Debatte um Wirtschaftsstandort
Ökonom Schularick: "China läuft Deutschland den Rang ab" - Plädoyer für aktives Annehmen des Strukturwandels

Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Schularick, sieht den Standort Deutschland auch durch ein Verharren in alten Strukturen unter Druck. Er sagte im Deutschlandfunk, man müsse Wandel aktiv unterstützen und schauen, woher das Wachstum von morgen komme. Eine zentrale Herausforderung stelle vor allem die zunehmende Marktmacht Chinas dar.

    Das Foto zeigt Moritz Schularick. Er sitzt mit gefalteten Händen an einem Tisch.
    Der IfW-Präsident Moritz Schularick (dpa-news/Frank Molter)
    Der Volkswirt beklagte, dass Deutschland zu häufig in dem verharre, was man heute habe, und in die Vergangenheit zurückschaue, was früher einmal Wohlstand gebracht habe. Für die Zukunft aber würden etwa die Autoindustrie oder der Maschinenbau nicht mehr der Wachstumsmotor sein (Audio-Link). Zudem müsse man "die "Veränderungsbereitschaft ganz, ganz, ganz stark fördern und nach oben bringen". Schularick machte deutlich, dass damit auch Zumutungen einhergehen könnten und nannte als reformbedürftige Bereiche etwa das Arbeitsrecht und den Kündigungsschutz.

    China als starker Konkurrent, aber auch Vorbild

    Schularick erklärte, er habe bei einer Chinareise festgestellt, dass immer mehr deutsche Unternehmen auch ihre Forschung und Entwicklung dorthin verlagerten. Damit aber seien auch die hochwertigen Bereiche der Wertschöpfung hierzulande in Gefahr. Zudem arbeiteten in China selbst Ingenieure an sieben Tagen in der Woche im drei Schichten rund um die Uhr. Mit Blick auf Deutschland führte Schularick aus: "Natürlich ist eine Lösung, mehr, länger und flexibler zu arbeiten". Aber man könne auch anstreben, "schneller, intelligenter und produktiver" zu arbeiten. Erst kürzlich hatte Volkswagen bekanntgegeben, Autos künftig vollständig in China entwickeln und bauen zu können.
    Der Experte für Makroökomie betonte, die Volksrepublik sei als Wettbewerber auf den Exportmärkten zum "sehr starken Gegenwind für die deutsche Industrie" geworden, der dieser auch in ihren ehemaligen Kernbereichen das Leben schwer mache. Hinzu komme die sich verändernde Weltwirtschaft, die sich immer stärker fragmentiere und das deutsche Exportmodell unter Druck setze. Die Zollpolitik von US-Präsident Trump verstärke solche Effekte auch noch zusätzlich.

    Rüstungsindustrie als Chance?

    Die Frage, ob auch der Bereich Rüstung eine Chance für deutsche Zulieferer sein könnten, bejahte Schularick im Grundsatz. Verteidigungs-Investitionen seien Hochtechnologien, die auch zivilen Nutzen bringen könnten. Als Beispiele nannte er autonome Systeme, Künstliche Intelligenz, Satelliten-Technik und den Bereich Kommunikation. Hier sei die deutsche Wirtschaft schon länger nicht mehr Weltspitze.

    BDI: "Wirtschaftsstandort im freien Fall"

    Zuvor hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie eine schwere Krise beklagt. Der Wirtschaftsstandort befinde sich im freien Fall, sagte BDI-Präsident Leibinger der Deutschen Presse-Agentur. Man erwarte 2025 im vierten Jahr in Folge einen Produktionseinbruch. Das sei keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg.
    Der Bundesregierung warf Leibinger vor, konsumtiven Ausgaben Vorrang vor Investitionen einzuräumen. Es brauche nun eine wirtschaftspolitische Wende mit klaren Prioritäten für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Ohne Strukturreformen und konsequentem Bürokratieabbau würden weitere Arbeitsplätze verloren gehen.
    Diese Nachricht wurde am 03.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.