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Olga Tokarczuk: "Die Jakobsbücher"
Panorama einer krisenhaften Welt

Das Opus Magnum der frisch gekürten Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk spürt einer der bedeutendsten Figuren des 18. Jahrhunderts nach, dem polnischen Mystiker Jakob Frank. Ein schillerndes Portrait eines Grenzgängers an der Schwelle zur Moderne - mit Bezügen zu unserer Gegenwart.

Von Martin Sander | 11.10.2019
Die polnische Autorin und frisch gekürte Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk steht vor ihrer Lesung in Bielefeld an einem Bücherregal.
Olga Tokarczuk - Chronistin ihres Landes und scharfsinnige Analytikerin der Verhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart ( Friso Gentsch/dpa/picture-alliance)
Um es vorweg zu sagen: Olga Tokarczuk hat mit den "Jakobsbüchern" einen großen und überaus aktuellen historischen Roman vorgelegt. Auf knapp 1.200 Seiten erzählt die Autorin vom Schicksal einer einzigartigen europäischen Kulturlandschaft mit zahlreichen Religionen und zahllosen Ethnien: vom Osten der polnisch-litauischen Adelsrepublik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, kurz bevor dieses Land von seinen Nachbarn Russland, Österreich und Preußen aufgeteilt wurde. Als Reich der Freiheit, Gerechtigkeit und Glaubenstoleranz hat man die Adelsrepublik in Polen oft idealisiert – bis auf den heutigen Tag. Olga Tokarczuk zeichnet ein anderes Bild dieser Republik, voller Gegensätze, Verzweiflung, Aufruhr und Unterdrückung. Sie erzählt vom Leben in diesem Land, aber auch über seine Grenzen hinweg.
Facetten der Wirklichkeit
"Spricht hier jemand Polnisch?" lautet der Aufschrei der polnischen Dichterin und Gesellschaftsdame Elżbieta Drużbacka, als sie an einem Tag des Jahres 1752 während einer Durchreise unverhofft auf dem Marktplatz des Provinznestes Rohatyn südöstlich von Lemberg aus der Kutsche steigen muss. Ihre Herrin, die Kastellanin Kossakowska, windet sich in Bauchkrämpfen. Die Drużbacka findet Hilfe beim polnischen katholischen Pater Chmielowski. Der sucht bei den Juden der Stadt hebräische Quellen für sein enzyklopädisches Werk, das er in lateinischer Sprache verfasst. Die Dichterin und der Enzyklopädist schauen bei Tokarczuk auf Rohatyn, einem von zahllosen ähnlichen Orten der Region Podolien, östlich der Karpaten und einem wiederkehrenden Schauplatz des Romans.
"Je tiefer der Blick in die Seitengassen dringt, desto schärfer springt die Armut ins Auge, wie eine ungewaschene Zehe im löchrigen Stiefel. Die schiere Armut, die sich zur Erde beugt. Keine Lädchen oder Kramstände mehr, sondern elende Verschläge, die Hundehütten gleichen, aus kümmerlichen Holzresten gezimmert, die von Abfallhaufen zusammengeklaubt wurden. (…)Zerlumpte Frauen sammeln auf den Gassen Sägespäne und Pferdeäpfel als Brennmaterial. An den Lumpen ist nicht zu erkennen, ob es jüdisches, orthodoxes oder katholisches Elend ist. Die Armut kennt weder Konfession noch Staatspapiere."
