesagt "schauen wir mal, dann sehen wir schon", dann hätte es keinen Ansatz gegeben, ihn erneut vors Tribunal der Partei zu zerren. Er hat sich das ein bisschen selber zuzuschreiben und ist jetzt in einer Situation, die unangenehm ist für alle Beteiligten, aber er hat sich entschlossen zu kämpfen. Und das kann für die Partei insgesamt ganz unangenehm werden.

    Heckmann: Ein Ausrutscher, von dem sprechen Sie, der ein Zeichen ist für Realitätsverweigerung auch?

    Oberreuter: Ich habe schon auch den Eindruck, dass die Realität, wie die Staatskanzlei sie sieht, mit der, die im Lande herrscht und auch in der Partei, nicht ganz in Deckung zu bringen ist. In der Staatskanzlei sieht man die Erfolgsdaten. Man sieht die Regierungseffizienz. Man hört natürlich auch immer wieder, wenn man das Land bereist, wie grandios man ist. Das ist ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Man hört aber bei diesen Reisen natürlich nicht, wenn hintenherum getuschelt wird oder wenn andere, die gar nicht da sind und vielleicht noch weniger betroffen und weniger kompetent sind, ihre Vorbehalte äußern, während die Abgeordneten natürlich all das viel hautnaher mitkriegen.

    Man muss halt sehen: Auch Abgeordnete sind Interessen tragende Menschen. Die wollen wiedergewählt werden und viele von denen, die Stoiber praktisch durch seine exorbitanten Wahlerfolge ins Parlament gebracht hat, die sehen jetzt die Gefahr, bei einem mäßigeren Wahlerfolg wieder rauszufliegen. Die betreiben natürlich auch Eigensicherung. Das mag moralisch wenig schön sein, aber das ist halt in der Politik so.

    Heckmann: Zumal Umfragen die CSU derzeit bei 45 Prozent sehen. Halten Sie es angesichts dieser Zahlen für ausgemacht, dass Stoiber der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2008 wird, oder hat er sich die Chancen verdorben?

    Oberreuter: Die Umfragen sind natürlich ein Problem, und sie sind in einer anderen Hinsicht auch noch ein Problem: Die Daten, mit denen wir da konfrontiert worden sind, sind Stimmungsmessungen. Es war ausdrücklich nicht die Wahlsonntagsfrage. Insofern steht die CSU mit Sicherheit besser da als bei dieser Blitzbefragung. Man hat das den Leuten nicht richtig erklärt.

    Auf der anderen Seite sagen aber auch diese Stimmungsdaten, dass die 50-Prozent-Grenze erheblich gefährdet ist. Das ist die Marke, die die CSU sich selber setzt, die in gewisser Weise gilt, um ihren besonderen bundesweiten Anspruch zu zementieren, die auch wichtig ist, um der CDU ausreichend bayerische Stimmen zuzuführen, um bundespolitisch überhaupt aktionsfähig zu sein. Insofern hat jeder Spitzenkandidat, jeder Spitzenmann, der unter diese Marke dauerhaft fällt, damit zu rechnen, dass Gefahren auf ihn zukommen. Selbst wenn die jetzige Situation noch mal bereinigt werden sollte mit Loyalitätsbeteuerungen, gemeinsam mit Stoiber in die nächste Wahl zu gehen, lege ich die Hand nicht dafür ins Feuer, dass bei einer Entwicklung der Umfragen dauerhaft in diesem gefährlichen Grenzbereich die Diskussion in absehbarer Zeit wieder aufbricht.

    Heckmann: Welche Konsequenzen sind nach Ihren Erwägungen daraus zu ziehen?

    Oberreuter: Es gibt halt unterschiedliche Szenarien. Das Szenario Nummer eins wäre, man kehrt quasi zu der Linie des Präsidiumsbeschlusses zurück, schließt die Reihen und bringt Herrn Stoiber dazu, kollegialer mit der Fraktion zu regieren, und die Fraktion aber auch dazu, disziplinierter die Nachfolgefrage zu behandeln. In der letzten Zeit hat ja jeder Abgeordnete jedes Mikrofon geküsst, um Stoiberkritisches hineinzureden.

    Das zweite wäre natürlich in der Tat dann ein Versuch, der ja wohl gegenwärtig gemacht wird, die Wirklichkeitssicht des Ministerpräsidenten mit der Wirklichkeitssicht des Fraktionsführungspersonals zusammenzubringen und vielleicht eine Strategie zu entwickeln, die einen sanften Übergang ermöglicht und vor allen Dingen auch die historische Bedeutung Stoibers nicht beschädigt, also ein Jubelparteitag, der ihn in allen Ehren in die Geschichte verabschiedet und zugleich die Nachfolgekandidaten präsentiert, ich denke für das Datum 2008. Ich glaube aber, dass weder die eine noch die andere Lösung gegenwärtig herauskommt, sondern ich vermute, dass man in den Gesprächen in der Staatskanzlei heute einen dilatorischen Kompromiss findet, der auch Kreuth beherrschen wird. Damit kommt die CSU in ein unglaubliches kommunikatives Dilemma und in eine Vertrauenskrise, die sie sehr beschädigen könnte.

