Bettina Klein: Er gilt im Westen ja durchaus als liberaler Hoffnungsträger. Wie weit diese Hoffnung allerdings trägt, das muss die Zukunft erst noch zeigen. Dmitri Medwedew hat heute Wladimir Putin als russischen Präsidenten offiziell abgelöst. In einer feierlichen Zeremonie hat er das Amt übernommen. Morgen wird der Vorgänger zum neuen Regierungschef gewählt. Über den Wechsel im Amt des russischen Präsidenten möchte ich jetzt mit Gert Weisskirchen sprechen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Ich grüße Sie Herr Weisskirchen!
Gert Weisskirchen: Hallo!
Klein: In der Politik des Außenministeriums in Berlin scheint es die Linie zu geben, "über den Neuen erst mal nur Gutes". Entspricht das auch der Haltung Ihrer Parlamentsfraktion?
Weisskirchen: Das ist ganz gewiss so, weil natürlich Herr Medwedew einmal eine Chance haben muss, sich zu zeigen, was er denn tun will. Den Beginn seiner Präsidentschaft, die jetzt heute angefangen hat, sollten wir begleiten mit Erwartungen.
Klein: Mit Erwartungen, die Sie konkret woran festmachen?
Weisskirchen: Russland steht vor sehr, sehr großen Aufgaben. Insbesondere - und das ist das wichtigste - glaube ich, dass der Modernisierungsprozess vorankommt, er aber nicht nur alleine ökonomisch verengt wird oder, was noch viel schlimmer wäre, nur darauf gerichtet wäre, dass man so viel wie möglich Öl in den Weltmarkt pumpt. Das wäre keine gute Zukunft für das Land.
Klein: Also was muss Medwedew jetzt leisten, was einer Modernisierung entsprechen würde, die Sie meinen?
Weisskirchen: Beispielsweise dafür sorgen, dass es einen breiten Mittelstand gibt, der beispielsweise in der Maschinenbauindustrie steckt oder der dafür sorgt, dass die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln in einer Weise sichergestellt wird, dass man nicht etwa Subsistenzwirtschaft, also selbst etwas anbaut, sondern dass man eine breite Versorgung gewährleistet. Das sind alles Dinge, die beispielsweise es nötig machen, dass die Verkehrsinfrastruktur dringend modernisiert werden muss.
Klein: Sie haben jetzt dieses Beispiel genannt. Sehen Sie denn irgendeine Art von Anzeichen, dass diese Politik konkret werden wird?
Weisskirchen: Ja, denn schauen Sie: Herr Medwedew hat ja Wahlkampf gemacht - vielleicht nicht in einer Form Wahlkampf, wie wir es bei uns kennen -, aber er hat da deutlich gemacht, welchen Weg er sieht, wohin Russland in Zukunft gehen soll. Genau das waren die zentralen Stichworte: Modernisierung, Reform, weg von der Korruption, hin zu einem Aufbau des Mittelstandes einer zivilen Gesellschaft.
Klein: Versprechungen dieser Art hat es aber auch von Wladimir Putin gegeben, bevor dieser das Amt angetreten hat, und man sieht, wo Russland heute steht.
Weisskirchen: Das wichtigste glaube ich, was man heute sich anschauen sollte, ist, dass der Übergang von Putin zu Medwedew ein außergewöhnlicher ist, eine historische Einmaligkeit in der Geschichte Russlands, dass ein solcher Machtwechsel friedlich vonstatten geht. Das war früher ganz anders, viel schrecklicher und ich finde alleine das macht deutlich, dass Putin wie Medwedew sich auf die Verfassung stützen, sie auch erfüllen wollen. Da stecken die Instrumente und die Möglichkeiten für eine bessere russische Zukunft.
Klein: Bei der Frage nach der Machtverteilung, der Frage wird es ein Mit- oder ein Gegeneinander von Medwedew und Putin geben, das scheint sich nur mit Spekulationen beantworten zu lassen. Haben auch Sie keine Antwort darauf, wer in diesem Tandem welche Rolle übernimmt?
