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Ökonomie des Klimawandels

Der Kampf gegen den Klimawandel erfordert eine grundsätzliche Umgestaltung der Wirtschaftsweise. Um dieses Ziel zu erreichen sind aber nicht nur Politik und Wirtschaft gefordert, sondern auch die Wissenschaft - und zwar ressortübergreifend. Genau darum ging es auf einer Veranstaltung der Technischen Universität Berlin gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Von André Hatting |
    Boden-Nutzungszertifikate, Elektroautos als Stromspeicher, Straßennutzungsgebühren, um den Verkehr zu regulieren - wenn der frisch berufene Professor für Ökonomie des Klimawandels über die Zukunft spricht, dann hat er vor allem die Großstädte im Blick. Urbanisierung, das sei die große Leerstelle in der Klimadiskussion, sagt Ottmar Edenhofer. Und ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, Wirtschaft, Mathematik und Stadtplanung zusammenzuführen. Genau das ist Sinn und Zweck der neuen Professur, sagt Kurt Kutzler, Präsident der Technischen Universität. Sie hat den neuen Lehrstuhl gemeinsam mit dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung berufen:

    "Wenn Sie Klimamodelle berechnen wollen und daraus Folgerungen ziehen wollen, brauchen Sie eine starke Mathematik in der Nähe, und die haben Sie hier an der Technischen Universität. Wir haben auch eine starke Ökonomie und wir haben auch einen Architekturplanungsbereich, der sich gerade mit dem Thema Mega-Cities sehr stark beschäftigt."

    Ökonomie des Klimawandels reiht sich ein in die bislang 50 Professuren, die an der TU in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen entstanden sind. Für Lehrstuhlinhaber Ottmar Edenhofer ist die Ökonomie des Klimawandels kein Publicity-Gag, um die klassische Umweltökonomie unter anderem Namen als Weltneuheit zu verkaufen, sondern ihre Ergänzung für bislang unbehandelte Themen:

    "Das ist der ganze Bereich Umgang mit Risiken. Wie gehen wir eigentlich mit Klimarisiken um, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritt gering ist, aber die möglichen Wirkungen enorm groß? Die zweite Frage wäre Umgang mit technischem Fortschritt. Wie kann der technische Fortschritt durch Politikinstrumente, zum Beispiel durch den CO2-Handel oder durch CO2-Steuern forciert werden? All das sind Fragen, die man in der herkömmlichen Umweltökonomik nicht so richtig behandelt hat. Die hat sich sehr stark an den lokalen Umweltproblemen und weniger an den dynamischen Aspekten orientiert. Und wir wollen uns um die globalen Umweltprobleme kümmern und wir wollen uns vor allem um die dynamischen Aspekte kümmern."

    Und damit ist Professor Edenhofer mitten in der Tagespolitik: Dynamisch und global, das ist die aktuelle Diskussion um eine verstärkte Atomenergienutzung nämlich ganz und gar nicht. Edenhofer rechnet vor, dass in den nächsten Dekaden hunderte Kraftwerke gebaut werden müssten - nur um den aktuellen Status quo zu erhalten. Atomkraft werde den weltweit steigenden Energiehunger nicht befriedigen können. Das Problem heißt nicht mehr oder weniger Kernenergie. Das Problem heißt: Kohle:

    "Durch den starken Ölpreis wird ein starker Druck ausgeübt werden auf die zusätzliche Kohlenutzung, und wir sind nicht am Anfang einer Kohlerenaissance, sondern wir befinden uns inmitten einer Kohlerenaissance, vor allem in China und Indien. Wir müssen Lösungswege finden, wie wir die Kohle emissionsarm nutzen können. Da gibt es dieses Konzept der Kohlenstoffabscheidung und -einlagerung. Diese Konzepte müssen jetzt geprüft werden, weil wir sonst keine Chance haben, China und Indien davon zu überzeugen, an einem internationalen, wirksamen Klimaschutzabkommen mitzuwirken."

    Einen ersten Schritt dahin haben die G8 Staaten auf ihrem Treffen in Japan getan. Sie wollen die Menge der Treibhausgase bis 2050 halbieren. Für Edenhofer, der auch den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Klimafragen berät, ist dieses Ziel nur erreichbar, wenn die Politik den Emissionshandel ausbaut:

    "Wir müssen jetzt hart daran arbeiten, dass wir nach Möglichkeit alle Sektoren in den Emissionshandel einbeziehen. Nicht nur den Stromsektor, sondern auch den Verkehrssektor und den Wärmemarkt. Das zweite ist, wir müssen die Emissionsrechte versteigern, weil nur dann die Investoren die richtigen Preise haben für ihre Investitionsentscheidungen. Und der dritte Aspekt ist, wir müssen zusehen, dass wir den europäischen Emissionshandel schnell erweitern, und zwar als nächsten Schritt in Richtung Vereinigte Staaten. Ein solcher transatlantischer Kohlenstoffmarkt wäre aus meiner Sicht ein gewaltiges Signal! Ein solcher transatlantischer Kohlenstoffmarkt könnte den Investoren zeigen, es gibt gangbare und kostengünstige Wege, um CO2 zu reduzieren."

    Wie sich der Klimawandel unter diesen Voraussetzungen weiter entwickelt, das wird Professor Edenhofer mit seinen Studierenden an der TU genau verfolgen. Die Ergebnisse dieser Forschungen sollen auch in den nächsten IPCC-Bericht einfließen.