
Auf diesen Marsch - "Durch’s Bär’ntal" - ist Kapellmeister Christoph Lasacher besonders stolz - er hat ihn selbst komponiert. Predlitz im Oberen Murtal hat wie viele Gemeinden auf dem Land mit der Abwanderung der Jüngeren zu kämpfen, die in der Land- und Forstwirtschaft oder im Handwerk hier keine Zukunft sehen. Doch Christoph Lasacher, 24, will in Predlitz bleiben. Ob der Musikverein wichtig ist?
"Ja, sehr wichtig für das Dorfleben und für den Zusammenhalt. Ohne die wäre es halt, sag‘ ich mal, nur die Hälfte - oder das ist halt nicht das Wahre, ohne Musik."
"Also ich find’s ein bisschen lächerlich, dass wir das nicht zusammenbringen, weil so eine Wahl ist ja echt etwas Wichtiges für ein Land oder für den Bund oder die Gemeinde – ist ja wurscht was - , weil eigentlich verlässt sich da jeder Bürger auf das, dass das funktioniert."
David Rauter studiert Architektur in Graz, fährt aber jede Woche nach Hause nach Predlitz, auch weil er hier als gelernter Fliesenleger und Ofenbauer sein Geld verdient. Auf die Frage, warum fast 50 Prozent der Österreicher bei der ersten Stichwahl Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ gewählt haben, sagen Rauter und Lasacher: jedenfalls nicht, weil die alle rechtsextrem sind.
"Ich glaub‘, dass so viel schwarze Schafe, wie die FPÖ hat, keine andere Partei hat – in die Richtung hin, ins Rechtsextreme, das wird sicher so sein – aber ich sage jetzt nicht, dass die FPÖ generell eine rechtsextreme Partei ist."
"Ich sage, das hat jetzt mit der Partei selber nichts zu tun. Ich sage so: Bei uns in der Gemeinde, der vorige Bürgermeister, der Horst, hat super Sachen gemacht, ist von der FPÖ gewesen. Es sind aber auch die anderen Bürgermeister, wie von der ÖVP, zum Beispiel jetzt der Hannes, die machen alle super Sachen. Also ich sage, ich finde nicht, dass man da jetzt eine Partei nehmen kann und abstempeln, dass die nur rechtsradikal sind."
Ein paar Kilometer entfernt, in Ramingstein, leben rund 60 Flüchtlinge in einem früheren Gasthof. Das sorgt auch hier in Predlitz für Skepsis, sagt Bürgermeister Rauter:
"Ja, das merkt man schon, dass Skepsis da ist. Viele sagen halt, denen geht es ohne Arbeiten auch so gut wie uns beim Arbeiten."
Den Flüchtlingen geht es, ohne dass sie arbeiten, genauso gut wie der normalen Bevölkerung, die arbeitet – das also ist das Standardargument. Und wie sieht der Bürgermeister von der Volkspartei ÖVP das starke Abschneiden von FPÖ-Kandidat Hofer bei der Präsidentenwahl?
"Diese 50 Prozent, die wahrscheinlich wieder Hofer wählen werden oder knapp 50 Prozent, so rundherum, die sind sicher nicht alle rechtsradikal. Ansonsten sind es wahrscheinlich viele Protestwähler. Und daraus sieht man, dass die Bevölkerung oder die Wähler mit der Bundesregierung unzufrieden sind."

"Hier am Land ist es so: Durch das, dass ein jeder jeden kennt, ist es eigentlich egal, von welcher Partei er kommt. Wichtig ist, dass er sich integriert, einsetzt und für das Volk da ist, für die Gemeinde und für die Bürger."
"Ich glaube, dass die Österreicher ein bisschen politikverdrossen sind. Sie suchen eine Alternative. Und der Herr Hofer spricht wahrscheinlich 50 Prozent der Bevölkerung an, dass sie dort wahrscheinlich sich sicher fühlen."
Pfarrer Ewald Pristavec ist eine Art Gegenpol zu Horst Prodinger in Predlitz, jedenfalls wenn es ums Thema Flüchtlinge geht. Priester Pristavec hat versucht, sich für die Aufnahme von Flüchtlingen auch in Predlitz einzusetzen, blieb aber ziemlich allein auf weiter Flur:
"Eine Dame hätte ein Haus angeboten für Flüchtlinge, und ich habe auch meine Bereitschaft erklärt, da mitzutun und wohlwollend Stimmung zu machen. Aber die Dame hat dann doch das sehr kurzfristig wieder zurückgezogen, weil sie gemeint, hat, nein, die Ressentiments sind doch so groß, und sie traut sich nicht."
"Wahrscheinlich ist das, was einem selber ganz fremd ist, mit der größten Angst behaftet. Vielleicht ist ‚feindselig‘ ein zu großes Wort – aber eine sehr misstrauische Grundstimmung ist natürlich festzustellen. Eine gewisse Neiddebatte kann man auch feststellen. Und die Angst vor dem Islam ist schon sehr groß - aus berechtigten oder nicht berechtigten Gründen - aber die Angst ist sehr groß."
