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Ökologie
Mobile Fließwasserlabore im Einsatz

Bis Proben aus Flüssen und Bächen im Labor angelangt sind, hat sich deren Qualität oft schon verändert. Um dieses Dilemma der möglichst naturnahen Gewässeruntersuchung abzufedern, haben Helmholtz-Forscher mobile Fließwasserlabore entwickelt. Mit ihnen lässt sich eingeleitetes Wasser, etwa von der Elbe, direkt vor Ort untersuchen.

Von Peter Kaiser | 03.11.2014
    Die Elbe aus der Vogelperspektive
    Die Elbe aus der Vogelperspektive (picture alliance / dpa / )
    Ortstermin an der Elbe in Magdeburg. Der blaue Container des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, UFZ, sieht eher unscheinbar aus, mehr nach einem mobilen Baubüro oder Altlasten-container. Doch wenn man einmal um ihn herumläuft, fallen die grauen und gelben armdicken Wasserschläuche auf, die von ihm in die Elbe und zurück führen. Und als Helge Norf den Container aufschließt und das Licht anschaltet, wird sofort klar, dass es sich hier um ein Labor handelt. Mehr noch, hier steht ein Mesokosmos, eine experimentelle Anlage zur Simulation biologisch-chemischer Prozesse, in diesem Fall ein Fließwasserlabor, erklärt der Biologe.
    "Es gibt viele Mesokosmen. Die meisten Mesokosmen gibt es aber in marinen Bereichen oder in Seen. Fließgewässermesokosmen, also Mesokosmen, bei den wir mit fließenden Wasserkörpern arbeiten, gibt es relativ wenige. Und diese mobile Plattform ist, soweit wir wissen, auch die Einzige, die bisher existiert.
    Helge Norf bückt sich jetzt und hebt den oberen Bereich des automatischen Probenentnehmers ab. Mit der trommelförmigen Pumpe werden regelmäßig Wasserproben aus der Elbe entnommen.
    "Wenn wir zum Beispiel ein Dauermessprogramm machen, bei dem wir alle zwei Stunden Wasser aus dem Gewässer entnehmen wollen, dann können wir uns schlecht 24 Stunden hier hinsetzen und alle zwei Stunden aufstehen. Dafür haben wir dann dieses Gerät, das uns die Arbeit abnimmt. So, und jetzt starte ich mal eine manuelle Probeentnahme."
    Das Problem ist bekannt: Um die Wechselwirkung von Landnutzung, Klimawandel und dem ökologischen Zustand von Flüssen oder Bächen zu untersuchen, entnehmen die Wissenschaftler Wasserproben. Doch deren Aussagefähigkeit, meint Helge Norf, ist begrenzt.
    Ein mobiles Fließwasserlabor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung,
    Ein mobiles Fließwasserlabor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (Peter Kaiser)
    "Der Unterschied ist, dass sich in sogenannten Batch-Experimenten, also wenn wir Wasser aus dem Gewässer extrahieren und das in das Labor bringen und da untersuchen, dass sich die Qualität des Wassers mit der Zeit ändert. Und das kann am Ende zu sogenannten Kaskadeneffekten führen. Das heißt, dass sich zum Beispiel die Tem-peratur ändert oder der PH-Wert oder der Sauerstoffgehalt. Und daran hängt eine ganze Reihe von biologischen Prozessen. Der Vorteil von den Fließwasserlaboren hier ist, dass wir dauerhaft das Wasser von draußen nehmen. Das heißt, wir nehmen das Wasser, wie es in der Natur existiert, und wir können auch die für das Ökosystem relevanten Prozesse untersuchen."
    Das per Bypass in den Mesokosmos umgeleitete Elbewasser wird in mehreren länglichen Becken aufgefangen. Hier kann es den experimentellen Stressoren unterworfen werden, verschieden-farbigem Licht etwa, Mikroschadstoffen oder Temperaturveränderungen. Die Ergebnisse der Manipulationen lassen Aussagen zu möglichen Klimaszenarien in der Region Sachsen-Anhalt zu. Besonders die von der Landwirtschaft verursachte Nährstoffverschiebung von Phosphaten zu Nitraten beschäftigt die UFZ-Biologen.
    Seltsame Neuankömmlinge im Biofilm
    Norf: "Eine wichtige Forschungsfrage, die wir uns aktuell stellen, ist, wie diese Verschiebung in der Nährstofffracht zu einer Änderung der Ökosystemprozesse führt."
    Solche Veränderungen sind im Fließwasserlabor hier an der Elbe jetzt schon sichtbar. Unter dem Mikroskop zeigt Helge Norf Bewohner des leicht schleimigen Gewässeroberflächenbelages. In diesem Biofilm leben inzwischen seltsame Neuankömmlinge.
    "Das hier ist zum Beispiel eines der Haustiere, mit dem ich früher gearbeitet habe. Das ist ein Wurm, ein Polychät, der aus dem pontokaspischen Raum in die Fließgewässer in Europa eingewandert ist. Das ist also eine von diesen invasiven Arten."
    Der Wurm ist über das Bilgenwasser von Schiffen eingewandert. Dass er sich erfolgreich hier ansiedeln konnte, liegt wohl an seiner hohen Anpassungsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen. Dazu zählen auch die Nitrateinträge in Gewässern und generell der Klimawandel.
    Ob an der Elbe, im Hochharz oder dem Großraum Halle-Leipzig: Die acht mobilen Mesokosmen, die dort seit kurzem im Einsatz sind, sollen klären helfen, warum die Flüsse und Talsperren Sachsen-Anhalts mal sauberer, mal verschmutzter sind als erwartet.
    "Wir haben Container, die wir an sehr naturnahen Standorten exponiert haben, Container, die an moderat beeinträchtigten Standorten stehen, und dann auch Container, die an sehr stark beeinträchtigten Standorten stehen, wie zum Beispiel hier an der Elbe. Und damit können wir untersuchen, wie die Landnutzung durch den Menschen die Ökosysteme beeinflusst."