Eine andere Sicht auf die Wirklichkeit haben einige Mächtige in diesem Roman. Es sind Vertreter des polnischen Hochadels, Magnaten, die im Osten des polnisch-litauischen Großreichs über ihren Gutsbesitz verfügen, als sei es ihr eigener Staat. Sie ziehen gegen den König zu Felde, sind gegen Reformen. Sie wollen ihr feudales katholisches Polen vor der Überfremdung bewahren, vor allem vor den Juden, die im Osten in großer Zahl leben, mit denen sie in Geschäfte verstrickt sind von denen sie nicht selten ihre Besitztümer verwalten lassen. Auch die Kirchenoberen üben politische Macht aus. Unter ihnen tritt immer wieder der Bischof von Kiew und (später von Krakau) Sołtyk in Erscheinung. Wie fast alle Protagonisten gestaltet ihn die Autorin nach dem Vorbild einer historischen Figur dieses Bischofs. Kajetan Sołtyk hatte den Leitspruch "Glaube und Freiheit" geprägt: Die Maxime zielte auf den katholischen Glauben. Allgegenwärtig wurde sie im späten 18. und 19. Jahrhundert als Protestruf Polens gegen seine Aufteilung durch die Nachbarn Russland, Österreich und Preußen. Bis heute durchdringt sie das nationale polnische Selbstverständnis. Olga Tokarczuk erzählt allerdings auch davon, wie und warum dieser Bischof sich zu Lebzeiten gegen eine Gleichstellung von Katholiken mit Nicht-Katholiken stemmt, weshalb er de facto den Ausschluss von Juden aus der Gesellschaft fordert. Der Bischof ist dem Glücksspiel verfallen.
"Klettern also des Bischofs Spielschulden in die Höhe, so ruft er Gott an, dass er ihn vor einem Skandal bewahre, falls die Angelegenheit ans Tageslicht käme. Gottes Hilfe fordert er ein, schließlich kämpfen er und Gott Seite an Seite. Gott jedoch zeigt sich eigentümlich träge, manchmal scheint er den Bischof so recht zum Hiob machen zu wollen. Gelegentlich kommt es gar vor, dass der Bischof ihn verwünscht; anschließend bereut er es freilich und bittet um Vergebung – ein jeder weiß doch um seinen Jähzorn. (…) Noch weiß niemand, dass er die bischöflichen Insignien verpfändet hat, um seine Schulden zu begleichen. Bei den Juden von Schytomir. (…) Das Geld hat der Bischof am Kartentisch nicht zurückgewonnen, nun fordert er die Herausgabe der Insignien, will den Juden bewaffnete Männer auf den Hals hetzen (...)."
Fruchtbarer Boden für falsche Propheten
Podolien und überhaupt der Südosten der polnisch-litauischen Adelsrepublik erscheint bei Olga Tokarczuk als Land im Aufruhr. Es herrscht eine allgemeine Verunsicherung und eine Endzeitstimmung, deren Ursachen Generationen zurückreichen. Mitte des 17. Jahrhunderts hatte Bogdan Chmielnicki, ein ukrainischer Kosakenführer, der sich als Sozialrevolutionär und Rächer der Unterdrückten verstand, große Teile des Landes verwüstet, die verhasste polnisch-katholische Herrenschicht angegriffen. Vor allem hatte er in zahllosen Pogromen die jüdischen Gemeinden dezimiert und die Überlebenden auf lange Sicht in Angst und Schrecken versetzt. Unter dem Eindruck der grausamen Gewalt des Bogdan Chmielnicki und seiner Kosaken waren neue religiöse Strömungen unter den Juden entstanden. Viele von ihnen glaubten nicht mehr an die eigene Überlieferung, sondern verfielen der Mystik des Sabbatai Zwi, der sich selbst zum Messias erklärte. Zwar entpuppte sich der durch seinen späteren Übertritt zum Islam als falscher Prophet und enttäuschte seine Anhänger tief. Dennoch blieben sein mystisches Erbe, die baldige Erwartung eines neuen Erlösers in vielen jüdischen Gemeinden lebendig. Krypto-Sabbatianer trugen es weiter – bis eben einhundert Jahre später, Mitte des 18. Jahrhunderts, ein Jakob Lejbowicz aus einem kleinen Ort in Podolien unweit von Tschernowitz als neuer Messias in Sabbatai Zwis Fußstapfen treten sollte. Jakob ist die Hauptfigur im Roman von Olga Tokarczuk.
