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Öffentlicher Dienst
Warnstreiks in vielen Ländern gehen weiter

Viele Beschäftige des öffentlichen Dienstes werden heute auf die Straße gehen statt in die Schule, die Kita oder ins Büro. Die Gewerkschaft Verdi hat zu Warnstreiks aufgerufen. Sie fordert sechs Prozent mehr Lohn - oder mindestens 200 Euro mehr im Monat. Die Länder sehen jedoch wenig finanziellen Spielraum.

Von Sebastian Engelbrecht | 26.02.2019
Thüringen, Jena: Streikende aus dem öffentlichen Dienst laufen demonstrierend durch die Innenstadt. Die Gewerkschaften Verdi, GEW, GdP und IG Bauen-Agrar-Umwelt fordern sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat mehr.
Kundgebungen sind unter anderem in Saarbrücken, Mainz und Berlin geplant (ZB/Martin Schutt)
Heute streiken die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Berlin – in allen Bereichen der Verwaltungen. Sie fordern sechs Prozent mehr Lohn – oder mindestens 200 Euro mehr im Monat. Betroffen sind 800.000 Angestellte der Länder.
In Berlin legen heute vor allem Erzieher, Lehrer und Sozialarbeiter die Arbeit nieder, in Nordrhein-Westfalen haben die Beschäftigten in der Justiz und an Hochschulen Warnstreiks angekündigt. Sie verlangen ihren Anteil an den seit Jahren wachsenden Steuereinnahmen der Länder. Andreas Splanemann, Pressesprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin, meint, der öffentliche Dienst müsse die Konkurrenz im Auge behalten.
"Die gesamten Verhandlungen sind davon geprägt, dass der öffentliche Dienst Schritt halten muss mit der allgemeinen Tarifentwicklung. Sonst wird’s schwierig werden in der Zukunft, eben gerade IT-Fachleute oder Kindergärtnerinnen zu finden, also Leute, die bereit sind, im öffentlichen Dienst zu arbeiten."
Arbeitgeber sollen Angebot vorlegen
Sinn der Warnstreiks sei, die Arbeitgeber zu einem verhandlungsfähigen Angebot zu bewegen, sagt Splanemann. Nach zwei ergebnislosen Runden beginnt am Donnerstag die dritte Verhandlungsrunde zwischen den Gewerkschaften und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in Potsdam.
"Es ist natürlich schade, dass die Arbeitgeber bislang noch kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt haben. Ich glaube, so ein Angebot würde ordentlich Druck rausnehmen aus diesem ganzen Konflikt. So sieht es sehr danach aus, als ob die Arbeitgeber auf Zeit spielen. Und das kommt bei den Beschäftigten nicht so gut an."
Verhandlungsführer der Länder ist der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz. Er vertritt alle Länder außer Hessen, das nicht zur Tarifgemeinschaft der Länder gehört. Trotz wachsender Steuereinnahmen sieht Kollatz begrenzte Möglichkeiten bei den Verhandlungen. Kollatz sagte in einem Interview der "Berliner Morgenpost":
"Viele Länder stellen in erheblichem Umfang Leute ein, auch Berlin. Aus dem gewachsenen finanziellen Spielraum müssen diese neuen Stellen finanziert werden und nicht nur vorhandene. Zweitens haben alle Länder einen ziemlichen Investitionsrückstau, in Berlin kommt noch die wachsende Stadt hinzu. Und drittens müssen wir auch in guten Zeiten Schulden reduzieren."
Länder sehen wenig finanziellen Spielraum
In einigen Berufsgruppen wollen die Arbeitgeber strukturelle Verbesserungen, also Zulagen für die Beschäftigten möglich machen – nämlich für Erzieherinnen, Rettungskräfte, IT-Fachpersonal und Pflegekräfte. All das verringere aber den Spielraum bei der generellen Lohnerhöhung, meint Kollatz.
"Wenn man das Forderungspaket der Arbeitnehmer zusammenzählt mit seiner linearen und seiner strukturellen Komponente, dann bedeutet das nach unseren Berechnungen eine Steigerung der Personalkosten um zehn Prozent in einem Jahr. Das ist für die Länderhaushalte nicht bezahlbar. In Berlin geben wir neun Milliarden Euro für unsere Mitarbeiter aus. Ein Plus von 900 Millionen geht nicht."
Dennoch: Viele Beschäftige des öffentlichen Dienstes werden heute auf die Straße gehen, statt in die Schule, in den Hort oder ins Büro. Kundgebungen sind unter anderem in Saarbrücken, Mainz und Berlin geplant.