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Oettinger: Deutsches Aktienrecht ist ausreichend

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, hat sich gegen eine weitere Sondergesetzgebung für den VW-Konzern ausgesprochen. Auch der neue Entwurf von Justizministerin Zypries widerspreche europäischem Recht, sagte Oettinger kurz vor Beginn der VW-Hauptversammlung. Er werde ihm daher im Bundesrat nicht zustimmen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der seit Monaten schon schwelende Konflikt um die Macht bei Volkswagen wird heute also die VW-Hauptversammlung beschäftigen. Der Streit dreht sich um die strategische Wertigkeit der Anteile von Porsche und dem Land Niedersachsen. Am Telefon begrüße ich nun den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Günther Oettinger. Schönen guten Morgen!

    Günther Oettinger: Guten Morgen.

    Klein: Herr Oettinger, wir haben gerade im Bericht unseres Korrespondenten noch mal die Problemlage gehört. Wie stark machen Sie sich jetzt für die Interessen von Porsche bei Volkswagen?

    Oettinger: Wir haben ja in Deutschland ein intaktes Gesellschaftsrecht. Das Aktiengesetz regelt eindeutig, welche Minderheitenrechte es gibt, welche Mitsprache, welche Mitbestimmung, und ich glaube es gibt überhaupt keinen Grund, für einen großen deutschen Konzern eine besondere Regelung fortzuführen, nachdem die Europäische Union durch ihre Richter klar gesagt hat, dass das geltende VW-Gesetz nicht haltbar ist.

    Klein: Das Bundesjustizministerium argumentiert nun gleichwohl, es werde die von Europa kritisierten Stellen streichen, aber eben nicht das ganze VW-Gesetz, sondern das in Kraft lassen, was eben vom EuGH nicht kritisiert wurde. Also es gibt einen Interessenkonflikt, der in der Koalition zu klären sein wird?

    Oettinger: Es gibt zwei Fragen zu beantworten. Zum einen: Benötigen wir in Deutschland eine Sonderregelung für VW? - Ich glaube eigentlich nein. Und das zweite ist: Es gibt ja eine klare Empfehlung des Kommissars, der sagt, dass dieser Entwurf von Frau Zypries genauso dem europäischen Recht widerspricht und deswegen ein zweites Verfahren auch dieses erneut aufwirft. Ich glaube wir sollten nicht unnötig erneut in Brüssel und bei den Richtern von Europa mit einem absehbaren rechtswidrigen Gesetz auffallen.

    Klein: Es ist ja wie offenbar bei manchem Thema, bei manchem Problem, dass die Juristen jetzt auch nicht alle einer Meinung sind. Es gibt verschiedene Auffassungen dazu - tatsächlich einige, die sagen die Gefahr besteht, dass Europa dieses Gesetz dann auch wieder einkassieren wird. Andere sehen das anders. Die Frage ist jetzt: Wie wird es zu einer Einigung kommen? Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff vertritt sein Land und ist da eher an der Seite der Justizministerin. Die Frage ist jetzt, wie das politisch gelöst werden wird. Deshalb noch mal meine Frage: Wie stark werden Sie dafür plädieren, dass das VW-Gesetz komplett gekippt wird und auch nicht mehr die Überreste davon erhalten bleiben?

    Oettinger: Ich respektiere die Haltung von Christian Wulff, aber es gibt ja auch kein Daimler-Gesetz, kein BMW-Gesetz, kein Bayer- oder BASF-Gesetz. Es gibt das deutsche Aktienrecht, das meines Erachtens sehr fair ausgewogen die Verantwortung für die Unternehmungen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und der Aktionärsversammlung aufteilt, Minderheitenrechte regelt, das viertelt und damit die qualifizierte Minderheit und deren Rechte entscheidet. Von daher: Ich werde im deutschen Bundesrat einem VW-Gesetz nicht zustimmen können und ich werde jetzt in den Gremien von CDU und auch in den Gremien, die dann im Bundesrat und Bundestag kommen werden, gemeinsam mit meinen Parteifreunden darauf achten, dass keine besonderen Regelungen, die erkennbar in Europa nicht haltbar sind, neu beschlossen werden sollen.

    Klein: Dann kommen wir doch mal zur inhaltlichen Frage. Was spricht denn aus Ihrer Sicht dagegen, diesen nach wie vor noch vorhandenen Anspruch des Landes Niedersachsen zu kippen?

    Oettinger: Man muss ja sehen, dass in den letzten Jahrzehnten bei den Versammlungen nie 100 Prozent der Aktien anwesend gewesen waren. Das heißt die Aktionäre bleiben in vielen Fällen zu Hause. Das heißt mit 20 Prozent, die Niedersachsen hat, hat man in Wahrheit mehr Rechte, als man der Zahl nach alleine ablesen kann. Zweitens: Es gibt Möglichkeiten, dass man sich mit anderen über das Vorgehen einigt, und so wäre es möglich, dass Porsche und Niedersachsen die Zukunft von VW gemeinsam bestimmen. Ich glaube, dass hier durch Kooperation, durch gemeinsame Ziele für die Arbeitsplätze und für die Standorte am meisten getan werden kann. Ansonsten würden wir ein Verfahren eingeleitet bekommen, das erneut zwei, drei Jahre Rechtsunsicherheit über VW bringt. Ich glaube es soll jetzt Klarheit geschaffen werden und Klarheit ist das deutsche Aktienrecht.

    Klein: Die Belegschaft von Volkswagen sieht das gleichwohl anders und vertraut eher darauf, wenn es um Standortverlegungen, um Arbeitsplatzabbau geht, dass ein Anspruchsrecht des Landes dann doch ihre Position sichert. Weshalb haben Sie dafür kein Verständnis?

    Oettinger: Die beste Sicherheit für einen Standort und für Arbeitsplätze sind gute Produkte. Und ich bin sicher, dass die Kombination wie Kooperation von VW in der Gruppe mit Porsche, mit Audi, mit anderen die beste Garantie für Standortsicherung, für Absatz von Fahrzeugen und von Arbeitsplätzen sein wird und deswegen keine Sonderregelungen sinnvoll sind.

    Klein: Wie stark schätzen Sie denn Ihre Position ein? Die Kanzlerin hat sich bei dem Thema im Augenblick etwas zurückgehalten. Das wird ein bisschen dahingehend interpretiert, dass sie möglicherweise auch Ihre Haltung vertritt. Wie sehen Sie Ihre Erfolgsaussichten?

    Oettinger: Warten wir's ab. Das Gesetz wird jetzt im zweiten Quartal beraten werden und dann wird irgendwann zur Jahresmitte die Entscheidung kommen. Ich bin natürlich auf die Hauptversammlung gespannt, die von VW abgehalten wird, aber die Position von Baden-Württemberg ist klar. Wir wollen ein einheitliches Aktienrecht. Wir wollen starke Minderheitenrechte; die gibt es dort. Und es gibt keine Gründe für Sonderregelungen.

    Klein: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Günther Oettinger (CDU) war das. Danke Ihnen für das Gespräch!