"Nie spricht Jakob, wie die Weisen sprechen, in langen, verschlungenen Sätzen, in denen es wimmelt von seltenen, bedeutungsschweren Worten, mit denen sie sich ständig auf Zitate aus den Schriften beziehen. Jakob spricht kurz und klar, wie jemand, der vom Handel auf den Märkten lebt, wie jemand, der ein Fuhrwerk lenkt. Ständig scherzt er, doch weiß man nie, ob es wirklich Scherze sind oder ernst gemeinte Urteile. Seinem Gegenüber schaut er genau in die Augen, äußert seine Sätze, als feuerte er einen Schuss ab, wartet auf die Wirkung. Sein durchdringender Vogelblick – der Blick eines Adlers, eines Falken, eines Geiers – verwirrt die Menschen, verunsichert sie; sie halten diesem Blick nicht stand, wenden sich ab."
Messianische Erweckung im Osmanischen Reich
Von Kindheit an steht dieser Jakob unter dem Einfluss der Sabbatianer. Er ist von der Idee besessen, durch eine mystische Erneuerungsbewegung die Juden aus der Diaspora und aus den bedrückenden Verhältnissen in den Ghettos zu erlösen. Der junge Jakob verlässt seinen podolischen Geburtsort, geht ins unmittelbar angrenzende Osmanische Reich. Im zu jener Zeit osmanischen Bukarest beginnt er eine Kaufmannslehre, bricht sie ab und fällt durch allerlei Betrügereien und Diebstähle auf. In Bukarest und später in Smyrna und Saloniki unterweisen ihn die dort wirkenden Koryphäen des Sabbatianismus. Irgendwann erhält Jakob den Nachnamen Frank, mit dem die Osmanen Fremde bezeichnen. Bald präsentiert er sich einer wachsenden Schar von Anhängern als neuer Messias. Jakob Frank verwirft die Lehren des orthodoxen Judentums samt Thora und Talmud.
Soweit die mehr oder minder gesicherten Tatsachen. In freier Anlehnung an die historische Literatur beleuchtet Olga Tokarczuk ihren Helden und seine Wirkung auf die Umgebung aus dem Blickwinkel anderer Romanfiguren. Dabei spielt Nachman Samuel ben Lewi aus Busk bei Lemberg eine herausragende Rolle. Nachman ist einer der getreuen Jünger Jakobs, auch wenn er mitunter an ihm zweifelt. Die Augenzeugenberichte, die ihm die Erzählerin in den Mund legt, wirken nicht selten fantastisch, übertrieben, unglaublich. Nachman scheint zu übertreiben. Unbedingt will er dem irdischen Geschehen überirdischen Sinn verleihen.
"Zwischen umgestürzten Möbeln stand Jakob, halb nackt (…), die Haut glänzte von Schweiß, sein Gesicht war bleich, die Augen seltsam blicklos, und wie bei einem heftigen Fieber zitterte er am ganzen Leib. (…) Der Vorhang zwischen dieser und jener Welt riss ein, die Zeit verlor ihre Unschuld, gleich einem Rammbock brach der Geist sich Bahn. Schwer von Schweiß war die Luft in der engen stickigen Kammer, ein blutiger Geruch stieg auf, wie von rohem Fleisch. Übelkeit ergriff mich, ich spürte, wie jedes Haar an meinem Körper sich sträubte; auch sah ich, dass Jakobs Männlichkeit anschwoll und den Stoff seines Sirwal wölbte, schließlich fiel er ächzend und mit gesenktem Kopf auf die Knie."
