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Österreich
Kurz kämpft um sein Amt

Am Montag wird das österreichische Parlament mit einem Misstrauensvotum entscheiden, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz nach der Video-Affäre im Amt bleiben soll. Kurz selbst spricht von "Rachegelüsten" seines Ex-Koalitionspartners FPÖ. Ob die SPÖ dem Antrag geschlossen folgen wird, ist unklar.

Von Stephan Ozsváth | 25.05.2019
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) während einer Pressekonferenz zur Zukunft der Koalition nach dem Veröffentlichen des "Ibiza - Videos" in der Causa Strache , am Samstag, 18. Mai 2019, im Bundeskanzleramt in Wien
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz steht vor einem Misstrauensvotum der Opposition (dpa / APA / Helmut Fohringer)
"Kurz muss weg" skandierten die Anhänger der FPÖ beim EU-Wahlkampfabschluss – angefeuert von ihrem Spitzenkandidaten Vilimsky. Auch die Sozialdemokraten machen dem 32-jährigen Kanzler das Leben schwer. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sagte vor Anhängern:
"Sebastian Kurz hat in der jetzigen Regierungskrise bewiesen, dass er dieser Verantwortung nicht nachkommt. Er will diktieren, er will nicht überzeugen, er will erzwingen. Aber Vertrauen muss man sich erwerben."
Noch klarer hatte sich der sozialdemokratische Ministerpräsident des Burgenlandes, Doskozil, nach einem Treffen der Landesfürsten mit dem Kanzler geäußert:
"Meine persönliche Meinung ist, dass es der beste Weg ist, auf Regierungsebene mit einem Expertenteam zu arbeiten und dass der Misstrauensantrag am Montag angenommen wird."
"Am Ende des Tages entscheidet in Österreich das Volk"
Am Montag will die kleine Oppositionspartei JETZT eines ehemaligen Grünen einen Misstrauensantrag gegen Kurz stellen. Der sagte kurzfristig seine Teilnahme am Wahlkampf-Finale der europäischen Konservativen in München ab und kämpfte in Österreichs Medien lieber um seinen Job. Erst trat er im privaten Boulevard-Fernsehen auf, später dann in der Hauptnachrichten-Sendung des ORF:
"Natürlich kann ich emotional nachvollziehen, dass es von der Freiheitlichen Partei oder von Herbert Kickl jetzt Rachegelüste gibt. Und ich merke auch, dass es jetzt eine Koalition gibt, die da entsteht, nämlich eine Kickl-Rendi-Koalition, rot und blau, die ein Ziel haben: nämlich die Volkspartei und mich als Bundeskanzler abzuwählen. Wenn das Parlament so entscheidet, werde ich das selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Aber ich sage auch dazu: Am Ende des Tages entscheidet in Österreich das Volk, und zwar im September."
Kurz betonte: Leider habe das Video die Koalition beendet. Er hätte sie gerne weiter geführt. Aus der ÖVP gibt es Stimmen, die auf eine Neuauflage nach der Wahl im September spekulieren. Bis dahin soll ein Expertenkabinett die Amtsgeschäfte führen. Die Opposition kritisiert, dass dort nur von Kurz handverlesene Experten mit konservativem Stallgeruch sitzen. Der steirische Ministerpräsident Schützenhöfer von der konservativen ÖVP sieht schwarz für das Misstrauensvotum:
"Ich denke mir, dass die Abneigung in der SPÖ so geschürt wurde und mittlerweile so groß ist, dass es schwer sein wird, dass sich die besonnen Kräfte bei ihrer Parteivorsitzenden durchsetzen werden."
Wiener Anwalt an Video beteiligt?
Die rechte Koalitionsregierung war an einem heimlich aufgenommenen Video zerbrochen. In einer Villa auf Ibiza stellte der spätere Vizekanzler Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin lukrative Geschäfte gegen Parteispenden in Aussicht. In einer Videobotschaft erklärte Strache jetzt:
"Ich habe daher bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen zumindest drei als mögliche Mittäter identifizierte Personen eingereicht."
An der Entstehung des Videos soll ein Wiener Anwalt beteiligt sein, die "Bild"-Zeitung nannte eine Pressemitteilung von dessen Rechtsvertreter ein "Geständnis". Später relativierte das Boulevard-Blatt die Schlagzeile und ließ ihren Reporter im Podcast seine Skepsis äußern, warum - so die neue Schlagzeile - dem Wiener Anwalt nicht zu trauen sei.