Weisskirchen: Ich bin da ziemlich sicher. Jeder Präsident, der eine solche Machtausstattung hat wie der russische Präsident, wird sich in der Mitte seiner ersten Wahlzeit überlegen, ob er denn ein zweites Mal antreten wird. Diese Überlegung wird Medwedew genauso anstellen wie andere vergleichbare Präsidenten. Dann wird er natürlich - und da kann er gar nicht anders - ein eigenes Zeichen setzen. Er wird deutlich machen, wer Medwedew ist, wohin seine Ziele führen. Alleine diese Überlegung wird klar machen, dass in zwei Jahren ein Medwedew sich zeigen wird, der eine Prägung in seine eigene Präsidentschaft einbringen möchte, und die kann er nicht alleine mit dem Namen Putin verbinden.
Klein: Herr Weisskirchen, Sie haben gesagt, Sie wollen dem Neuen eine Chance geben. Wenn es nicht zu dem kommt, was auch Sie jetzt gefordert haben, was Ihr Fraktionskollege Meckel etwa fordert, es muss ein Ende haben mit dem autoritären Staat, vieles muss im Rechtstaat verändert werden, halten Sie eine Änderung der Berliner Linie gegenüber Russland für denkbar oder für komplett ausgeschlossen?
Weisskirchen: Ich glaube zu allererst einmal, wenn der Modernisierungsprozess, von dem wir eben gesprochen haben, gelingen will, dann wird dieser Modernisierungsprozess niemals ohne einen Versuch begleitet werden können, dass Demokratie gefestigt, gestärkt und möglicherweise sogar erweitert werden kann. Ein Modernisierungsprozess, der sich ausschließlich auf Öl oder auf Ökonomie stützt, ist in der gegenwärtigen Zeit in der sich industrialisierten Welt, in der globalen Welt einfach nicht mehr möglich. Wir brauchen also eine Stütze, eine Stärke durch demokratische Bewegungen, Parteien, Gruppierungen. Die sind in Russland bereits vorhanden. Sie müssen sich aber auch natürlich selbst weiterentwickeln. Also ohne Demokratie ist Modernisierung heute nicht mehr möglich.
Klein: Der Appell von Gert Weisskirchen (SPD), Außenpolitiker. Danke Ihnen für das Gespräch!
Gert Weisskirchen: Hallo!
Klein: In der Politik des Außenministeriums in Berlin scheint es die Linie zu geben, "über den Neuen erst mal nur Gutes". Entspricht das auch der Haltung Ihrer Parlamentsfraktion?
Weisskirchen: Das ist ganz gewiss so, weil natürlich Herr Medwedew einmal eine Chance haben muss, sich zu zeigen, was er denn tun will. Den Beginn seiner Präsidentschaft, die jetzt heute angefangen hat, sollten wir begleiten mit Erwartungen.
Klein: Mit Erwartungen, die Sie konkret woran festmachen?
Weisskirchen: Russland steht vor sehr, sehr großen Aufgaben. Insbesondere - und das ist das wichtigste - glaube ich, dass der Modernisierungsprozess vorankommt, er aber nicht nur alleine ökonomisch verengt wird oder, was noch viel schlimmer wäre, nur darauf gerichtet wäre, dass man so viel wie möglich Öl in den Weltmarkt pumpt. Das wäre keine gute Zukunft für das Land.
Klein: Also was muss Medwedew jetzt leisten, was einer Modernisierung entsprechen würde, die Sie meinen?
Weisskirchen: Beispielsweise dafür sorgen, dass es einen breiten Mittelstand gibt, der beispielsweise in der Maschinenbauindustrie steckt oder der dafür sorgt, dass die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln in einer Weise sichergestellt wird, dass man nicht etwa Subsistenzwirtschaft, also selbst etwas anbaut, sondern dass man eine breite Versorgung gewährleistet. Das sind alles Dinge, die beispielsweise es nötig machen, dass die Verkehrsinfrastruktur dringend modernisiert werden muss.