"Wir sind sicher einer der schönen Orte, die es im Kärtner-Land gibt."
An der Uferpromenade sitzen die Leute beim Seefest in der Herbstsonne. Zur noch einmal verschobenen Präsidentenwahl sagen sie:
"Dass es der letzte Blödsinn ist." - "Das ist ja lächerlich." - "Na, da kann der Österreicher ja im Prinzip ja nichts dafür, dass die Kleber nicht in Ordnung sind, das ist halt von der Firma aus." - "Eigentlich brauchen wir keinen Präsidenten (lacht). Jetzt haben wir bis jetzt keinen gehabt und bis Dezember brauchen wir auch keinen und eigentlich brauchen wir gar keinen."
Hört man sich bei Einheimischen in Millstatt zum Thema Flüchtlinge um, gibt es unter anderem das zu hören:
"Weil wir Österreicher haben weniger Rechte als die Asylanten. So schaut’s aus. Weil viele Familien in Österreich haben kein Essen, haben nichts zu heizen, frieren den Winter. Und die Asylanten werden dreimal am Tag bewirtet, sie haben Frühstück, Mittagessen und Abendessen, bekommen Taschengeld, haben warmes Wasser und haben ein Dach über dem Kopf. Das hat oft eine österreichische Familie nicht."
Die junge Frau, die das sagt, hat selbst einen festen Job, sie arbeitet an einer Hotelrezeption. Bootsbauer Gottfried Strobl sieht die Sache differenzierter. Aber wenn er an die Negativ-Schlagzeilen, gerade in Deutschland, zu Norbert Hofer und der FPÖ denkt, kann auch er ziemlich ärgerlich werden:
"Wir wollen in kein rechtes Eck gedrängt werden und wir sollten auch nicht dorthin gedrängt werden. Man soll legitime Parteien, die es gibt, wo vielleicht auch ein bisschen patriotisches Bewusstsein auch drinnen ist, das darf ein Land, ein Volk schon irgendwie haben. Und noch schlimmer wäre es, wenn Europa irgendwo mit erhobenem Finger auf Österreich zeigen würde."
Auch in Millstatt selbst gibt es so gut wie keine Flüchtlinge. Nur in einer Hotelküche arbeitet einer, schon seit vielen Jahren. Hotelbetreiber Thomas Helml lässt auf seinen Mitarbeiter aus dem Iran nichts kommen:

"Die Menschen haben den Haider sicher da sehr geschätzt und geliebt, persönlich, weil er einfach omnipräsent war. Also er war bei ganz vielen Veranstaltungen, er war persönlich da, und er war sozusagen einer von ihnen, und diejenigen, bin ich hundertprozentig überzeugt, die ihn gewählt haben, waren jetzt nicht per se rechtslastig oder rechtsradikal oder sonst irgendwas. Die haben ihn einfach persönlich geschätzt als einer von ihnen, der sich halt für sie eingesetzt hat - ob das so war, ist jetzt ein anderes Thema."
Heute regiert in Kärnten auf Landesebene nicht mehr die FPÖ oder die spätere Haider-Abspaltung BZÖ, sondern die sozialdemokratische SPÖ. Auch der heutige Bürgermeister von Millstatt, Johann Schuster, ist Sozialdemokrat. Er sagt zur Tatsache, dass die FPÖ in Umfragen österreichweit stärkste Partei ist:
"Es ist ein Verdruss der Menschen an den herrschenden politischen Systemen, an den Zentrumsparteien, sagen wir so, und das ist einfach eine Trotzreaktion."
Johann Schuster sitzt mit der grünen Gemeinderätin Dorothea Gmeiner-Jahn am Tisch. Dass FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer mit dem Thema Flüchtlinge punkten kann, erklärt sie mit den Worten:
"Vieles ist Unwissen. Und man sieht’s ja auch am deutschen Wahlergebnis AfD jetzt: Die Regionen, wo wenig Flüchtlinge überhaupt sind, sind unter Umständen die, wo die Angst auch am größten ist. Und da sehe ich eine große Aufgabe der Politik, dass man eine Art Vermittlerposition hat und sich einfach hinstellt und erklärt, warum das jetzt wichtig ist, und dass niemand Angst haben muss."
Wen Gmeiner-Jahn in der ersten Präsidenten-Stichwahl gewählt hat und am 4. Dezember wieder wählen wird, liegt auf der Hand: Sie ist Grüne, Alexander Van der Bellen war zehn Jahre lang Grünen-Parteichef. Doch auch SPÖ-Bürgermeister Johann Schuster sagt:
"Van der Bellen ist mein Kandidat. Weil das ein Staatsmann ist, auf den man stolz sein kann, auch aufgrund seiner Persönlichkeit, seines Horizontes und nicht so engstirnig rein auf österreichische Probleme beschränkt bleibt."

