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Öffentlich-Rechtliche
Nicht attraktiv genug für junge Journalisten?

Jahrelang konnten sich viele öffentlich-rechtliche Rundfunksender kaum vor Bewerberinnen und Bewerbern retten. Doch die Zahlen sind inzwischen teilweise um bis zu 50 Prozent gesunken. Das könnte auch daran liegen, dass die Sender als Arbeitgeber bei einigen Nachwuchsjournalisten keinen guten Ruf mehr haben.

Von Annika Schneider | 30.01.2019
    Eine junge Frau trägt am 28.09.2017 in Berlin im Stadtteil Mitte eine Jutetasche mit der Aufschrift "IRGEN DWAS MITM EDIEN" für "Irgendwas mit Medien".
    Für junge Menschen, die "irgendwas mit Medien" machen wollen, sind öffentlich-rechtliche Sender nicht immer die erste Wahl. (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    "Ich glaube, der Beruf der Journalistin passt gut zu mir, weil ich eine ordentliche Portion Neugier mitbringe für gesellschaftliche Debatten und auch ein Interesse daran habe, die voranzutreiben im besten Fall", sagt Helen Hahne. Die 28-Jährige liefert eine typische Selbstbeschreibung für Nachwuchsjournalisten. Zum Beispiel, wenn sie sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk um einen der Voloplätze bewerben.
    Für die Politikwissenschaftlerin kam das nicht in Frage. Auch, weil sie von der enormen Konkurrenz gehört hatte. Stattdessen wurde sie die erste Volontärin bei "Edition F", einem feministischen Online-Magazin.
    "Es ist reiner Journalismus, es ist aber natürlich eine neue Form von Journalismus. Dadurch dass wir ein ganz junges Onlinemedium sind, beschäftigte ich mich nicht nur inhaltlich mit meinen Artikeln, sondern auch damit: Wie verbreite ich die? Was nutze ich für Medien, um Leute darauf aufmerksam zu machen?"
    Neue Berufsfelder im Online-Bereich
    Auftritte in sozialen Netzwerken und Suchmaschinenoptimierung gehören für Helen Hahne seit Beginn der Ausbildung zum Alltag - ebenso wie für Tausende andere, die im Online-Bereich untergekommen sind. Rund um Content Management und Social Media sind ganz neue Berufsfelder entstanden, viele an der Schnittstelle zum Journalismus. Das bekommen die klassischen Medienhäuser zu spüren: Einige ARD-Anstalten haben nach Informationen unserer Redaktion zuletzt 30 bis 50 Prozent weniger Bewerbungen bekommen.
    "Zumindest der Ruf, der den öffentlich-rechtlichen Anstalten ja so ein bisschen anlastet ist, dass da alles so ein bisschen eingestaubt ist. Da passiert ja gerade auch ganz viel, aber ich glaube, wenn man so Lust hat, neuen, innovativen Onlinejournalismus zu machen zum Beispiel, würde man jetzt vielleicht nicht zuerst an eine öffentlich-rechtliche Anstalt in irgendeiner Weise denken", sagt Hahne.
    Weniger Bewerber auch aus finanziellen Gründen
    Bei Radio Bremen sind die Bewerbungen um rund 20 Prozent zurückgegangen. Guido Schulenberg ist der Volontärsbeauftragte des Senders. "Ich denke mal, dass es zwei Gründe geben könnte. Der eine Grund ist die Finanzsituation der Öffentlich-Rechtlichen. Ich glaube, dass die ganze Spardiskussion im Öffentlich-Rechtlichen dazu führt, dass das Ganze als eine unsichere Zukunftsperspektive angesehen wird. Und das Zweite ist, dass es natürlich in der Privatwirtschaft auch gut bezahlte Jobs und gute bezahlte Ausbildungen gibt, und man möglicherweise denkt, dass man in der freien Wirtschaft schneller den schnellen Euro machen kann", so Schulenberg.
    Der Arbeitsmarkt floriert. Umso wichtiger ist es für die Rundfunksender, gute Leute zu werben. Man könne eine hochwertige Ausbildung vorweisen, sagt Guido Schulenberg. Um junge Leute dafür zu begeistern, suchen die Sender nach neuen Wegen.
    Nachwuchssuche per Video
    In einem Video des Bayerischen Rundfunks heißt es deshalb zum Beispiel: "Werde Volo beim BR. Hier erwartet dich Tradition und Heimatliebe. Du lernst altgediente Mitarbeiter kennen. Aber wir können auch hip, jung und frisch sein."
    Der Bayerische Rundfunk gehört zu den Sendern, die ihre Bewerberzahlen zuletzt steigern konnten. Auch beim NDR ist die Nachfrage ungebrochen hoch. Die zeitgemäße Ausbildung habe sich herumgesprochen, sagt Diana Dlugosch, Leiterin der NDR-Volontärsausbildung.
    Auf dem Seminarplan stehen Videodreh per Smartphone, Datenjournalismus und Formatentwicklung. Seit einigen Jahren richtet sich die Ausschreibung explizit auch an Bewerber ohne Studium.
    Youtube-Kanal und Podcasts
    Und noch etwas hat sich Diana Dlugosch zufolge verändert. "Journalist, Journalistin zu sein heißt ja auch, dass ich heute viel mehr Möglichkeiten habe, mich auch auszuprobieren. Es gibt auch Bewerberinnen und Bewerber, die beispielsweise auch schon einen eigenen Youtube-Kanal haben, die schon Podcasts gemacht haben, und das finden wir durchaus auch interessant und erkennen wir auch an, wenn es denn journalistisch auch ist."
    Das Bewerberfeld des NDR sei heute vielfältiger denn je. Doch während die Sender mit peppigen Botschaften um online-affinen Nachwuchs buhlen, geht es dem um viel mehr als den Coolness-Faktor.
    Unbefristete Festanstellung als Lockmittel
    Helen Hahne war es auch wichtig, eine sichere Perspektive zu haben. Sie konnte inzwischen bei "Edition F" einen unbefristeten Redakteursvertrag unterschreiben – den sie bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber wohl nicht bekommen hätte.
    "Ich hatte auf jeden Fall auch großes Glück mit meiner unbefristeten Festanstellung, würde aber auch sagen, dass das einfach auch wieder etwas sein muss, was Normalität im Journalismus bekommen muss. Deswegen erzähle ich das auch gerne, weil es wichtig ist, dass wir darüber sprechen. Und dass es nicht immer heißt: Eine Festanstellung kriegt man sowieso nicht mehr. Ich glaube, da muss es irgendwie wieder hingehen, dass es das auch wieder mehr gibt."