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Öffentliches Interesse geht vor
EU-Gericht erlaubt Zugang zu Glyphosat-Studien

Untersuchungen über das Krebsrisiko von Glyphosat dürfen nicht unter Verschluss gehalten werden. Das hat der Europäischer Gerichtshof entschieden. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hatte den Zugriff auf einige Studien mit Verweis auf den Schutz von Geschäftsinteressen verwehrt. Für das EU-Gericht ging das öffentliche Interesse vor.

Paul Vorreiter im Gespräch mit Georg Ehring |
Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.
Umstrittener Wirkstoff: Glyphosat (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
Ehring: Vier grüne Europaparlamentarier haben gegen die EU-Lebensmittelbehörde EFSA geklagt, weil die Efas ihnen den Zugang zu Glyphosat-Studien verwerte. Worum genau ging es in dem Fall? Was wollten die Grünen auf dem Klageweg erreichen?
Vorreiter: Es handelte sich um Studien von Monsanto und Cheminova an Mäusen und Ratten, auf deren Grundlage beurteilt werden sollte, wie krebserregend Glyphosat ist. Die Kläger wollten nachvollziehen, warum die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2015 vor der Wiederzulassung des Unkrautvernichtungsmittels zu dem Schluss gekommen war – dass Glyphosat für den Menschen "wahrscheinlich nicht krebserregend" war, anders als die Krebsforscher der WHO, die zuvor zu dem Schluss kamen, dass es eben schon so sein könnte.
Die Grünen stützten sich auf zwei EU-Verordnungen, die in ihrem Sinne den Zugang zu den Studien eröffnen sollten. Die EFSA ermöglichte nur einen teilweisen Einblick, aber eben nicht in das, was die Kläger einsehen wollten wollten, nämlich Methodik, verwendete Materialien, Versuchsanordnung, Ergebnisse und Analyse. Denn: Aus ihrer Sicht ließen sich mit den wenigen veröffentlichten Teilen die Studien wissenschaftlich nicht verifizieren, bzw. falsifizieren.
Die EFSA begründete ihre Entscheidung wiederum mit dem geschäftlichen Interesse der Unternehmen und dass kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. Zudem argumentierte die EFSA, es handele sich um nicht "reale Emissionen in die Umwelt", da bei den Tests die Dosen an den Mäusen viel höher waren. Die Kläger wiederum sahen das anders und betonten vor allem das gesteigerte öffentliche Interesse an diesen Studien.
Schutz von Geschäftsinteressen ist nachrangig
Ehring: Wie haben nun die Richter in Luxemburg geurteilt?
Vorreiter: Für die Kläger ist das ein Erfolg. Die Richter haben es für nichtig erklärt, den Zugang zu den angefragten Teilen zu verweigern. Die EFSA muss sie veröffentlichen. Die Richter urteilten, dass davon auszugehen ist, dass bei Emissionen in die Umwelt ein dem Geschäftsinteresse höher zu bewertendes öffentliches Interesse bestehe. Das heißt, in diesem Zusammenhang könne man sich nicht auf das Geschäftsgeheimnis berufen.
Auch seien die Emissionen von Glyphosat als "real" zu betrachten. Denn es ist eines der gängigsten Herbizide in der EU, was ja bereits ab 2002 als Wirkstoff eingesetzt wurde und dessen Rückstände man in Lebensmitteln, Pflanzen und Wasser nachweisen könne. Das Gericht schließt daraus, dass die EFSA nicht geltend machen kann, dass sich die angefragten Studien weder auf reale Emissionen noch auf die Wirkung realer Emissionen bezögen.
Und die Richter sagen, das Interesse der Öffentlichkeit bestehe darin, nicht nur zu wissen, was in die Umwelt freigesetzt oder absehbar freigesetzt werden sollen, sondern auch zu verstehen, in welcher Weise die Umwelt durch die fraglichen Emissionen beeinträchtigt werden kann.
Öffentliche Datenbank soll künftig Einblicke gewähren
Ehring: Das heißt: Die Richter verleihen dem öffentlichen Interesse mit ihrem Urteil mehr Gewicht?
Vorreiter: Genau. Sie erklären es für zulässig, dass die Öffentlichkeit nicht nur Informationen zu den Emissionen als solche bekommt, sondern auch die langfristigen Folgen dieser Emissionen erfährt. In diesem Zusammenhang kann man erwähnen, dass in der EU ohnehin die Zeichen auf mehr Transparenz stehen. Rat, Kommission und Parlament haben sich nämlich im vergangenen Monat auf neue Transparenzregeln geeinigt, bei der Bewertung von Pestiziden. Bestandteil davon ist eine öffentliche Datenbank, in der Firmen angeben müssen, welche Studien sie durchgeführt haben, um zu zeigen, dass ihr auf den Markt zu bringendes Pestizid unbedenklich ist.
Die Antragsteller können zwar auch in Zukunft noch Informationen zurückhalten, die ihrem wirtschaftlichen Interesse erheblich schaden, das können zum Beispiel Informationen sein zum Herstellungsprozess, zur quantitativen Zusammensetzung des Stoffes, wirtschaftliche Verbindungen zwischen Hersteller und Importeur. Aber sobald öffentliche Gesundheit, Tiergesundheit oder die Umwelt betroffen sind, oder "eiliges Handeln" nötig ist, da müssen auch diese Infos offengelegt werden. Die finale Entscheidung über die Regeln soll das Parlament noch in diesem oder nächsten Monat stellen.