"Wir haben ja schon längst die Obergrenze von 37.500 bei Weitem überschritten. Wir sind in Wahrheit bei 170.000 in diesem Jahr. Ja, verkauft man die Menschen für blöd?"
Strache ist der aggressivere Redner, Hofer der zurückhaltendere. Doch die Kernaussagen bleiben die gleichen: Es gebe zu viele Flüchtlinge. Und: Die Dominanz der Regierungsparteien müsse ein Ende haben. Norbert Hofer:
"Ich sage jenen, die mich jetzt bekämpfen: Je mehr ihr mich bekämpft, umso stärker werde ich." (Jubel) "Wenn irgendjemand glaubt, dass mir die Luft ausgeht, nur weil diese Wahlen ein paar Wochen später sind, der irrt sich gewaltig, der irrt sich ganz gewaltig."
Die 5.000 Zuhörer in Wels sind begeistert:
"Der Hofer ist sympathisch. Ich bin seit Jahren FPÖ-Wähler und ich hoffe, dass es so weitergeht – dass die Blauen, die FPÖ, auf dem Siegeszug ist." - "Die Asylpolitik - schauen Sie mal in die Stadt Linz und fahren Sie einmal mit der Straßenbahn. Da ist man nicht mehr sicher, und schon gar nicht als Frau."
Es gibt auch überlegtere Stimmen bei dieser FPÖ-Veranstaltung. Auf die Frage, warum der Anteil junger Männer unter den FPÖ-Wählern besonders hoch ist, sagt einer:
"Es sind zwei Parteien in Österreich, die unter den Jungen hohe Wähleranteile haben, das sind die Grünen und die Blauen. Weil das sind die beiden Parteien, die am meisten polarisieren. Und ich denke, dass die sogenannten Altparteien, das System Rot-Schwarz, dass die noch kleiner werden, unwichtiger, und am Ende wird es dann eben eine Richtungsentscheidung sein, so wie es diese Wahl vermutlich auch schon ist: Tendiert Österreich mehr rechts oder tendiert es mehr links."
Dass die Bundespräsidentenwahl eine Richtungsentscheidung für das Land ist, sagen auch angesehene Wahlforscher. Analysen der ersten Stichwahl besagen, dass in den Städten, vor allem Wien, mehrheitlich Van der Bellen gewählt wurde, auf dem Land - auch der Großraum Wels ist ländlich strukturiert - mehrheitlich Hofer. Und Politikwissenschaftler betonen, ob der nächste Präsident Hofer oder Van der Bellen heißt, ist für Österreich eine Richtungsentscheidung nach innen und außen.
"Na, ich glaube, dass Alexander Van der Bellen die solidere Lösung für Österreich ist. Nicht nur unbedingt, weil man darauf achten sollte, was das Ausland über Österreich denkt, sondern auch, was die Österreicher über sich selber denken und welches Bild sie transportieren möchten.
"Sehr geehrter Herr Van der Bellen, wir wissen natürlich, dass das eine bewegte Zeit ist, und wir wissen auch, dass viele Menschen Sorgen haben, Ängste haben, das sind Ängste um ihren Arbeitsplatz, Ängste um ihr Einkommen, vielleicht Ängste um die Pensionen eines Tages. Aber alles das materialisiert sich und wird immer wieder von manchen zugespitzt in der sogenannten Ausländer- oder Migrationsfrage. Und ich halte das für einen besonders gefährlich Stoff, weil was dahinter steht, ist eine gesellschaftliche Verschiebung. Und was ich mir persönlich wünsche, und da halte ich Sie für den Garanten dafür, dass wir diese Politik der Ängste, der Verzweiflung, des Schürens von niedrigen Motiven ersetzen können, gemeinsam ersetzen können durch eine Politik der Hoffnung."
Als Alexander Van der Bellen selbst das Wort ergreift, wird es wie meistens keine feurige Wahlkampfrede. Er bleibt zurückhaltend, wirbt vor allem mit dem Thema Europa für parteiübergreifende Unterstützung:
"Kämpfen wir um dieses vereinte Europa. Es muss sich weiterentwickeln, es darf nicht so bleiben wie es ist. Ja okay, da stehen viele wichtige Aufgaben vor uns, aber das schaffen wir. Und es sind einfach sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die mit keiner politischen Partei etwas am Hut haben. Und diese überparteiliche Bewegung, bin ich sicher, gewinnt. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit."
"Jeder tut nur jammern die ganze Zeit und keiner ist zufrieden mit irgendwas. Also es ist echt so, es ist ja bei uns keiner am Verhungern." - "Jammern – jein. Es wird auf hohem Niveau gejammert. Aber es kann nicht sein, dass immer weniger für immer mehr arbeiten müssen." - "Irgendwer wird das Rennen machen. Und ich hoffe, dass dieser Affenzirkus bald vorbei ist."