    Heckmann: Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Besten Dank.
    Krisengespräche um politische Zukunft von MP Stoiber
    d a z u :
    Dirk-Oliver Heckmann Dira: Oberreuter TH
    Gespräch mit Heinrich Oberreuter, Politikwissenschaftler

    "Informationen am Mittag", 15.01.2007, 12:10 Uhr

    Oberreuter hält Stoibers Krisenmanagement für desolat

    Politologe: Krise in der CSU für selbst verschuldet

    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter erwartet von der CSU keine schnelle Beilegung ihrer Führungskrise. Er rechne im Ergebnis der Krisengespräche mit einem dilatorischen Kompromiss. "Damit kommt die CSU in ein unglaubliches kommunikatives Dilemma und in eine Vertrauenskrise, die sie sehr beschädigen könnte", sagte Oberreuter

    Dirk-Oliver Heckmann: "Wenn ich nur geschwiegen hätte", mag sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber seit der vergangenen Woche denken. Es hatte schon einer enormen Kraftanstrengung bedurft, die Wogen um seine politische Zukunft zu glätten, nachdem bekannt wurde, dass sein Büroleiter Erkundigungen über das Privatleben der Stoiber-Kritikerin Pauli eingeholt hatte, aber dass Stoiber die Solidaritätserklärung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth zum Anlass nehmen würde zu erklären, er werde bis 2013 weitermachen, so jedenfalls musste er verstanden werden, das hat ihn wieder in die Schusslinie gebracht. Heute Vormittag also Krisengespräche in der Münchener Staatskanzlei. Zunächst stand ein Gespräch mit Landtagspräsident Alois Glück auf dem Programm.

    Am Telefon ist jetzt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Er ist Direktor der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Schönen guten Tag!

    Heinrich Oberreuter: Guten Tag, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Oberreuter, seit Wochen diskutiert die Republik über die politische Zukunft von Edmund Stoiber, und immer wieder bringt er sich selbst in die Schusslinie. Sein Krisenmanagement kann man nur als desolat bezeichnen, oder?

    Oberreuter: Ja, natürlich. Das Krisenmanagement der Staatskanzlei ist desolat, und das strahlt natürlich auch auf die Partei aus. Es ist nicht zu sehen, wie da Befriedung stattfinden soll, und ein Ausweg ist gegenwärtig nicht in Sicht.

    Heckmann: Wie ist denn zu erklären, dass es zu einem solchen schlechten Krisenmanagement kommt?

    Oberreuter: Zu erklären ist das natürlich durch eine lange Vorgeschichte. Wir haben ja die merkwürdige Situation, dass eine herausragend hervorragende Leistungsbilanz eines Ministerpräsidenten auf der einen Seite zu besichtigen ist und auf der anderen Seite emotionale Verwerfungen, die das Charisma, das ihm zugewachsen war, eigentlich zerstört haben. Das ist eine Entwicklung, die im Grunde nach dem phänomenalen Wahlsieg von 2003 begonnen hat, als doch eine sehr rigide und ruppige Politik die Sparmaßnahmen durchgesetzt hat, die Verwaltungsreform durchgesetzt hat, die wichtige Klientelgruppen innerhalb der CSU verärgert hat. Die hat erste Zweifel aufkommen lassen und Widerstände, die dann aufgebrochen sind bei dem versäumten Wechsel nach Berlin. Das ist ihm ausgelegt worden als ein Verrat an der bayerischen Verlässlichkeit weit über die Parteimitglieder hinaus. Das ist die merkwürdige Situation, die man eigentlich nicht greifen kann so recht und die man auch nicht einfach durch ein erfolgreiches Weiterregieren korrigieren kann.

    Heckmann: Nach der Solidaritätserklärung der CSU-Spitze vom Beginn der vergangenen Woche war Stoiber gefragt worden von einem Journalisten, ob er bis 2013 weitermachen wolle, und er antwortete mit den Worten, er sei bekannt dafür, dass er keine halben Sache mache. Wenn er das nicht gesagt hätte, wäre die Sache jetzt erledigt gewesen?

    Oberreuter: Sie wäre zumindest in einer eleganteren Situation. Man hat ihm ja letzte Woche am Montag Brücken gebaut durch einen einstimmigen Beschluss der Präsidiumsmitglieder und alle Bezirksvorsitzenden, die nicht im Präsidium sind, sind dazugezogen worden. Man hat in Kreuth I bei der Berliner Landesgruppe auch Solidaritätsadressen verabschiedet. und es wäre jetzt eigentlich in Kreuth II wohl ähnlich gelaufen. Man hätte eine Strategie entwickelt, wie man diese Nachfolgediskussion eindämmt. Weggekriegt hätte man sie wahrscheinlich nicht ganz, aber wie man sie eindämmt und wie die Linie der Partei aussieht. Und dann kam dieser Ausrutscher, als er sagte, ich mache keine halben Sachen. Hätte er mit dem bayerischen Volksphilosophen Franz Beckenbauer gesagt "schauen wir mal, dann sehen wir schon", dann hätte es keinen Ansatz gegeben, ihn erneut vors Tribunal der Partei zu zerren. Er hat sich das ein bisschen selber zuzuschreiben und ist jetzt in einer Situation, die unangenehm ist für alle Beteiligten, aber er hat sich entschlossen zu kämpfen. Und das kann für die Partei insgesamt ganz unangenehm werden.