Verrat, Intrige und tiefer Fall
So ist laut Nachman der Heilige Geist in den Messias Jakob Frank gefahren. Frank selbst hielt in seinen Schriften fest, er habe vom Herrn den Befehl empfangen, auf seinem Weg befremdliche Taten zu begehen. Um die Menschheit von ihren Bürden zu befreien, müsse man zunächst Abgründe durchlaufen. In ihren "Jakobsbüchern" kommt Olga Tokarczuk immer wieder darauf zurück: Gotteslästerung, Verrat, Intrige, Kuppelei, Inzest, Gewalt. Nachdem die orthodoxen Rabbiner Polen-Litauens über die Frankisten den Bann verhängt haben, schreiten diese zu Bücherverbrennungen, werfen das talmudische Schrifttum ins Feuer. Mehr noch: Sie fallen ihren ehemaligen Glaubensbrüdern in den Rücken, indem sie behaupten, der Talmud rufe zum Ritualmord an Christen auf. Mit dieser Denunziation stützen sie eine unter den polnischen Katholiken und ihren Bischöfen verbreitete Unterstellung, die sogar im 20. Jahrhundert noch Wirkung entfaltet. Dabei hatte der Vatikan bereits zu Zeiten Franks alle Ritualmordvorwürfe als Aberglauben verurteilt.
Eine zeitlang leben die Angehörigen von Jakobs Sekte in einer Kommune auf dem Boden der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Polnische Magnaten und Kirchenobere unterstützen die Frankisten teilweise, weil sie gegen das orthodoxe Judentum revoltieren. Dahinter steht der Interesse, sie durch die Taufe zu ganz und gar katholischen Polen machen zu können. 1758 stellt der polnische König Frank unter seinen Schutz und erhebt ihn gar in den Adelsstand. Als jedoch klar wird, dass es dem selbsternannten Messias nicht um den christlichen Glauben geht, sondern um eigenen religiösen Einfluss und seine eigene weltliche Macht, lässt man ihn wieder fallen. Die Inquisition bringt Jakob Frank für viele Jahre ins Klostergefängnis von Tschenstochau. Hier ereilt ihn 1772 die gewaltsame Auflösung der Adelsrepublik. Polen-Litauen wird von seinen Nachbarn Russland, Österreich und Preußen geteilt. Olga Tokarczuk erzählt davon aus dem Blickwinkel Nachmans:
Die Suche nach einem eigenen Staat
"Die Russen entfachten im Klosterhof große Lagerfeuer, soffen den Messwein, und was sie nicht in sich gossen, schütteten sie auf die Pflastersteine, dass sie aussahen wie von Blut überströmt. Sie plünderten die Bibliothek und die Schatzkammer, verwüsteten das Zeughaus, zerstörten viele Waffen, sprengten das Klostertor in Stücke. Von der Mauerkrone sah man den Rauch, der von den Dörfern aufstieg, die sie rings in Brand gesetzt hatten. Zu meinem großen Erstaunen schien Jakob nicht sonderlich bedrückt. Im Gegenteil – das ganze Chaos schien ihm Mut zu machen, das Kriegsgetümmel weckte seine Kräfte. Er ging zu den Moskowitern, sprach mit ihnen."
Jakob Franks bändelt zunächst mit den Russen an und bricht dann in den westlichen Teil des christlichen Abendlands auf. Diesen Weg beschreiben die "Jakobsbücher" in ihren letzten Teilen. Mit eigenem Hofstaat samt Militär gelangt der Religionsführer zunächst zu Verwandten nach Brünn, die seinen Ideen verbunden sind. Von dort findet er Zugang zum Wiener Hof, verkuppelt seine Tochter laut Tokarczuks Erzählung mit dem Kaiser Joseph II – für gewisse Zeit Die Idee eines eigenen Ministaats lässt sich jedoch auch unter dem Schutz der Habsburger nicht verwirklichen. Schließlich nimmt der in Religionsfragen aufgeklärte Fürst Wolfgang Ernst zu Büdingen und Isenburg die Frankisten auf und stellt ihnen sein Offenbacher Schloss zur Verfügung. Ausgezeichnet mit dem Titel eines Barons von Frank-Dobricki herrscht der Messias die Jahre bis zu seinem Tod 1791 über seinen Minihofstaat mit einigen hundert Getreuen. Sie nehmen an der katholischen Messe teil und pflegen zugleich ihre eigenen Riten. Die deutschen Nachbarn sehen in ihnen eine exotische Gruppe polnischer Kleinadeliger. Olga Tokarczuk lässt die deutsche Schriftstellerin, Aufklärerin und Salondame Sophie von La Roche notieren:
"Höchst interessant, (…) wie unsere werten Offenbacher Bürger sich mit dem lückenhaften Wissen einrichten, mit dem sie sich hinsichtlich dieser Polen bescheiden müssen. Der menschliche Geist leidet keine Unsicherheiten und Halbheiten, so wurden denn auch gleich mannigfache Geschichten um dieses Insektenvölkchen ersonnen. Gerüchte gehen, dass der alte Mann im türkischen Gewand ein Alchemist und Kabbalist sei, wie jener Graf von Saint Germain, und dass er sein Vermögen dem Gold verdanke, das sie angeblich in ihrer eigenen Werkstatt fabrizieren (…)."
