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Ökonom: Schon jetzt zahlt die Post unüblich hohe Löhne

Justus Haucap, Wirtschaftsprofessor und Mitglied der Monopolkommission der Bundesregierung, hat den Mindestlohn im Postsektor kritisiert. Die ursprünglich geplante Marktliberalisierung habe angesichts eines Mindestlohnes, der gegenüber anderen Branchen unüblich hoch sei, nicht funktioniert. Dass die Mitarbeiter der Post jetzt auch Anteil an diesem "Monopolkuchen" haben wolle, sei verständlich, betonte Haucap.

Moderation: Jochen Fischer |
    Jochen Fischer: Die Beschäftigten der Post wollen in der laufenden Tarifrunde sieben Prozent mehr Lohn bei gleichbleibender Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Die Post war dazu bisher nicht bereit: Ihr letztes Angebot war 5,5 Prozent mehr für zwei Jahre, eine Ausweitung der wöchentlichen Arbeitszeit und die Verlängerung des Kündigungsschutzes bis 2011. Das war der Gewerkschaft ver.di zu wenig, sie leitete deshalb die Urabstimmung über einen Streik ein und die Frist dazu läuft heute ab. Wenn mehr als drei Viertel der Beschäftigten Ja sagen, dann soll der Streik bei der Post bereits am Freitag beginnen. Über die Auswirkungen eines Arbeitskampfes bei der Post möchte ich mit Justus Haucap sprechen, er ist Wirtschaftsprofessor und Mitglied der Monopolkommission der Bundesregierung. Guten Morgen!

    Justus Haucap: Guten Morgen!

    Fischer: Herr Haucap, Sie haben sich ja nun zu einem Streik bei der Post geäußert. Warum sehen Sie das so?

    Haucap: Ich habe die Bedenken gegeben, dass letztendlich ein Streik natürlich auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werden würde beziehungsweise der Verbraucher doch hier ein Leidertragender wäre bei einem Streik, weil anders als in vielen anderen Sektoren es schwieriger ist, für Verbraucher auszuweichen in Zeiten eines Streiks.

    Fischer: Ja, dass es Schwierigkeiten bei der Briefzustellung geben wird, wenn die Post streikt, ist ja nun auch klar. Der Druck auf den Arbeitgeber war ja beabsichtigt.

    Haucap: Ja, aber wir haben ja hier eine besondere Situation. Es war ja ursprünglich eine Marktliberalisierung, eine relativ umfassende angedacht, um Verbrauchern eine Wahl zu geben. Und durch die Nutzung des Mindestlohnes, durch die Post und ver.di ist ja diese Marktliberalisierung doch nicht in dem Maße erfolgt, wie man sich das erhofft hatte, sodass jetzt letztendlich der Verbraucher viel weniger Wahl hat als er es eigentlich gehabt hätte. Und das unterscheidet die Post natürlich von vielen anderen Bereichen, die wir in der Marktwirtschaft haben.

    Fischer: Es ist nicht so, wenn ich jetzt meine Briefe nicht mit der Deutschen Post schicken kann, dann kann ich doch zur privaten Konkurrenz gehen, die gibt es doch?

    Haucap: Die gibt es, aber Sie wissen ja auch, dass viele dieser Privaten dicht gemacht haben, es ist längst kein flächendeckendes Netz von Privaten gibt, und der geplante Einstieg, gerade auch in den Privatkundenbereich der anderen Anbieter der Post, die auf Eis gelegt wurde und es für einen Privatkunden schon deutlich schwieriger ist, einen Brief zu verschicken mit einem privaten anderen Anbieter als mit der Deutschen Post.

    Fischer: Die Konkurrenz, höre ich da raus, sei nicht leistungsfähig genug, sagen Sie. Was können die Postmitarbeiter dafür?

    Haucap: Der einzelne Postmitarbeiter kann natürlich gar nichts dafür. Das ist schon völlig richtig. Aber dieser Tarifvertrag, der Mindestlohntarifvertrag, der geschlossen wurde Ende des letzten Jahres mit der einzigen Absicht, diesen allgemeinverbindlich zu erklären, um die Konkurrenz nicht ins Geschäft kommen zu lassen, für den hat natürlich die Deutsche Post AG und ver.di schon eine Verantwortung.

    Fischer: Wenn der Postmindestlohn nicht wäre, dann könnten die Postmitarbeiter mit weniger auskommen, bräuchten jetzt nicht so eine hohe Forderung zu stellen?

