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Ohne Muff - mit Pfiff

Früher war es oft nur ein nüchternes Schreiben aus dem Sekretariat der Uni, mit dem das Studium endete. Inzwischen heißt es zurück zu Tradition und Ritualen - der Abschluss soll gebührend gefeiert werden. Auch mit einem besonderen Kleidungsstück, dass als Zeichen von Elite und Establishment von den 68ern verhasst war und nun eine Renaissance erlebt: dem Talar. Isa Ungruh hat aus dem neuen Trend eine Job gemacht. Sie entwirft Talare mit dazu passenden Schärpen und Hüten und verleiht sie an Universitäten. In dieser Woche schlüpften Bochumer Absolventen in die schwarzen Gewänder.

Von Andrea Lueg | 27.02.2004
    Nein, eine Abschlussfeier in Talaren muss überhaupt nicht steif sein, zumindest nicht in Bochum. Die Absolventen des internationalen Master-Studiengangs Development Management sehen einfach festlich aus, wie sie so ihre Abschlusszeugnisse in Empfang nehmen. Im schwarzen Talar und mit dem passenden Hut auf dem Kopf geben sie ein einheitliches Bild ab, obwohl sie aus aller Herren Länder kommen. Der Umgang mit der dazugehörigen leuchtend gelben Schärpe war noch ungewohnt und auch der Einstieg in den Talar musste erstmal geübt werden, erzählt Anna Schellenberger:

    Wir haben es voneinander abgeguckt. Ich glaube, die meisten finden das einfach lustig.

    In Bochum wurde zum ersten mal im Talar gefeiert, vor allem, weil die ausländischen Studierenden etwas mehr Festlichkeit erwarten, als die Deutschen Akademiker sie normalerweise betreiben. Good Hope Ruskvah aus Simbabwe war positiv überrascht über die Gewänder. Im deutschen System hat man ja eigentlich keine Talare, aber uns gefällt das sehr, das macht einen großen Unterschied, meint er.

    Geliefert hat die Talare Isa Ungruh aus Bremen. Dort betreibt sie ihr kleines Unternehmen Talaris, das vor allem private Hochschulen beliefert. Dass ihr überhaupt die Idee kam, Talare für Abschlussfeiern zu entwerfen und zu verleihen, hat viel mit den Veränderungen auf dem Bildungsmarkt zu tun, meint sie. Ende der 90er Jahre war sie an der Bremer Uni zuständig für die Einführung eines internationalen MBA Studienganges. Im Kontakt mit ausländischen Partner und als Gast bei deren Abschlussfeiern stellte sie fest

    Was für ein Unterschied das ist, was für ein Rahmen das auch sein kann und wie unsere Studenten bei uns rumlaufen und wie sie auf einmal dort drüben rumlaufen im Rahmen von so einer Graduierungszeremonie. Das ist doch ein großer Unterschied und da wollten wir das auch sehr gerne für unseren Studiengang gewinnen.

    Denn schließlich wollen sich die deutschen Hochschulen auf dem internationalen Markt behaupten und auch ausländische Studierende für ihre Programme gewinnen. Und da spielt auch die Form eine Rolle.

    Irgendetwas will jeder machen am Abschluss. Man hat ja erstmal eine Marketingstrategie, um jemanden an sich heranzuziehen, und dann möchte man an sich binden. Das geht auch über eine sehr schöne gelungene Abschlussfeier, wo man hinterher sagt: Das war toll mit Ihnen.

    Angefangen hat Isa Ungruh mit 20 Talaren, inzwischen hat sie 400.

    Ich habe erst einen Prototyp gemacht, dann hab ich es angeboten und sofort haben die Leute gesagt, wir wollen auch. Das war gar nicht so schwer. Ich musste gar nicht so viel Überzeugungsarbeit leisten, wie ich dachte.

    Die Talare zu leihen, statt zu kaufen ist für die Hochschulen günstiger. Denn die Zahl der Absolventen und die Größen wechseln jedes Jahr, und Reinigung und Lagerung sind aufwändig.

    Die öffentlichen Hochschulen tun sich insgesamt noch etwas schwer mit Isa Ungruhs Angebot. Das liegt zum einen an den Kosten. Die Standardversion, also Talar, Hut mit farbigem Bommel und farbige Schärpe kostet 35 Euro Leihgebühr pro Tag. Lieferung, Reinigung und Abholung sind inklusive. Doch auch die Erinnerung an den Muff von 1000 Jahren macht es wohl manchen Verantwortlichen in den Hochschulen schwer, Talare zu ordern. Isa Ungruh:

    Die Entscheidungsträger sind in einer Zeit groß geworden, wo das gerade abgeschafft wurde, und die wundern sich sehr, dass so etwas wieder Thema ist. Das hat natürlich was mit der Internationalisierung zu tun. Aber für deutsche Verhältnisse ist diese Entwicklung rasant, und das trifft die gleichen Personen, die sich damals daran gewöhnt haben, dass gar nichts da war. Genau diese Leute sollen jetzt entscheiden, dass wieder eingeführt wird, was sie damals abgeschafft haben.

    In Bochum hat man damit allerdings kein Problem.