Klein: Sie haben jetzt dieses Beispiel genannt. Sehen Sie denn irgendeine Art von Anzeichen, dass diese Politik konkret werden wird?
Weisskirchen: Ja, denn schauen Sie: Herr Medwedew hat ja Wahlkampf gemacht - vielleicht nicht in einer Form Wahlkampf, wie wir es bei uns kennen -, aber er hat da deutlich gemacht, welchen Weg er sieht, wohin Russland in Zukunft gehen soll. Genau das waren die zentralen Stichworte: Modernisierung, Reform, weg von der Korruption, hin zu einem Aufbau des Mittelstandes einer zivilen Gesellschaft.
Klein: Versprechungen dieser Art hat es aber auch von Wladimir Putin gegeben, bevor dieser das Amt angetreten hat, und man sieht, wo Russland heute steht.
Weisskirchen: Das wichtigste glaube ich, was man heute sich anschauen sollte, ist, dass der Übergang von Putin zu Medwedew ein außergewöhnlicher ist, eine historische Einmaligkeit in der Geschichte Russlands, dass ein solcher Machtwechsel friedlich vonstatten geht. Das war früher ganz anders, viel schrecklicher und ich finde alleine das macht deutlich, dass Putin wie Medwedew sich auf die Verfassung stützen, sie auch erfüllen wollen. Da stecken die Instrumente und die Möglichkeiten für eine bessere russische Zukunft.
Klein: Bei der Frage nach der Machtverteilung, der Frage wird es ein Mit- oder ein Gegeneinander von Medwedew und Putin geben, das scheint sich nur mit Spekulationen beantworten zu lassen. Haben auch Sie keine Antwort darauf, wer in diesem Tandem welche Rolle übernimmt?
Weisskirchen: Ich bin da ziemlich sicher. Jeder Präsident, der eine solche Machtausstattung hat wie der russische Präsident, wird sich in der Mitte seiner ersten Wahlzeit überlegen, ob er denn ein zweites Mal antreten wird. Diese Überlegung wird Medwedew genauso anstellen wie andere vergleichbare Präsidenten. Dann wird er natürlich - und da kann er gar nicht anders - ein eigenes Zeichen setzen. Er wird deutlich machen, wer Medwedew ist, wohin seine Ziele führen. Alleine diese Überlegung wird klar machen, dass in zwei Jahren ein Medwedew sich zeigen wird, der eine Prägung in seine eigene Präsidentschaft einbringen möchte, und die kann er nicht alleine mit dem Namen Putin verbinden.
Klein: Herr Weisskirchen, Sie haben gesagt, Sie wollen dem Neuen eine Chance geben. Wenn es nicht zu dem kommt, was auch Sie jetzt gefordert haben, was Ihr Fraktionskollege Meckel etwa fordert, es muss ein Ende haben mit dem autoritären Staat, vieles muss im Rechtstaat verändert werden, halten Sie eine Änderung der Berliner Linie gegenüber Russland für denkbar oder für komplett ausgeschlossen?
Weisskirchen: Ich glaube zu allererst einmal, wenn der Modernisierungsprozess, von dem wir eben gesprochen haben, gelingen will, dann wird dieser Modernisierungsprozess niemals ohne einen Versuch begleitet werden können, dass Demokratie gefestigt, gestärkt und möglicherweise sogar erweitert werden kann. Ein Modernisierungsprozess, der sich ausschließlich auf Öl oder auf Ökonomie stützt, ist in der gegenwärtigen Zeit in der sich industrialisierten Welt, in der globalen Welt einfach nicht mehr möglich. Wir brauchen also eine Stütze, eine Stärke durch demokratische Bewegungen, Parteien, Gruppierungen. Die sind in Russland bereits vorhanden. Sie müssen sich aber auch natürlich selbst weiterentwickeln. Also ohne Demokratie ist Modernisierung heute nicht mehr möglich.
Klein: Der Appell von Gert Weisskirchen (SPD), Außenpolitiker. Danke Ihnen für das Gespräch!