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"Ohne die Großspenden könnten die Parteien durchaus leben"

In Zusammenhang mit der umstrittenen Parteispende an die FDP hält der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann Großspenden grundsätzlich für problematisch. Gerade Spenden in Millionenhöhe könnte man schnell als Versuch der Einflussnahme im politischen Willensbildungsprozess verstehen.

Ulrich von Alemann von Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Mit umstrittenen Parteispenden sieht sich auch die FDP dieser Tage konfrontiert. Jüngst setzte sie Steuersenkungen in der Hotelbranche durch, wobei sie zuvor eine millionenschwere Parteispende bekam, und zwar von einem Spitzenhotelier. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

    Am Telefon begrüße ich Ulrich von Alemann, er ist Politikwissenschaftler an der Universität in Düsseldorf. Guten Tag, Herr Alemann.

    Ulrich von Alemann: Guten Tag, Herr Dobovisek!

    Dobovisek: Parteispenden bekommen schnell ein Geschmäckle, wie wir hören. Was machen denn die Parteien da falsch?

    von Alemann: Parteispenden werden immer wieder diskutiert und es gibt immer mal wieder Probleme damit, weil man aber sehr klar unterscheiden muss zwischen den kleinen Spenden, die jeder Mensch spenden kann, 20, 100, auch mal 200 oder 500 Euro, wie auch die Menschen für Katastrophen spenden. Da ist überhaupt nichts zu sagen, das ist überhaupt kein Problem.

    In den USA hat es Barack Obama vorgemacht. Er hatte 700 Millionenspenden geworben und die Durchschnittsspende lag bei 80 Dollar. Da ist überhaupt nichts gegen zu sagen, das ist wunderbar, das ist eine Form der Finanzierung der Politik durch die Bürger selbst, freiwillig und ohne Zwang. Problematisch wird es eben bei den Großspenden, 100.-, 200.000, eine Million, fünf Millionen, und die sind in Deutschland völlig rechtlich legal. Formal ist nichts dagegen einzuwenden. Es gibt keine Begrenzung von Spenden nach oben, und zwar sowohl von Einzelpersonen und auch von sogenannten juristischen Personen. Das sind Firmen oder auch Verbände oder Stiftungen.

    Es gibt nur einzelne gewisse kleine Einschränkungen, die will ich nicht alle nennen, aber prinzipiell kann jeder Bürger spenden, und diese Spenden werden nur dadurch beschränkt, dass sie ab einer bestimmten Höhe, ab 5000 Euro, jährlich im Rechenschaftsbericht erscheinen müssen und ab 50.000 Euro müssen sie relativ zügig im Internet nach der Spende veröffentlicht werden. Dies ist auch in diesem Fall ganz offensichtlich ganz normal geschehen.

    Dobovisek: Ist das also eine saubere Spende gewesen?

    von Alemann: Das ist die zweite Frage. Sie ist legal in Ordnung, soviel ich das beurteilen kann. Die Frage ist aber, ob nicht Großspenden tatsächlich ein Geschmäckle haben, ob sie auch wirklich legitim sind, und darüber gibt es eine langjährige Debatte. Ich habe in dieser Debatte auch früher mich schon auch in Kommissionen des Bundespräsidenten dafür eingesetzt, dass Großspenden nach oben hin begrenzt werden, gedeckelt werden.

    Dobovisek: Wie könnte so eine Grenze aussehen?

    von Alemann: Die brauchte nicht so kleinlich sein. Ich wäre gar nicht dagegen. Ich will nicht die einzelne Finanzierung von einzelnen Parteien wirklich beeinträchtigen. Die könnte bei 100.- oder 200.000 Euro liegen für vermögende Bürger und für Firmen. Danach wäre aber Schluss und es würden nicht Millionenspenden getätigt werden, die dann doch immer wieder ein Geschmäckle haben, weil natürlich die Spenden nicht einen einzelnen Einfluss nehmen dürfen auf eine einzelne Handlung einer Partei. Das wäre strikt verboten. Aber sie dürfen nur ganz generell sozusagen der politischen Überzeugung der Partei dienen. Aber eine Einzelspende über eine Million? Ich meine, dass die irgendwie die Partei beeindruckt, sagen wir mal, das kann man ja nun einfach nicht von der Hand weisen.