    Heckmann: Ein Ausrutscher, von dem sprechen Sie, der ein Zeichen ist für Realitätsverweigerung auch?

    Oberreuter: Ich habe schon auch den Eindruck, dass die Realität, wie die Staatskanzlei sie sieht, mit der, die im Lande herrscht und auch in der Partei, nicht ganz in Deckung zu bringen ist. In der Staatskanzlei sieht man die Erfolgsdaten. Man sieht die Regierungseffizienz. Man hört natürlich auch immer wieder, wenn man das Land bereist, wie grandios man ist. Das ist ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Man hört aber bei diesen Reisen natürlich nicht, wenn hintenherum getuschelt wird oder wenn andere, die gar nicht da sind und vielleicht noch weniger betroffen und weniger kompetent sind, ihre Vorbehalte äußern, während die Abgeordneten natürlich all das viel hautnaher mitkriegen.

    Man muss halt sehen: Auch Abgeordnete sind Interessen tragende Menschen. Die wollen wiedergewählt werden und viele von denen, die Stoiber praktisch durch seine exorbitanten Wahlerfolge ins Parlament gebracht hat, die sehen jetzt die Gefahr, bei einem mäßigeren Wahlerfolg wieder rauszufliegen. Die betreiben natürlich auch Eigensicherung. Das mag moralisch wenig schön sein, aber das ist halt in der Politik so.

    Heckmann: Zumal Umfragen die CSU derzeit bei 45 Prozent sehen. Halten Sie es angesichts dieser Zahlen für ausgemacht, dass Stoiber der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2008 wird, oder hat er sich die Chancen verdorben?

    Oberreuter: Die Umfragen sind natürlich ein Problem, und sie sind in einer anderen Hinsicht auch noch ein Problem: Die Daten, mit denen wir da konfrontiert worden sind, sind Stimmungsmessungen. Es war ausdrücklich nicht die Wahlsonntagsfrage. Insofern steht die CSU mit Sicherheit besser da als bei dieser Blitzbefragung. Man hat das den Leuten nicht richtig erklärt.

    Auf der anderen Seite sagen aber auch diese Stimmungsdaten, dass die 50-Prozent-Grenze erheblich gefährdet ist. Das ist die Marke, die die CSU sich selber setzt, die in gewisser Weise gilt, um ihren besonderen bundesweiten Anspruch zu zementieren, die auch wichtig ist, um der CDU ausreichend bayerische Stimmen zuzuführen, um bundespolitisch überhaupt aktionsfähig zu sein. Insofern hat jeder Spitzenkandidat, jeder Spitzenmann, der unter diese Marke dauerhaft fällt, damit zu rechnen, dass Gefahren auf ihn zukommen. Selbst wenn die jetzige Situation noch mal bereinigt werden sollte mit Loyalitätsbeteuerungen, gemeinsam mit Stoiber in die nächste Wahl zu gehen, lege ich die Hand nicht dafür ins Feuer, dass bei einer Entwicklung der Umfragen dauerhaft in diesem gefährlichen Grenzbereich die Diskussion in absehbarer Zeit wieder aufbricht.

    Heckmann: Welche Konsequenzen sind nach Ihren Erwägungen daraus zu ziehen?

    Oberreuter: Es gibt halt unterschiedliche Szenarien. Das Szenario Nummer eins wäre, man kehrt quasi zu der Linie des Präsidiumsbeschlusses zurück, schließt die Reihen und bringt Herrn Stoiber dazu, kollegialer mit der Fraktion zu regieren, und die Fraktion aber auch dazu, disziplinierter die Nachfolgefrage zu behandeln. In der letzten Zeit hat ja jeder Abgeordnete jedes Mikrofon geküsst, um Stoiberkritisches hineinzureden.

    Das zweite wäre natürlich in der Tat dann ein Versuch, der ja wohl gegenwärtig gemacht wird, die Wirklichkeitssicht des Ministerpräsidenten mit der Wirklichkeitssicht des Fraktionsführungspersonals zusammenzubringen und vielleicht eine Strategie zu entwickeln, die einen sanften Übergang ermöglicht und vor allen Dingen auch die historische Bedeutung Stoibers nicht beschädigt, also ein Jubelparteitag, der ihn in allen Ehren in die Geschichte verabschiedet und zugleich die Nachfolgekandidaten präsentiert, ich denke für das Datum 2008. Ich glaube aber, dass weder die eine noch die andere Lösung gegenwärtig herauskommt, sondern ich vermute, dass man in den Gesprächen in der Staatskanzlei heute einen dilatorischen Kompromiss findet, der auch Kreuth beherrschen wird. Damit kommt die CSU in ein unglaubliches kommunikatives Dilemma und in eine Vertrauenskrise, die sie sehr beschädigen könnte.

    Heckmann: Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Besten Dank.