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Ökumenisches Bekenntnis zur Demokratie
Die beste Staatsform

Die Evangelische Kirche in Deutschland und die katholische Deutsche Bischofskonferenz warnen in einem gemeinsamen politischen Papier vor Populisten - und plädieren für "demokratische Sittlichkeit". Denn für die Konflikte, die im Fahrwasser der Globalisierung entstehen, gibt es keine einfachen Lösungen.

Von Benjamin Dierks |
Jesusfigur auf dem Grundgesetz
Die Kirchen sorgen sich um die Demokratie und rufen zu Engagement auf (imago / Steinach)
Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche sehen – wie viele andere zuvor – das Vertrauen in die Demokratie schwinden. Und weil es Auftrag der Kirchen sei, sich in der Gesellschaft zu engagieren, erheben sie das Wort, das Gemeinsame Wort, wie sie ihren ökumenischen Einspruch nennen. Gerichtet sei es gegen das Erstarken von Populisten und antidemokratischen Kräften, sagte Reiner Anselm, Co-Autor des Papiers, der in der Evangelischen Kirche der Kammer für Öffentliche Verantwortung vorsitzt:
"Es ist ja so, dass wir durchaus Kritiker der Demokratie erleben, und zwar - anders, als das zu früheren Zeiten der Fall war - wird diese Kritik häufig getarnt als eine Form radikaler Demokratie. Indem nämlich gesagt wird: Wir sind diejenigen, die den eigentlichen Volkswillen vertreten, wohingegen doch an den Hebeln der Macht irgendwelche dunklen Mächte oder vor allem korrupte Eliten sind."
Christentum als Quelle
Immerhin 20 Mitglieder hatte die Arbeitsgruppe, die dieses Papier erstellt hat. Und sie kommen zu dem Schluss: Die Demokratie sei die beste Staatsform, um die gesellschaftlichen Veränderungen durch Globalisierung, Ungleichheit, Migration und digitalen Wandel zu meistern, die in der Tat rapide vonstattengingen. Sie haben nach Ansicht der Autoren zum Vertrauensverslust geführt. Da böten nun einige vermeintlich einfache Lösungen an. Aber durch die ließen die Konflikte sich nicht aufheben, sagte Anselm.
"Für die Toleranz gegenüber Ambiguitäten und auch für die Version einer besseren Gerechtigkeit sehen wir sehen wir das Christentum als eine wichtige Quelle. Dieses Christentum in der Gesellschaft präsent und lebendig zu halten, ist daher in unseren Augen die vielleicht allerwichtigste Aufgabe, die die Kirchen in der Demokratie wahrnehmen müssen."
Es geht den Kirchen also offenbar auch darum: Dass sie in Zeiten, in denen Gottesdienste nicht gerade Publikumsmagneten sind, überhaupt eine Rolle spielen in der gesellschaftlichen Debatte. Nun dürfte es nicht überraschen, dass die beiden großen Kirchen sich zum bestehenden politischen System bekennen. Ein anderes habe man auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, hieß es auf Nachfrage. Allerdings sei so ein Bekenntnis nicht nur wohlfeil, warf die Politikprofessorin Tine Stein aus Göttingen ein, die an dem Papier beteiligt war:
"Denn weltweit sehen wir, dass es eine Regression gibt. Wir sehen so viele Ordnungen, die sich von Demokratie wieder hinwegentwickeln."
Europakonzept überzeugt nicht alle
Auch die Kirchen hätten die demokratische Idee ja lange skeptisch gesehen oder hätten sie gar abgelehnt. Und ein klares Bekenntnis etwa zu Europa fehle bei den evangelischen Kollegen einiger anderer Länder bis heute, sagte EKD-Vertreter Reiner Anselm.
"Unsere Nachbarkirchen sind keineswegs alle in der gleichen Weise von dem Europakonzept so überzeugt, wie es das unsere ist."
Viel bleibt im Ungefähren und Erwartbaren beim Gemeinsamen Wort der Kirchen. Das Recht ist Trumpf in der Demokratie, aber Gesetze allein reichten zu ihrer Wahrung auch nicht aus, warnte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der in der Bischofskonferenz der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen vorsitzt.
"Es braucht also die Einhaltung ungeschriebener Voraussetzungen der Demokratie in Form, wie wir es nennen in diesem Text, einer demokratischen Sittlichkeit", so Overbeck.
Vertrauen und Vertrautes
Den in der Kirche ja durchaus geprägten Begriff der Sittlichkeit wollten sie nicht im Sinn gewisser Vorstellungen verstanden wissen, wer privat wie zu leben habe, sondern als eine Form des demokratischen Anstands: Andere respektieren, zu Kompromissen bereit sein und Mehrheitsmeinungen akzeptieren, auch wenn sie eigenen Ansichten widersprechen. Auch sein Geld nicht in Steuerparadiesen zu parken, gehöre dazu.
"Das Wissen um die Einhaltung dieser ungeschriebenen Voraussetzungen stärkt das Vertrauen in unsere Demokratie und hält es auch dann aufrecht, so unsere Überzeugung, wenn auf bislang Vertrautes ökonomische und soziale Veränderungen einwirken."
Denn sonst fühlten sich Menschen abgehängt. Und das ist dann wieder nicht gut für die Demokratie.