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Wien soll grüner und kühler werden

Bäume und Brunnen statt Parkplätze und Beton: Wien soll grüner und kühler werden. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein will die Metropole an der Donau zur Klimahauptstadt Europas machen. Und die Zeit drängt, denn es gibt immer mehr Tropennächte in Wien.

Von Stephan Ozsváth | 03.07.2019
Stadtansicht von Wien
In ganz Wien sollen ab dem nächsten Jahr 150 grüne Häuser entstehen (imago/blickwinkel)
Es ist viel los auf der Mariahilfer Straße in Wien, der MaHü, wie sie im Volksmund heißt. Die Wiener und Besucher der Stadt flanieren hier unter Bäumen, die Schatten spenden und essen Eis. Runterkühlen ist angesagt, bei Temperaturen über 30 Grad.
"Wir müssen die Stadt abkühlen"
Die Straße gehört heute den Fußgängern und E-Roller-Fahrern. Eine Grüne hat die Begegnungszone durchgesetzt – gegen viel Widerstand. Ihre Nachfolgerin, Birgit Hebein, ist die neue Vizebürgermeisterin in der rot-grün regierten Stadt. Die Kärtnerin ist für Stadtentwicklung zu ständig, ein Ziel.
"Wir müssen die Stadt abkühlen, das heißt hier Schattenbäume zu schaffen, Brunnen, Bänke zum Verweilen.
In der Zieglergasse, einer Seitenstraße der Fußgängerzone heizen noch Asphalt und Gründerzeit-Fassaden die Stadt auf, das soll sich ändern. Ab kommenden Sommer werden hier 24 neue Bäume stehen und Schatten spenden, es wird fünf Trinkbrunnen und vier Kühlbögen geben, die Wasserdampf versprühen – dafür gibt es 48 Parkplätze weniger. "Kühle Meile" heißt das Projekt, es wird 2,4 Millionen Euro kosten. Szenenwechsel.
"Wir sind hier in einer sogenannten Grätzloase, im 10. Wiener Gemeindebezirk und wir sitzen in einem Parklett.
Kleine Oasen im Beton
Beatrix Gasienica-Wawrytko sitzt auf einer Art Holzbank, inmitten von Pflanzentrögen, im Arbeiterbezirk Favoriten. Eine Straße ohne Grün, Autos parken am Rand. Es gibt null Schatten. Das soll sich mit diesem Parklett ändern, einer kleinen Oase im Beton, erklärt die Stadtplanerin von der TU Wien.
"Sinn und Zweck ist es zu schauen, dass man längerfristig auch die Stadt eben kühler macht. Wir befinden uns hier auch in einem klassichen Gründerzeitlichen Viertel, dass sich auch dadurch charakterisiert, dass hier kaum Begrünung herrscht. Wir haben einen stark versiegelten Anteil. Um so wichtiger ist es, hier mit anderen Maßnahmen zu arbeiten, wie zum Beispiel Grünfassaden, Dachbegrünungen, die Innenhöfe miteinander zu vernetzen. Da kann man schon Maßnahmen setzen, wie zum Beispiel Entsiegelung.
Um die Ecke ist ein altes Industrie-Gelände, heute ist dort eine Kita mit Hochbeeten, Flüchtlinge lernen Deutsch – und Stadtplaner testen an einem Haus Fassadenbegrünung.
Grün statt Grau
In ganz Wien sollen ab dem nächsten Jahr 150 grüne Häuser entstehen. Dachbegrünung, Fassadenbegrünungen mit öffentlicher Förderung sollen das Mikroklima in der Stadt auf natürliche Art verbessern, erklärt die TU-Expertin, 5.700 Hektar Dachfläche, 12.000 Hektar Fassaden könnten begrünt werden in Grün.
Mehr Grün, weniger Autos gleich kühlere Stadt, heißt die einfache Gleichung. All das ist Teil eines ganzheitlichen Konzeptes. Seit 20 Jahren hat Wien einen Klimaschutzplan. Fernwärme und bessere Fassadendämmung gehören dazu, die "Schwammstadt", die Regenwasser auffängt und Grünanlagen bewässert, statt direkt in die Kanalisation zu leiten, aber auch der Ausbau von Radwegen und öffentlichem Nahverkehr. Langfristiges Ziel, so die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.
"Ich will Wien zu ersten Klimahauptstadt Europas machen."
Grün statt Grau – so heißt die Devise. Die Zeit drängt, denn laut Meteorologen gibt es in Wien immer mehr Tropennächte, im letzten Jahr waren es 46, in der Innenstadt ist es im Schnitt drei bis fünf Grad wärmer als auf dem Land. Am Wochenende kratzte das Thermometer an der 38-Grad-Marke.