    Dobovisek: Ich wollte Sie eben nicht unterbrechen, aber wie kann man dann das unterscheiden, ob eine Spende nun allgemein der Partei zugutekommen soll, oder nicht doch noch durch die Hintertür eine politische Entscheidung sagen wir mal beschleunigen, oder erleichtern soll?

    von Alemann: Das ist eben wirklich kaum möglich. Das kann man nicht wirklich unterscheiden. Wenn man als Spender sagt, ich spende ganz generell der Partei, und wenn es nicht in einem engen Zusammenhang ist, das hat es auch praktisch nie richtig gegeben, dass man diesen Zusammenhang konstruieren konnte. Zwar war häufig der Verdacht da, es gab auch mal eine Spende von über fünf Millionen an die CDU von einem Immobilienehepaar im Zusammenhang mit dem Verkauf von Eisenbahnerwohnungen, auch da ist aber dieser Nachweis nicht wirklich gemacht worden. Weil man das nicht wirklich unterscheiden kann, ob Einflussspende, die ist verboten, oder ob generelle Hintergrundspende, die ist erlaubt, deswegen bin ich dafür, dass Spenden ab einer bestimmten Höhe begrenzt werden.

    Dobovisek: Muss man dann nicht gleich einen Schritt weitergehen, wenn man das nicht unterscheiden kann, und sagen, Unternehmen haben möglicherweise immer ein unternehmerisches Interesse an einer Parteienspende und schließt sie deshalb von den Parteispenden aus?

    von Alemann: Auch das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. International ist es sehr selten, dass diese juristischen Personen, also Unternehmen oder Verbände, an Parteien spenden dürfen, denn sie können ja auch nicht wählen und sie spenden, wenn Unternehmen spenden, mit dem Geld sozusagen, das alle Mitglieder des Unternehmens oder des Verbandes zusammen erarbeiten und damit auch natürlich ganz andere Parteien möglicherweise unterstützen. Also: die Spenden von juristischen Personen ist durchaus eine Debatte, die kann man in der Tat auch verbieten, was auch international eigentlich eine ganz übliche Praxis ist.

    Dobovisek: Müssen wir damit das Zusammenspiel von Lobby, Politik und Spenden noch einmal gründlich überdenken?

    von Alemann: Ich denke schon. Ich denke, es wäre ein guter Anlass, einmal gründlich darüber nachzudenken.

    Dobovisek: Brauchen denn die deutschen Parteien Parteispenden? Sind sie darauf angewiesen, oder wie sieht die finanzielle Lage der Parteien aus?

    von Alemann: Die finanzielle Lage der Parteien sieht nicht so gut aus, wenn man sie selber fragt. Im internationalen Vergleich werden die deutschen Parteien aber relativ gut finanziert. Es gibt drei Quellen für die Finanzen. Das eine – und das ist das aller unproblematischste – sind die Mitgliederbeiträge der Parteimitglieder. Das Zweite sind die staatlichen Zuschüsse, die sind schon mehrmals diskutiert worden, aber die sind mittlerweile recht gut geregelt. Die dürfen höchstens die Hälfte der Finanzen einer Partei umfassen und die dürfen auch nicht immer weiter steigen. Das dritte sind eben Spenden, und bei den Spenden sind die Kleinspenden völlig unproblematisch, ähnlich wie die Mitgliederbeiträge, aber bei Großspenden wird immer wieder doch diskutiert – und das haben wir gerade angesprochen -, dass da doch Einfluss genommen werden kann.

    Dobovisek: Kämen denn die Parteien möglicherweise auch ganz ohne Spenden zurecht?

    von Alemann: Ich glaube, die Parteien kämen auch ohne Großspenden zurecht, nicht völlig ohne Spenden. Niemand will die kleinen Spenden verbieten, und da müssten die Parteien auch mehr Anstrengungen unternehmen, diese kleinen Spenden zu bekommen, aber ohne die Großspenden, wenn man die Großspenden begrenzt, könnten die Parteien durchaus leben.

    Dobovisek: Der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann über Sinn und Unsinn der Parteispenden. Vielen Dank für das Gespräch.