Zwischen historischem und magischem Realismus
Olga Tokarczuk hat für ihre "Jakobsbücher" tief aus historischen Quellen geschöpft, um dann frei und fantasievoll damit umzugehen. Eine besondere Rolle im Erzählgeschehen hat sie der Figur der Jenta zugedacht. Die Großmutter Jakobs legt sich gleich zu Beginn des Romans und für alle anderen unpassend auf einer großen Familienhochzeit im podolischen Rohatyn aufs Sterbebett. Doch Jenta kann diese Welt nie ganz und gar verlassen, schwebt fortan zwischen Diesseits und Jenseits über dem Geschehen, um ganz zum Schluss der Erzählerin noch einmal über die Schulter zu schauen – auf den Bildschirm, wo ihr Name erscheint, den sie nicht erkennen kann. Mit Jenta rückt die Autorin ihren Roman in die Nähe des magischen Realismus. Immer wieder spricht sie durch ihre Figuren, schafft durch die unterschiedlichsten Erzählperspektiven Hochspannung und verkündet Botschaften voller Mehrdeutigkeit: In einer bibliografischen Notiz vermerkt sie so beiläufig wie programmatisch, die Historie sei der unablässige Versuch zu verstehen, was sich ereignet hat – und was sich hätte ereignen können. In den "Jakobsbüchern" ist ihr dieser Versuch grandios geglückt.
Eine gelungene Übersetzung
Polnische Kritiker haben nach Erscheinen der Originalausgabe 2014 hervorgehoben, wie sehr die Autorin darin bis heute herrschende Vorstellungen von den idealen Verhältnissen in der polnisch-litauische Adelsrepublik in Frage stellt. Diesen Staat, der Ende des 18. Jahrhunderts mit militärischer Gewalt von seinen Nachbarn aufgeteilt und von der europäischen Landkarte getilgt wurde, hat das kollektive Gedächtnis der Polen vor allem als Hort von Freiheit und Toleranz bewahrt, als fernes goldenes Zeitalter. Olga Tokarczuk räumt mit solchen Vorstellungen auf und zeigt andere Bilder. Unter anderem auch deshalb nimmt man sie vielerorts und zu Recht als eine der bedeutenden polnischen Stimmen der Gegenwart wahr. Den derzeit regierenden nationalkonservativen Kulturpolitikern gilt sie indes als Nestbeschmutzerin, die man nur ungern fördert.
Bei der Übertragung der des Romans ins Deutsche haben Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein fast ein Wunder vollbracht: Sie haben den vielen Ebenen dieses Erzählkunstwerks ihren eigenen Ton verliehen, frei und fantasievoll in der Wortwahl, präzise bei der Wiedergabe des Sinns und übergeordneter Gedanken. Die entwickeln sich in diesem großen Roman oft wie nebenbei: Vielleicht sei ja die ganze Kunst des Schreibens, vertraut sich die Dichterin Elżbieta Drużbacka ihrem Brieffreund, dem Pater und Enzyklopädisten Chmielowski an, doch nur die Vollkommenheit der unpräzisen Formen.
Olga Tokarczuk: "Die Jakobsbücher"
aus dem Polnischen von Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein
Kampa Verlag, Zürich 2019, 1184 Seiten, 42 Euro.