    Haucap: Das ist leicht überspitzt formuliert, sage ich mal. Mit wie viel Lohn die Postmitarbeiter im Einzelnen auskommen können, ist ja eine ganz andere Frage. Hier ist es natürlich verständlich, dass man sagt, na gut, jetzt haben wir sozusagen eine sehr befriedigende Situation, aus Sicht der Post sollen wir keine Konkurrenz haben. Und dass die Mitarbeiter dann etwas von diesem, ich will mal sagen, Monopolkuchen abhaben wollen, ist aus der Sicht des Einzelnen verständlich. Jeder möchte gerne davon etwas abhaben. Aber man muss auch wissen, dass das natürlich auf Kosten der Verbraucher gebacken wurde, dieser Kuchen.

    Fischer: Sie haben an die Verantwortung der Postmitarbeiter appelliert. Worin soll sie denn bestehen, diese Verantwortung? Sollen sie verzichten?

    Haucap: In letzter Konsequenz heißt das, wenn natürlich höhere Löhne der Post, ist ja ein sehr lohnintensiver Sektor, durchgesetzt werden, müssen diese Löhne in etwa konsequent ja vom Verbraucher getragen werden. Das muss man dazu bedenken. Es gab, das ist vielleicht ganz interessant, im letzten Jahr eine Studie der Bundesnetzagentur. Und die Bundesnetzagentur hat gesagt, in vielen Bereichen der Deutschen Post werden marktunüblich hohe Löhne gezahlt. Das ist im ehemals monopolisierten Branchen auch ein übliches Phänomen. Das muss man sich vor Augen halten, dass hier durchaus schon Löhne gezahlt werden von der Deutschen Post AG in manchen Bereichen, die zumindest die Bundesnetzagentur als unüblich hoch bezeichnet hat.

    Fischer: Die Post hat mittlerweile ein Gesprächsangebot an die Gewerkschaft ver.di gesendet, der Faden scheint ja nicht abgerissen zu sein, der Gesprächsfaden. Sie wollen dennoch eine volle Liberalisierung des Postmarktes erreichen. Was heißt das eigentlich? Denn er ist doch eigentlich schon geöffnet.

    Haucap: Der Postmarkt ist prinzipiell geöffnet, aber natürlich haben insbesondere am Anfang kleinere Anbieter Schwierigkeiten, in den Postmarkt hereinzukommen, wenn sie gleich mit diesem recht hohen Mindestlohn konfrontiert werden. Ursprünglich hatte der DGB ja mal einen Mindestlohn von 7,50 Euro vorgeschlagen. Der wurde dann für den Postbereich extra höher als 7,50 Euro angesetzt mit dem Ziel, die Konkurrenten der Deutschen Post auszuhebeln, weil es relativ klar ist, dass wenn ich am Anfang mit meinem Geschäftsmodell stehe, ich einfach, weil ich mal pro Stunde noch nicht so viel Briefe einwerfen kann wie ein Mitarbeiter der Deutschen Post, weil ich gar nicht so viele Kunden hab, und in der gleichen Strecke, die ich ablaufe, in einer Stunde eben nicht das Briefvolumen dabeihabe. In gewisser Weise auch mit niedrigeren Löhnen konkurrieren muss, damit die Arbeitskosten pro Brief die gleichen sind. Das liegt natürlich daran, weil die Marktanteile am Anfang noch relativ gering sind, dieser Konkurrenten. Und dieser Mindestlohn, der da strategisch genutzt wurde, verhindert oder hat doch eine stärkere Liberalisierung verhindert. Die angekündigten Markteintritte von Unternehmen wie TNT in das Privatkundengeschäft sind unterblieben. Sie wissen, dass zahlreiche PIN-Filialen zugemacht haben. Da zeigen sich schon die Konsequenzen dieser Politik.

    Fischer: Sie fordern, weg mit dem Mindestlohn bei der Post?

    Haucap: Zumindest darf kein Mindestlohn gesetzt werden, der dafür genutzt wird, die Konkurrenz auf Kosten der Verbraucher auszuschalten. Es ist ja auch nicht leicht zu verstehen, warum gerade im Postbereich 9,80 Euro als Mindeststandard und sozialverträglich gelten, während der DGB sagt, flächendeckend sind 7,50 Euro sozialverträglich und hinreichend zum Leben. Warum gerade Postangestellte 2,30 Euro mehr pro Stunde zum Leben brauchen, ist nicht so einfach zu verstehen.

    Fischer: Über die Liberalisierung des Postmarktes und deren Grenzen sprach ich mit Professor Justus Haucap von der Universität in Nürnberg. Er ist Mitglied in der Monopolkommission der Bundesregierung. Vielen Dank, Herr Haucap!

    Haucap: Vielen Dank!