Freitag, 29. März 2024

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Oliver Frljić am Maxim Gorki Theater
Halbgare "Alternative zu Deutschland"

Wo sein Name drauf steht, ist Provokation drin: Oliver Frljić brachte in Polen mit einer extrem antiklerikalen Inszenierung gleich ein ganzes Theaterfestival in Gefahr. Jetzt ist der aus Bosnien stammende Theatermacher am Berliner Maxim-Gorki-Theater angekommen – und erneut hat er sich ein heikles Thema vorgenommen: die AfD.

Von Michael Laages | 16.03.2018
    Nika Mišković, Mehmet Ateşçi, Svenja Liesau, Till Wonka, Falilou Seck, Mareike Beykirch in GOЯKI – ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND? ÜBER DIE REPRÄSENTATIVE SCHWÄCHE DES THEATERS UND DER DEMOKRATIE IM FRÜHEN 21. JAHRHUNDERT VON OLIVER FRLJIĆ REGIE Oliver Frljić BÜHNE Igor Pauška KOSTÜME Sandra Dekanić DRAMATURGIE Aljoscha Begrich LICHT Jens Krüger TON Hannes Zieger
    Nika Mišković, Mehmet Ateşçi, Svenja Liesau, Till Wonka, Falilou Seck, Mareike Beykirch in "GOЯKI – Alternative für Deutschland?" von Oliver Frljic im Maxim Gorki Theater Berlin (Ute Langkafel MAIFOTO)
    Wie dumm könne sie sein, die liberale Demokratie, dass sie ihre eingeschworenen Feinde mit Diäten päppele als Abgeordnete im Parlament, lässt Oliver Frljić auf der Bühne fragen. Er zitiert damit fleißig und sehr ausführlich aus den Hass-Predigten und Kampf-Ansagen, wie sie in Parteiprogrammen und Theorie-Schriften stehen, mit der die neue Partei 13 Prozent des deutschen Wahlvolks so sehr überzeugte, dass sie nunmehr die drittgrößte Fraktion stellen darf im Bundestag. Fragen wir weiter: Wie dumm kann es sein, das Theater, dass es seinen eingeschworenen Feinden derart viel Platz einräumt auf der Bühne – und diesen Feinden von Kunst und Theater, Kultur und Zivilisation überhaupt, zugleich derart wenig Widerspruch entgegensetzt?
    Natürlich ist es immer gut zu wissen, wie der Gegner, wie die Gegnerin denkt und agiert – Oliver Frljić aber phantasiert von einer innigen Beziehung zwischen Demokratie und Faschismus, die speziell Deutschland schon im vorigen Jahrhundert in Abgründe getrieben habe und demnächst wahrscheinlich wieder treiben werde. Und nun hat er ausgerechnet das besonders modisch-hippe Theaterchen am alten Berliner Linden-Boulevard als Brutstätte dieser schrecklichen Vereinigung ausgemacht. Gerade was hier an Beschwörung und Wortmeldung von Randgruppen und "Communities" der modernen Metropole möglich sei, dokumentiere doch nichts als hausinterne Verlogenheit:
    "Bin ich nur hier, weil ich schwarz bin? Bin ich hier doch nur der Quoten-Neger?" - "Ich bin hier der Quoten-Ossi. Ich kann Euch was über die DDR erzählen, 'n schönen Monolog machen – klar kann ich das! Aber ich will was spielen – ich bin Dekoration!"
    Gorki Theater als Puppenkiste
    Alle Klischees über dieses außergewöhnliche Ensemble werden herbei zitiert, und Shermin Langhoffs postmigrantische Bühne darf sich dabei zum einen suhlen in miefig-müffelndem Eigenlob. Um dann zum anderen als Muster für die – was immer das sein soll - "repräsentative Schwäche des Theaters und der Demokratie im frühen 21. Jahrhundert" gegenüber dem Hass von Rechts in Beugehaft genommen zu werden.
    "Dieses Theater war Geburtsort deutscher Verfassung und deutscher Rechte ..."
    Dafür wird der Eiserne Vorhang hoch gefahren, vor dem das Ensemble zuvor in angestrengter Selbstzerfleischung herum gezetert hatte, und aus der Tiefe des kleinen Theaters fährt ein exakter Nachbau dieses Hauses selbst unter donnernd-verfremdetem "Also sprach Zarathustra"-Sound nach vorn an die Rampe. Drin und drauf agiert nun das Personal, nimmt diese Berliner Puppenkiste auch Stück für Stück auseinander und klaut das "A" von Maxim Gorki, weil es in den anderen auf die Bühne gewuchteten Partei-Signets halt kein "A" gibt. Aber ob das reicht, um jener Form von - mittlerweile routinierter - "kultureller Erneuerung" quasi Mitschuld zu geben am Aufstieg der neuen Nazis?
    Halbgarer Abend, manipulative Denke
    Unentwegt tut dieser ziemlich halbgare Abend so, also wolle er Reflexion befördern über die offensichtliche politische Gefahr in diesem Land und generell in Europa und der Welt; aber nichts, wirklich überhaupt nichts bietet Frljić an an ernsthafter "Alternative für Deutschland". Er sonnt sich in der Rolle des anarchischen Nihilisten. Drei Ensemblekräfte sollen während der Proben eingetreten sein in die Partei treudeutscher Hasspredigerinnen und Hassprediger – auf der Bühne verbreiten sie prompt auch deren Vokabular. Und zwar extrem spekulativ und manipulativ – wie jener Berliner Türke der dritten Einwanderer-Generation, der vom alten Kreuzberg schwärmt, wo Opa den Gemüseladen der Familie gründete und glücklich war. Und jetzt wird plötzlich, mit neuen Migranten, alles ganz anders … huch!
    Frljić verabschiedet sich eigentlich aus dem politischen Kampf mit der höchstpersönlichen Theorie über die Liebe von Demokratie und Kultur zum Faschismus. Und beschimpft passenderweise auch noch das (wie immer im Gorki) rückhalt- und gedankenlos begeisterte Publikum, weil es im Theater sitzt und nicht die AfD-Zentrale in die Luft sprengt. Dieser Oliver Frljić ist in aller wirren Feuerköpfigkeit ein manchmal harmlos lärmender und manchmal richtig schlimmer Scharlatan. Damit ist er bei Gorki's am richtigen Ort.